Wirtschaftliches Wachstum und wachsender Wohlstand galten lange Zeit als zwei Seiten einer Medaille. Insofern erschien auch das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) lange Zeit als geeigneter Wohlstandsindikator – je stärker das Wachstum des BIP desto günstiger die Bedingungen für die Erhöhung des Wohlstands.
Im Zusammenhang mit den Berichten an den Club of Rome hatte aber bereits seit Anfang der 1970er Jahre eine zunehmend kritische Debatte über die Folgen wirtschaftlichen Wachstums eingesetzt. Seit einiger Zeit findet diese Debatte auch vermehrt in der Öffentlichkeit und im politischen Raum statt. Inzwischen ist es fast schon ein Allgemeinplatz, dass das BIP Wohlstand nur sehr unzureichend widerspiegelt, vor allem wenn es um die Beurteilung der Situation in fortgeschrittenen Industriegesellschaften geht. Bereits als Indikator der Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft ist das BIP nur sehr begrenzt geeignet. Hier genügt bereits der Hinweis darauf, dass grundsätzlich nur die über den Markt realisierten preisbewerteten Güter und Dienstleistungen erfasst werden. Große Teile der gesellschaftlichen Arbeit (Familienarbeit, ehrenamtliche Arbeiten etc.) bleiben damit im BIP unberücksichtigt.
Mehr und mehr wird auch deutlich, dass „Wohlstand“ und seine Bestimmung wesentlichen Veränderungen in der Zeit unterliegen. Hier spielen das erreichte wirtschaftliche und wissenschaftlich-technische Entwicklungsniveau, die Entwicklung der Bedürfnisse sowie die Art und Weise und das erreichte Niveau ihrer Befriedigung ebenso wie die vorherrschenden ökonomischen und politischen Machtverhältnisse und die Entwicklung der Umweltprobleme eine zentrale Rolle. Der englische Ökonom John Maynard Keynes hatte bereits 1930 prognostiziert, dass die Menschen viel eher als wir denken, „ihre Kräfte nicht-wirtschaftlichen Zwecken widmen“ werden.
Die zwei Gesichter des Wachstums
Offensichtlich sind im Zuge des wirtschaftlichen Wachstumsprozesses zwei gegenläufige Entwicklungen zu beobachten: Zum einen wachsen mit der Steigerung der Wirtschaftsleistung die Möglichkeiten, mehr Waren und Dienstleistungen zu nutzen. Je niedriger das Einkommens- und Produktivitätsniveau ist, desto höher ist bei einer Steigerung des BIP tendenziell der Wohlstandsgewinn. Mit zunehmender Befriedigung grundlegender Bedürfnisse sinkt allerdings der Nutzen zusätzlicher Waren und Dienstleistungen, damit auch die Bedeutung weiteren quantitativen Wachstums. Gleichzeitig nehmen die negativen Begleiterscheinungen des Wachstums zu, die sich in schlechterer Umweltqualität, sinkender Artenvielfalt, steigender Ressourcenknappheit aber auch wachsendem Arbeits- und Leistungsdruck und ausufernden Arbeitszeiten zeigen.
Damit lassen sich im Wesentlichen drei Wachstumsdilemmata erkennen:
Das Umweltdilemma
Einerseits gilt anhaltendes Wachstum als notwendig zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung. Sowohl Gewinne wie auch Arbeitseinkommen können steigen, ohne dass grundlegende Verteilungskonflikte entstehen.
Andererseits ist anhaltendes Wachstum auf einem begrenzten Planeten nicht möglich. Insbesondere ein Wachstumsverlauf mit konstanten Wachstumsraten würde Entkopplungsprozesse zwischen dem BIP einerseits und Ressourcenverbrauch und Umweltbelastung andererseits erfordern, die nicht vorstellbar sind. Denn bei konstanten Wachstumsraten – also zum Beispiel jedes Jahr plus drei Prozent – ist außer der Rate nichts konstant. Jahr für Jahr müsste ein höherer Zuwachs hinzukommen, da die drei Prozent jeweils von einem höheren Ausgangsniveau erreicht werden müssten. Ein solches sogenanntes exponentielles Wachstum unterliegt einer enormen Dynamik. Bei einem Ausgangswert von einer Billion Euro läge der Zuwachs im ersten Jahr bei 30 Mrd. Euro, im 20. Jahr bei 50 Mrd. Euro, im 50. Jahr bereits bei 130 Mrd. Euro und im 100. Jahr bei über 550 Mrd. Euro.