Wer wird LehrerIn? Die soziale Herkunft von Lehramtsstudierenden an Universitäten und PH

08. Februar 2016

Sowohl an Pädagogischen Hochschulen als auch an Universitäten gibt es nur wenige Lehramtsstudierende mit Migrationshintergrund. PHs weisen eine höhere soziale Durchmischung als das Uni-Lehramt auf, doch auch die einzelnen PH-Fächer unterscheiden sich deutlich. Wie lassen sich diese Unterschiede erklären und welche Rolle wird die PädagogInnenbildung NEU spielen?

Kaum Lehramtsstudierende mit Migrationshintergrund

Die Sonderauswertung der Studierendensozialerhebung 2011 macht eine zentrale Gemeinsamkeit zwischen Pädagogischen Hochschulen (PH) und dem Uni-Lehramt deutlich: In allen Lehramtsstudien gibt es unterdurchschnittlich wenige StudentInnen mit Migrationshintergrund. Während in Österreich insgesamt rund 7% aller StudentInnen im Ausland geboren sind oder im Ausland geborene Eltern haben, sind dies unter Uni-Lehramtsstudierenden nur 5% und an PHs rund 4%.

Hoher Frauenanteil in Lehramtsstudien

Lehramtsstudien weisen größtenteils einen hohen Frauenanteil auf: An den Unis sind beispielsweise 64% aller Lehramtsstudierenden Frauen. In den meisten PH-Studienrichtungen liegt der Anteil noch höher, beispielsweise mit 68% unter den  Mittelschullehramtsstudierenden. Den mit Abstand höchsten Frauenanteil findet man im  Volksschullehramt (91%), den niedrigsten in den  PH-Lehrämtern für BMHS und Berufsschule (48%).

Uni-Lehramt vs. PH-Mittelschullehramt

Da sich der soziale Hintergrund von PH-Studierenden nach Studienfach stark unterscheidet, ist eine Gegenüberstellung vom Uni-Lehramt und dem Durchschnitt aller PH-Fächer nicht zielführend. Der Vergleich von Uni-Lehramt und PH-Mittelschullehramt ist hier aufschlussreicher, besonders hinsichtlich der Einführung der PädagogInnenbildung NEU. Denn durch die Umstellung werden zukünftig alle LehrerInnen der Sekundarstufe gemeinsam ausgebildet – und nicht mehr separat im PH-Mittelschullehramt und Uni-Lehramt. Gerade wegen dieser Zusammenführung lohnt sich ein vergleichender Blick, der Unterschiede beim sozialen Hintergrund aufzeigt: Deutlich weniger Mittelschullehramtsstudierende haben zumindest einen Elternteil, der selbst studiert hat (21% vs. 30% bei Uni-Lehramtsstudierenden). Gleichzeitig haben Studierende im PH-Mittelschullehramt doppelt so oft Eltern mit Pflichtschulabschluss als Uni-Lehramtsstudierende (6% vs. 3%). Mittelschullehramtsstudierende sind häufiger im ländlichen Milieu aufgewachsen und kommen deutlich öfter über den zweiten Bildungsweg (z.B. Berufsreifeprüfung) an die Hochschule. Sie haben seltener eine AHS-Matura absolviert, sind durchschnittlich um ein Jahr älter und haben häufiger finanzielle Schwierigkeiten als Uni-Lehramtsstudierende. Auffallend ist auch, dass Mittelschullehramtsstudierende an PHs als Studienmotive häufiger „Berufliche Weiterbildung“ und „Berufliche Umorientierung“ angeben als Uni-Lehramtsstudierende. Die Daten zeigen deutlich, dass die soziale Durchmischung im PH-Mittelschullehramt höher ist als im Uni-Lehramt.

Höchste soziale Durchmischung: PH-Lehrämter für BMHS und Berufsschule

Noch größere Unterschiede werden zwischen dem Uni-Lehramt und dem PH-Lehramt für Berufsschul- und BMHS-LehrerInnen (Berufsbildende mittlere und höhere Schulen) deutlich. Unter BMHS/Berufsschul-Lehramtsstudierenden haben nur 12% einen Elternteil mit Hochschulabschluss (vs. 30% im Uni-Lehramt) und 16% haben Eltern mit Pflichtschulabschluss (vs. 3% im Uni-Lehramt). Zukünftige BMHS- und BerufsschullehrerInnen sind außerdem durchschnittlich knapp 10 Jahre älter als Uni-Lehramtsstudierende und kommen häufiger über den zweiten Bildungsweg an die Hochschule (30% im Gegensatz zu 5% im Uni-Lehramt). Diese Trends zeigen sehr deutlich, dass insbesondere dieses PH-Studium eine wichtige (Weiter-)Bildungschance für Personen darstellt, die ansonsten nicht an eine Hochschule gekommen wären.

