Das am vergangenen Mittwoch vorgestellte Investitionspaket ist die erste große Initiative von Kommissionspräsident Juncker und sollte „ein ehrgeiziges Paket zur Förderung von Arbeitsplätzen, Wachstum und Investitionen“ sein. Gemessen daran ist es nun eher bescheiden ausgefallen. Ganze 21 Mrd. Euro an – großteils umgewidmeten – öffentlichen Geldern werden bereitgestellt. Diese sollen freilich private Investoren anlocken und über die Finanzmärkte auf 315 Mrd. Euro „gehebelt“ werden. Dass das kein großer Wurf ist, weiß auch die Kommission. Juncker warnte in seiner Präsentation, dass die Wirkung des Pakets weder unter- noch überschätzt werden dürfe. Er hat damit recht, wenn auch nicht in dem Sinn, in dem diese Aussage ursprünglich gemeint war.
Zweifelhafte Wirkung zu höheren öffentlichen Kosten
Überschätzen sollte man jedenfalls nicht die Wirkungen des Pakets auf die Konjunktur, schon gar nicht in der kurzen Frist. Bis der „Europäische Fonds für strategische Investitionen“ einsatzbereit ist, wird es noch mehr als ein halbes Jahr dauern. Und auch wenn die Europäische Investitionsbank wie angekündigt bereits früher beginnt, Projekte zu fördern, ist es mehr als zweifelhaft, ob private InvestorInnen in dem Ausmaß auf die Investitionsprojekte aufspringen, in dem die Kommission das vorgesehen hat.
Die Übernahme des „Erstausfallsrisikos“ – in welcher Form diese dann auch immer geschieht – stellt zwar einen zusätzlichen Anreiz für private InvestorInnen dar. Ob diese sich in großem Umfang an der Erstellung öffentlicher Infrastruktur beteiligen, hängt jedoch in erster Linie von ihren Gewinnaussichten ab. Das Ausmaß der privaten Beteiligung wird daher entscheidend davon beeinflusst, welche (garantierten) Einnahmen in Form von Gebühren oder Mieten die Regierungen den Unternehmen einräumen. Diese Kosten werden aufgrund der Gewinnorientierung und der im Allgemeinen schlechteren Finanzierungsbedingungen für private Unternehmen voraussichtlich höher ausfallen, als wenn der Staat diese Investitionen direkt finanziert. Damit wird auch die Belastung für Steuer- und GebührenzahlerInnen letztlich größer sein. Das Ergebnis: In zukünftigen Budgets muss erst recht wieder an anderen Stellen eingespart werden. Die mittel- bis langfristige Wirkung auf Konjunktur und Beschäftigung wird also bestenfalls neutral bleiben.
Kurzfristig hätte das Paket vor allem dann eine konjunkturelle Wirkung, wenn damit eine Art „Aufbruchsstimmung“ erzeugt würde, die die Unternehmen dazu veranlasst wieder in ihre eigenen Produktionskapazitäten zu investieren. Nur in diesem Fall würde die Konjunktur nämlich in einen selbsttragenden Aufschwung übergehen. Die Euphorie ist jedoch aufgrund der geringen Größe und der offensichtlichen Schwächen des Pakets bislang ausgeblieben. „Echte“ private Investitionen, also solche die im Unternehmenssektor stattfinden und nicht von der öffentlichen Hand abhängen, werden daher auch weiterhin wenig Dynamik zeigen und sich die Schwäche der europäischen Wirtschaft damit fortsetzen.
Kosten und Risiken für den Staat, Gewinne für die InvestorInnen
Wenn auch die Auswirkungen auf die Konjunktur gering bleiben, sollte hingegen die Wirkung des Pakets auf die (Neu-) Definition der Rolle des Staates bei der Bereitstellung öffentlicher Infrastruktur und des Verhältnisses zwischen Staat und Markt keinesfalls unterschätzt werden. Größtenteils unbemerkt von der Öffentlichkeit unterstützt die EU-Kommission mit diesem Paket vorrangig Unternehmens- und Kapitalinteressen und erschließt privaten InvestorInnen neue Gewinnmöglichkeiten. Der Staat soll sich hingegen aus seiner Rolle als Bereitsteller öffentlicher Infrastruktur immer mehr zurückziehen. Die im Zuge der Krise verschärften Fiskalregeln beschränken den finanziellen Spielraum der Regierungen und führen dazu, dass die öffentliche Hand ihre eigentliche Rolle nicht mehr wahrnehmen kann.
Dass die Bereitstellung öffentlicher Leistungen durch gewinnorientierte private Unternehmen in der Vergangenheit schon öfter Probleme bereitet hat, bleibt ausgeblendet. Auch dass die Kosten für Steuer- und GebührenzahlerInnen dabei letztendlich höher sind (siehe oben), wird nicht thematisiert. Letzteres dürfte dazu beitragen, dass die Verteilung der Wohlstandsgewinne noch ungleicher wird als bisher. Im Grunde setzt diese Strategie den schon bei den Rettungsmaßnahmen für den Finanzsektor eingeschlagenen Weg fort: Risiken und Kosten werden zunehmend auf die Öffentlichkeit abgewälzt, während die Gewinne privat bleiben.
Dass den privaten Unternehmen die bisherigen Geschäftsfelder – die Produktion von Konsum- und Investitionsgütern sowie Dienstleistungen – offensichtlich nicht mehr profitabel genug erscheinen, liegt in erster Linie an der immer schiefer werdenden Einkommens- und Vermögensverteilung und an der weitgehenden Deregulierung der Finanzmärkte seit den 1980er-Jahren. Die schwache Entwicklung der realen Einkommen für die unteren Schichten führt dazu, dass die Kaufkraft der breiten Mehrheit der Bevölkerung verhalten bleibt. Die Vermögenden und BezieherInnen hoher Einkommen konsumieren hingegen nur einen geringeren Anteil ihrer Einkommen. Eng damit verbunden ist auch die Wirkung der Deregulierung und des enormen Wachstums des Finanzsektors. Vermögende und große Unternehmen ziehen Investitionen in Finanzanlagen den Realinvestitionen in zunehmendem Maß vor.
Ein alternatives Investitionspaket ist gefragt
Ein Investitionsförderprogramm das seinen Namen verdient, würde genau an diesen Punkten ansetzen. Eine deutlich strengere Regulierung des Finanzsektors würde die Attraktivität von Realinvestitionen wieder steigern und den Trend zur steigenden Ungleichheit abschwächen. Die Bereitstellung öffentlicher Infrastruktur sollte auch eine öffentliche Aufgabe bleiben und über Vermögenssteuern oder direkt über die Europäische Zentralbank finanziert werden. Dies hätte dann ebenfalls positive Verteilungswirkungen und würde die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen ankurbeln. Als Folge würden sich für private Unternehmen auch wieder genug Möglichkeiten für gewinnbringende Investitionen bieten.