Vor Kurzem hat Statistik Austria die neuen Daten zum Mindestsicherungsbezug 2018 vorgestellt. Sie zeigen erstmals seit der Einführung der Mindestsicherung im Jahr 2010 einen Rückgang der Bezugszahlen, und zwar einen deutlichen. Im Jahresdurchschnitt waren rund 225.000 Personen auf eine Leistung aus dem letzten sozialen Netz angewiesen. Etwa 18.200 Personen oder sechs Prozent weniger als 2017. Ein Zeichen dafür, dass der Wirtschaftsaufschwung der letzten Jahre auch bei jenen angekommen ist, die sich schwertun, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Wohl aber auch dafür, dass die in den letzten Jahren verabschiedeten Verschärfungen dazu geführt haben, dass es schwieriger geworden ist, eine Leistung (ohne Kürzung) in Anspruch zu nehmen.
Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt
Welche Bedeutung hat die positive Arbeitsmarktentwicklung? Die wirtschaftliche Erholung, die im Jahr 2016 begonnen hatte, führte 2017 und 2018 zu den höchsten Anstiegen der unselbstständigen Beschäftigung (1,9 Prozent und 2,4 Prozent) im aktuellen Jahrzehnt. Das gilt für alle Bundesländer mit Ausnahme von Tirol (Quelle: Bali-Datenbank). Berücksichtigt man, dass die Zahl der BezieherInnen der Mindestsicherung bereits seit Herbst 2017 rückläufig ist, liegt der Schluss nahe, dass eine Zunahme von Beschäftigungsmöglichkeiten zu einem Rückgang beim Mindestsicherungsbezug führt oder zumindest einen wichtigen Beitrag dazu leistet und so zu einem selbstbestimmteren Leben beiträgt. Naheliegend ist auch, dass die aktuelle Abschwächung der Konjunktur die derzeitige Entwicklung sinkender Zahlen an MindestsicherungsbezieherInnen leicht wieder rückgängig machen kann.
Verschärfungen in den Landesgesetzen
Welche Rolle spielen die seit 2016 vorgenommenen Verschärfungen für von Armut betroffene Menschen auf Bundesländerebene? Vor allem – aber nicht nur – jene in Ober- und Niederösterreich? Wie wirkt sich die Obergrenze des Bezugs in Oberösterreich aus? Welche Auswirkungen hat die Verpflichtung zur gemeinnützigen Arbeit in Niederösterreich, die Druck auf regulär Beschäftigte ausübt, indem sie den Konkurrenzdruck im Niedriglohnbereich erhöht? Oder die Kürzung der Geldleistung für Menschen in Wohngemeinschaften?
Ein Blick auf die Auswertung zur niederösterreichischen Mindestsicherung zeigt, dass die Zahl der BezieherInnen um 11 Prozent gesunken ist, jedoch so gut wie gar kein Rückgang der Ausgaben stattgefunden hat (–0,3 Prozent). Das bedeutet, dass für die in der Mindestsicherung verbliebenen Personen mehr Geld pro Kopf ausgegeben wurde als zuvor.
Anders sieht es in Oberösterreich aus. 2018 gab es im Schnitt über 7 Prozent weniger BezieherInnen und gleichzeitig 11 Prozent niedrigere Ausgaben als 2017. Hier wurden also geringere Mittel für einen kleineren Personenkreis aufgewendet. Der Rückgang der BezieherInnen liegt in beiden Bundesländern über dem Schnitt, der Rückgang der Ausgaben nur in Oberösterreich.
Sowohl in Nieder- als auch in Oberösterreich ist die Anzahl der Beschäftigten nicht so stark gestiegen wie im österreichischen Durchschnitt. Trotz dieser vergleichsweise schwachen Beschäftigungsentwicklung ist die Anzahl der BezieherInnen stärker zurückgegangen als in fast allen anderen Bundesländern. Dass die Zahl der Personen, die eine Unterstützungsleistung des letzten sozialen Netzes erhielten, in den beiden Bundesländern so stark zurückgegangen ist, kann daher wohl nicht in erster Linie auf die Beschäftigungsentwicklung zurückgeführt werden. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass die beschriebenen Gesetzesänderungen hauptsächlich für diesen Rückgang verantwortlich sind.
Mehr Härte gegenüber Kindern, SeniorInnen und Menschen, die nicht (mehr) arbeiten?
Was dabei oft übersehen wird: Menschen aus dem Mindestsicherungs- bzw. Sozialhilfebezug zu drängen, weil man ihnen mangelnde Leistungsbereitschaft unterstellt, geht an der sozialen Realität vorbei. Annähernd sechs von zehn Menschen in der Mindestsicherung kommen für Erwerbsarbeit nicht infrage. Sie sind entweder zu jung, zu alt, noch in Ausbildung, nicht (mehr) arbeitsfähig, betreuen Kinder oder pflegen Angehörige. Auf diese Menschen den Druck zu erhöhen, zeugt von mangelnder Sachkenntnis oder wahltaktischem Kalkül. Das Ziel, mehr MindestsicherungsbezieherInnen in Beschäftigung zu bringen, ist bei dieser Gruppe nicht möglich.