Wie können diese Unterschiede erklärt werden?

Es zeigt sich, dass eine soziale Durchmischung an Pädagogischen Hochschulen in höherem Maß gegeben ist als im Lehramt an Universitäten. Warum mehr junge Menschen ohne höheren Bildungshintergrund an PHs studieren, hat wohl mehrere Gründe – beispielsweise wird an PHs eine spezifische Berufsausbildung mit Praxisbezug angeboten, PHs haben ihren Standort zum Teil auch in ländlicheren Regionen und die Studiendauer ist bzw. war bisher kürzer als an Unis. Auch das Angebot des berufsbegleitenden Studierens macht PHs zugänglicher für Menschen, die sonst an keiner Hochschule studieren könnten. Außerdem spielt die nach wie vor unterschiedliche gesellschaftliche Bewertung verschiedener PädagogInnen-Berufe und die Abhängigkeit der Studien- bzw. Ausbildungswahl vom familiären Hintergrund wohl eine zentrale Rolle für die angesprochenen Unterschiede zwischen den Studierenden.

 PadagogInnenbildung NEU: Gefahr oder Chance?

Aktuelle bildungspolitische Entwicklungen lassen hoffen, dass es bei der sozialen Selektion zwischen Uni und PH zu Veränderungen kommt. So sieht das neue LehrerInnendienstrecht eine Annäherung der Gehälter zwischen den verschiedenen pädagogischen Berufen vor. Dies könnte auch zu einer notwendigen Neubewertung ebendieser Berufe führen.

Eine weitere relevante Entwicklung ist die PädagogInnenbildung NEU, die an manchen Hochschulstandorten schon angelaufen ist und ab Herbst 2016 flächendeckend eingeführt sein soll. Aufgrund dieser Änderung werden LehrerInnen der Sekundarstufe künftig gemeinsam ausgebildet, d.h. es kommt zu einer Zusammenführung des Uni-Lehramts und des PH-Mittelschullehramts. Hier muss bei der Umsetzung besonders darauf geachtet werden, dass sowohl die Stärken der Unis (z.B. breite wissenschaftliche Ausbildung) als auch die der PHs (z.B. soziale Durchmischung) übernommen werden. Eine besondere Stärke der PHs ist, dass ein PH-Studium häufig als Möglichkeit der beruflichen Weiterbildung oder Umorientierung wahrgenommen wird – was u.a. Personen ohne höheren Bildungshintergrund anspricht. Für die Beibehaltung der höheren sozialen Durchmischung an PHs spielen folgende Punkte eine zentrale Rolle: Der Praxisbezug, berufsbegleitende Studienangebote und die Standortfrage. Wird auf diese Faktoren zu wenig Rücksicht genommen, dann besteht die Gefahr, dass die soziale Zugänglichkeit für das Lehramtsstudium für die Sekundarstufe eingeschränkt, d.h. sozial exklusiver wird. Bei einer durchdachten Umsetzung bietet die PädagogInnenbildung NEU jedoch die Chance, die höhere soziale Durchmischung an PHs auf alle Lehramtsstudien der Sekundarstufe auszudehnen und diese damit sozial zugänglicher zu gestalten.

Ein weiteres Ziel, dem sich die neue PädagogInnenbildung verschreiben sollte, ist die Steigerung des Anteils von Lehramtsstudierenden mit Migrationshintergrund. Um dies zu erreichen, müssen junge Menschen mit Migrationsgeschichten aktiv angesprochen und für pädagogische Berufe begeistert werden.

Es bleibt zu beobachten, wie sich die Neuorganisation der Ausbildung auf die soziale Zusammensetzung der Studierenden auswirkt – und ob das Ziel der besseren sozialen Durchmischung erreicht werden kann.

Anmerkungen:
Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich alle Zahlen ausschließlich auf BildungsinländerInnen, also auf Studierende, die ihre Studienberechtigung in Österreich erworben haben. Doktoratsstudierende sind nicht inbegriffen.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen eines AK-Forschungspraktikums (Oktober-Dezember 2015).

Links:

Studierendensozialerhebung 2011
Studierendensozialerhebung 2015 (Veröffentlichung voraussichtlich Frühjahr 2016)