Die ökonomische Realität in den südeuropäischen Ländern Griechenland, Italien, Portugal und Spanien (GIPS-Länder) ist durch Lohnsenkungen, hohe Arbeitslosenraten und Deflationstendenzen gekennzeichnet. Die schmerzhaften Erfahrungen der letzten Jahre sind nicht ohne historische Analogien: Die Geschichte des Goldstandards liefert Einsichten in die makroökonomischen Konsequenzen einer Anpassungsstrategie, die auf Deflation in den Krisenländern setzt – während die Länder mit anhaltenden Leistungsbilanzüberschüssen eine Beteiligung am Anpassungsprozessverweigern.
Die Strategie der „inneren Abwertung“ im Süden der Eurozone
Im Hintergrund dieser makroökonomischen Entwicklung im Süden der Eurozone steht das Vorantreiben der Strategie der „inneren Abwertung“ durch die sogenannte Troika bzw. die EU-Kommission, bei der Abwärtsdruck auf Löhne und Preise ausgeübt wird. Mit dieser Deflationspolitik ist die Erwartung von steigender Wettbewerbsfähigkeit, einer Ankurbelung der Exporte und somit von mehr Wachstum und Beschäftigung verbunden.
Tatsächlich gingen die Leistungsbilanzdefizite in den GIPS-Ländern von durchschnittlich 8% des BIP in 2009 so stark zurück, dass bis auf Griechenland alle Mitglieder der GIPS-Ländergruppe 2013 bereits Überschüsse erzielten. Diese Entwicklung war jedoch nicht durch eine vorteilhafte Exportdynamik getrieben, sondern resultierte in erster Linie aus Nachfragerückgängen und einbrechenden Importen – und war damit eine Konsequenz der verheerenden wirtschaftlichen Schrumpfung.
Goldstandard damals, Eurozone heute
Die institutionellen Rahmenbedingungen in der Eurozone unterscheiden sich stark von jenen im Goldstandard. Nichtsdestotrotz bestehen bezüglich der Einschränkungen des wirtschaftspolitischen Instrumentariums durchaus relevante Parallelen: Weil der Wert ihrer Währungen an den Goldpreis gebunden war, konnten die Mitgliedsländer des Goldblocks – darunter die großen Staaten USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien – im klassischen Goldstandard (1844-1913) und im nach dem Ersten Weltkrieg wiederhergestellten Goldstandard keine Währungsabwertungen mehr vornehmen. Die Zentralbanken aller Goldblockländer mussten ausreichend Reserven halten, um die Glaubwürdigkeit der Goldbindung zu untermauern. Die geldpolitischen Handlungsmöglichkeiten waren damit de facto stark eingeschränkt.
Wo liegen die Parallelen zur Situation der GIPS-Länder in der Eurozone? Währungsabwertungen sind für Euromitgliedsländer – genau wie für die Goldblockländer im neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert – keine Option. Zudem kann die Geldpolitik nicht auf die Bedürfnisse einzelner Länder ausgerichtet werden; die EZB muss für Deutschland und Griechenland denselben Leitzins setzen, obwohl die wirtschaftliche Situation dieser beiden Länder eigentlich unterschiedliche geldpolitische Vorgehensweisen erfordern würde.
Goldblock und Südeuropa: Ähnlich verheerende wirtschaftliche Entwicklung
Großbritannien setzte im September 1931 die Goldkonvertibilität des Pfund Sterling aus. Auch einige dem UK nahestehende Länder (unter anderen Dänemark, Norwegen und Schweden) traten Anfang der 1930er-Jahre aus dem Goldstandard aus und koppelten ihre Währung an das britische Pfund; so entstand der sogenannte Sterlingblock. 1931 wurde die britische Währung stark abgewertet, was eine rasche wirtschaftliche Erholung einleitete. Die am Goldstandard festhaltenden Länder litten hingegen unter den realwirtschaftlichen Konsequenzen des Deflationsdrucks und lagen im Jahr 1936 fast 10% unter dem BIP-Niveau aus dem Jahr 1929. Die ökonomische Entwicklung der europäischen Goldblockländer Belgien, Frankreich, Italien, Niederlande und Schweiz in den 1930er-Jahren ähnelt stark den Erfahrungen der südeuropäischen Länder seit 2007.