Gemessen an der Entwicklung der Studiengänge und Studienplätze ist der österreichische Fachhochschulsektor als Erfolgsgeschichte zu werten. Jeder vierte Hochschulabschluss wird mittlerweile an einer Fachhochschule erworben. Geschaffen wurde der Fachhochschulsektor vor mehr als 20 Jahren, um eine praxisorientierte wissenschaftliche Ausbildung zu gewährleisten und die soziale Durchlässigkeit zu erhöhen.
Kindern aus bildungsfernen Haushalten sollte die Barriere zum Hochschulsektor genommen werden. Eine Evaluierung anhand der Studierendensozialerhebung und Daten eines wirtschaftswissenschaftlichen Studiengangs der FH des BFI Wien zeigt einen partiellen Erfolg bei deutlichen Strukturschwächen des Sektors. Soll soziale Durchlässigkeit als bildungspolitisches Ziel den Fachhochschulsektor nachhaltig prägen, sind strukturelle und budgetäre Veränderungen notwendig.
Vererbte Bildung oder soziale Durchlässigkeit?
Die Studierendensozialerhebungen des IHS und die Studie zu den Zugangsbeschränkungen am österreichischen Hochschulsystem der AK Wien zeichnen ein eindeutiges Bild der sozialen Herkunft von Studierenden. Stammt man aus einem AkademikerInnenhaushalt, ist in Österreich die Wahrscheinlichkeit, ein Hochschulstudium zu beginnen, im Durchschnitt dreimal so hoch (2010) als bei einer geringeren Schulbildung der Eltern. Diese Rekrutierungsquote hat sich im Zeitablauf reduziert; im Jahr 1999 war die Wahrscheinlichkeit noch viermal höher, wobei Fachhochschulen zu jedem Zeitpunkt einen geringeren Faktor aufwiesen als Universitäten.
Ein Blick auf die historische Entwicklung des FH-Sektors gibt Aufschluss über die Umsetzung seines bildungspolitischen Auftrags: Um vererbter Bildung und damit potenziell steigender sozialer Dispersion entgegenzuwirken, wurde Mitte der 1990er-Jahre der FH-Sektor geschaffen. Der Zugang bildungsferner Schichten zu den österreichischen Hochschulen sollte explizit durch die Schaffung von berufsbegleitenden Studiengängen und der Förderung eines Hochschulzugangs mit facheinschlägiger Berufsausbildung ohne klassische Matura erhöht werden. Unter berufsbegleitenden Studiengängen, heute vielfach berufsermöglichend genannt, ist dabei die Festlegung von Präsenzzeiten im Hochschulstudium außerhalb der klassischen Bürozeiten zu verstehen, das heißt an Abenden und an Wochenenden oder in einer stark geblockten Präsenzstruktur. Der Hochschulzugang mit facheinschlägiger Berufsausbildung ohne klassische Matura bezieht sich auf die Möglichkeit von Studienberechtigungsprüfungen etwa für wirtschaftswissenschaftliche Studien nach dem Abschluss einer kaufmännischen Lehre.
Auf diese Weise sollte der Studienerfolg nicht mehr vom familiären sozial-ökonomischen Hintergrund abhängig gemacht werden und gleichzeitig ein Hochschulstudium als zweiter Bildungsweg ermöglicht werden. Tatsächlich haben die Fachhochschulen nach der Studierendensozialerhebung aus dem Jahr 1998 mit 32 Prozent einen größeren Anteil der Studierenden mit geringer sozialer Herkunft abgedeckt als Universitäten mit 26 Prozent. Diese Entwicklung hat sich über die Jahre fortgesetzt.
Steigende Zugangsquoten bedeuten nicht steigende soziale Durchlässigkeit
Steigende Zugangsquoten an Universitäten und Fachhochschulen aus bildungsfernen Schichten zeigen eine Bildungsexpansion. 26 Prozent aller Studierenden beginnen ihr Studium verzögert, das heißt nicht unmittelbar nach dem Abschluss einer klassischen Matura.
Auf eine Chancengleichheit zum Erwerb eines Hochschulabschlusses lässt dies jedoch nicht schließen. Zum einen ist weiterhin ein Maß an vererbter Bildung gegeben, zum anderen ist die Betrachtung des Studienverlaufs wesentlich; und damit die Wahrscheinlichkeit des Studienabschlusses (Erfolgsquote). In der bildungspolitischen Diskussion wurde auch beim FH-Sektor das Hauptaugenmerk auf die Chancengleichheit beim Hochschulzugang gelegt. Durch die gesetzlich (FHStG) vorgeschriebene aliquote Reduktion zu den Bachelorstudien, das heißt durch die Aufnahme der besten BewerberInnen aus dem Aufnahmeverfahren je nach ihrer Vorbildung (AHS, BHS, Gruppe ohne klassische Matura), soll die soziale Durchlässigkeit gefördert werden.
Trotz höherer Erfolgsquoten geringe Effektivität von Maßnahmen der sozialen Durchlässigkeit im Studienverlauf
Im Studienverlauf sind indirekte Maßnahmen zur Förderung der Durchlässigkeit am FH-Sektor verankert. Möglichkeiten einer Studienunterbrechung (§ 14 FHStG) und der Wiederholung eines Studienjahres (§18 [4] FHStG) können als studienverlängernde Maßnahmen gewertet werden, die die Chancengleichheit auf einen Studienabschluss erhöhen und gleichzeitig einen stark strukturierten Studienverlauf vorgeben.
Zwar zeigt die Studierendensozialerhebung (Band 2) des IHS deutlich geringere Erfolgsquoten bei Studierenden mit verzögertem Studienbeginn an Universitäten als an FHs, der Beitrag, den die Maßnahmen Studienunterbrechung und Wiederholung eines Studienjahres am FH-Sektor dabei leisten, wird jedoch nicht erhoben.
Der Blick auf die Entwicklung des Fachhochschulstudiengangs (Europäische Wirtschaft und Unternehmensführung – EWUF) soll als Fallbeispiel Einblick in die Effektivität der Maßnahmen der Studienverlängerung geben. Die Erwartung, dass die Erfolgsquoten durch die Nutzung der studienverlängernden Maßnahmen steigen, zeigt sich nicht. Die Anzahl der AbsolventInnen, die durch die Nutzung der studienverlängernden Maßnahmen den Studienabschluss verzögert erlangen, steigt nur moderat an. Gleichzeitig erhöht sich der Anteil der AbbrecherInnen nach einer Verzögerung des Studiums vor allem in der berufsbegleitenden Organisationsform gemessen an den gesamten AbbrecherInnen stetig. Maßnahmen der Studienverlängerung, die als indirekte Maßnahme zur sozialen Durchlässigkeit gewertet werden, zeigen damit keinen positiven Effekt.