Die Frage nach den gesamtwirtschaftlichen Effekten von Budgetkonsolidierungsmaßnahmen (staatliche Ausgabenkürzungen bzw. Steuererhöhungen) ist von großer wirtschaftspolitischer Bedeutung. In einer neuen Studie untersuche ich die Effekte restriktiver Budgetpolitik auf die Einkommensungleichheit. Wenig überraschend führen Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung für gewöhnlich zu einem Anstieg der Einkommensungleichheit. Das Ausmaß der staatlichen Budgetmaßnahmen sowie deren Zusammensetzung (Ausgabenkürzungen vs. Steuererhöhungen) spielen jedoch ebenso eine wesentliche Rolle wie das Timing.
Effekte restriktiver Budgetpolitik auf Markteinkommen vs. verfügbare Einkommen
Während ÖkonomInnen in den letzten Jahren die wirtschaftlichen Wachstumseffekte von Budgetkonsolidierungen intensiv erforscht haben, bleibt die wissenschaftliche Forschung zu den Verteilungseffekten vergleichsweise unterentwickelt.
Ich habe nun analysiert, wie sich die Einkommensungleichheit als Folge der Budgetpolitik in den acht Jahren nach dem Beginn einer Konsolidierungsperiode verändert hat. Meine Untersuchung umfasst 17 hoch entwickelte Länder – darunter Österreich, Deutschland und 15 andere europäische und nicht-europäische OECD-Länder – im Zeitraum 1978 bis 2013. Basierend auf den aktuellsten Daten zum Ausmaß und Timing von Budgetkonsolidierungen und harmonisierten Daten zur Einkommensungleichheit (die anhand des Gini-Koeffizienten gemessen wird) ergeben sich folgende zentrale Effekte:
- Fiskalische Konsolidierungen haben langfristige Effekte auf die Einkommensungleichheit, die als Veränderungen im Gini-Koeffizienten verfügbarer Einkommen (nach Berücksichtigung von Steuern und staatlichen Transferleistungen) gemessen werden. Der Gini-Koeffizient verfügbarer Haushaltseinkommen steigt durchschnittlich als Folge einer gesetzten Budgetkonsolidierung in den ersten drei Jahren um 0,4 Punkte an; nach sieben Jahren beträgt der Anstieg 0,6 Punkte. Der Gini-Koeffizient liegt zwischen 0 und 100 Punkten, wobei 0 bedeuten würde, dass alle Haushalte den gleichen Anteil des Einkommens beziehen, während ein Wert von 100 anzeigt, dass ein Haushalt das ganze Einkommen erhält.
- Der Effekt auf die Markteinkommen (vor Steuern und Transferleistungen) fällt dabei stärker aus als der Effekt auf die verfügbaren Einkommen (nach Steuern und Transfers), wie die Grafik weiter unten zeigt. Ein wichtiger Wirkungskanal dürfte typischerweise darin liegen, dass steigende Arbeitslosigkeit die Ungleichheit der Markteinkommen erhöht: Insbesondere staatliche Ausgabenkürzungen reduzieren die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen, senken damit das Wirtschaftswachstum und treiben die Arbeitslosigkeit nach oben – was zu einer verstärkten Schieflage der Markteinkommen führen kann. Des Weiteren treffen Kürzungen in sozialen Transfers die Haushalte im unteren Teil der Einkommensverteilung stärker, und eine Rücknahme von öffentlichen Programmen, von denen in Armut lebende Menschen besonders profitieren, kann ebenfalls die Ungleichheit der verfügbaren Einkommen erhöhen. Die Ergebnisse in der Grafik verweisen jedoch darauf, dass das soziale Sicherungsnetz – bestehend aus Arbeitslosenunterstützung und anderen Arten von Sozialausgaben – einen Teil des durch die restriktive Budgetpolitik bewirkten Anstiegs in der Einkommensungleichheit durch Umverteilung kompensieren kann.
- Ein zentrales Ergebnis besteht jedoch auch darin, dass sich nicht alle Budgetkonsolidierungen gleichermaßen auf die Einkommensungleichheit auswirken: Tatsächlich deuten die Studienergebnisse darauf hin, dass die Effekte auf die Einkommensungleichheit am stärksten ausgeprägt sind, wenn a) das Sparpaket groß statt klein ist; wenn b) sich die Konsolidierung über mehrere Jahre zieht; wenn c) eher staatliche Ausgabenkürzungen (z. B. von Sozialleistungen oder Investitionen) als Steuererhöhungen vorgenommen werden; wenn d) die Budgetkonsolidierung im Nachgang einer Finanzkrise gestartet wird und wenn e) die konjunkturelle Situation (gemessen anhand von relativ niedrigem Wirtschaftswachstum) ungünstig ist.