Die wirtschaftliche Entwicklung vor der Krise war gekennzeichnet durch stark wachsende Immobilienpreise sowie einer ansteigenden Verschuldung der privaten Haushalte, die wesentlich zum Aufbau gefährlicher Leistungsbilanzungleichgewichte beitrugen. Eine Analyse der Wachstumstreiber zeigt, dass die hohen Wachstumsraten der Länder mit defizitärer Leistungsbilanz (USA, UK, ES, IT) ohne einen massiven Anstieg der privaten Verschuldung und Immobilienpreise nicht möglich gewesen wären. Im Umkehrschluss wären die ohnehin niedrigen Wachstumsraten der Nettoexporteure (DE, AT, NL) noch niedriger ausgefallen. Um Krisen vorzubeugen, ist ein Mehr an internationaler wirtschaftspolitischer Koordination nicht nur in Hinblick auf die internationalen Finanzmärkte erforderlich.
In der Dekade 1997 bis 2007 akzeptierten Länder wie die USA, Großbritannien, Spanien, Italien, und Griechenland dauerhafte Leistungsbilanzdefizite als das Ergebnis von hohen Wachstumsraten der heimischen Wirtschaft, die vielerorts Dank steigender Immobilienpreise und privater Verschuldung florierte. Den Gegenpool hierzu bildeten Länder wie Deutschland, Finnland oder Österreich, die stark auf die positiven Wachstumsimpulse ihrer zunehmenden Nettoexporten vertrauten. Steigende Immobilienpreise spielten in diesen Ländern eine untergeordnete Rolle.
Es gibt verschiedene Besonderheiten, so spielte die öffentliche Verschuldung in Griechenland eine wesentliche Rolle, während beispielsweise in Spanien nicht nur die privaten Haushalte, sondern auch die Unternehmen (speziell in der Bauwirtschaft) hohe Verbindlichkeiten akkumulierten. Die Niederlande sind eines der wenigen Länder, die gleichzeitig hohe Leistungsbilanzüberschüsse und stark steigende Immobilienpreise (zwischen 1997 und 2007 plus rund 70%) verzeichneten.
Insgesamt bietet die Unterscheidung zwischen schulden- und exportgetriebenem Wachstum jedoch eine nützliche Kategorisierung für die weitere Analyse.
1997-2007: wachsende Ungleichgewichte
Um den Aufbau der Ungleichgewichte zu erklären, untersuchen wir welche Faktoren in den jeweiligen Ländern ausschlaggebend für das Einkommenswachstum waren. Wir konzentrieren uns dabei auf den Erklärungsgehalt von Veränderungen in der Einkommensverteilung, der Akkumulation von Schulden im privaten Sektor sowie dem Anstieg der Immobilienpreise für das Wirtschaftswachstum in der Periode 1997-2007 in 18 Ländern der OECD (im Detail siehe Cambridge Journal of Economics oder WuG 4/2015). Zur verbesserten Darstellung fassen wir die Länder – mit Ausnahme von Japan und Frankreich, die zwar enthalten sind, aber weder einer Gruppe zugeordnet noch dargestellt werden – in vier Gruppen zusammen: anglophone Länder (Australien, Kanada, USA, Vereinigtes Königreich), nördliche Mitglieder der Eurozone (Belgien, Deutschland, Finnland, Niederlande, Österreich), nördliche nicht-Euro Länder (Dänemark, Norwegen, Schweden, Schweiz) und südliche Euro Länder (Irland, Italien und Spanien). Die Gruppe anglophoner Länder und die südlichen Mitglieder der Eurozone können dabei als Länder mit schuldengetriebener Wachstumsorientierung angesehen werden. Die beiden anderen Gruppen als exportorientiert.
Aus einer Keynesianischen Perspektive betrachtet, sollte eine Polarisierung der Einkommensverteilung zu einer Verringerung des Konsums und der aggregierten Nachfrage führen und somit zu niedrigerem Wirtschaftswachstum führen. Stark steigende Vermögenspreise sollten sich hingegen positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken, da die privaten Haushalte bereit sein werden einen Teil dieses Vermögensanstiegs zu konsumieren. Um in einem Umfeld steigender Immobilienpreise das zugrundeliegende Haus oder Wohnung nicht verkaufen zu müssen um einen etwaigen Wertzuwachs zu realisieren, nehmen Haushalte Verbindlichkeiten auf. Somit erwarten wir sowohl von steigenden Vermögenspreisen als auch zunehmender Haushaltsverschuldung positive Nachfrageeffekte.