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Zusätzlich ermöglicht das Gesetz Beschränkungen in stark nachgefragten Fächern an einzelnen Hochschulstandorten per Verordnung durch das Ministerium. Diese liegt zwar noch nicht vor, im Sommer 2017 wurde jedoch bereits ein Vorentwurf solch einer Verordnung veröffentlicht, der eine Reduktion um rund weitere 4.000 Plätze vermuten lässt. Betroffen sind vor allem einige Fächer an der Universität Wien mit deutlichen Kürzungen der Plätze, etwa in Chemie, Politikwissenschaft oder Soziologie.
Bei den neu beschränkten Fächern ist grob geschätzt also mit einer Reduktion von zumindest 14.000 StudienanfängerInnen-Plätzen zu rechnen, im Vergleich zu den letzten Jahren entspricht dies mehr als einem Fünftel der Plätze. Der Studienstandort Wien wird mit rund zwei Drittel dieser Reduktion besonders betroffen sein. Hinzu kommt die Möglichkeit, die österreichweit anzubietenden Plätze nochmals um bis zu 20% erhöhen, aber auch verringern zu können, wenn einzelne Universitäten nachweisen, dass sie die vorgeschriebenen Plätze beispielsweise aufgrund von physischem Platzmangel nicht anbieten können. Das bedeutet: Die ohnehin schon sehr deutliche Reduktion der Plätze kann – ohne Gesetzesbeschluss – noch um bis zu 20% erweitert werden.
Verdrängungseffekte und unerwünschte Nebenwirkungen nicht thematisiert
Die drastische Reduktion um ein Fünftel der Plätze rückt die Frage in den Fokus, was diejenigen tun werden, die keinen Studienplatz in ihrem Wunschstudium bekommen oder von Aufnahmeverfahren abgeschreckt werden. Eine genaue Prognose ist hier nur schwer möglich, zu vermuten sind jedenfalls deutliche Verschiebungen hin zu anderen Studienrichtungen, einhergehend mit einer Verschlechterung der dortigen Betreuungsverhältnisse. Diese Tendenz war schon bei der Beschränkung anderer Fächer zu beobachten – z.B. Biologie als Ausweichstudium bei nicht bestandener Medizin-Prüfung. Die Folge werden wohl auch in Zukunft Verschiebungen schlechter Betreuungsverhältnisse hin zu neuen Studien sein sowie weitere „Warteschleifen“ für Studierende – denn Ausweichstudien werden häufig nur zwischenzeitlich belegt, bis die Aufnahmeprüfung für das Wunschstudium erneut versucht werden kann. Unerwünschte Folgewirkungen wie diese liegen zwar auf der Hand, wurden jedoch bisher nicht thematisiert.
Zusätzlich ist damit zu rechnen, dass besonders rund um das prestigeträchtige Jus-Studium private Vorbereitungskurse boomen werden, wie dies ebenfalls schon beim Medizin-Studium zu beobachten ist. Wer sich kostspielige Vorbereitungskurse nicht leisten kann, wird erheblich niedrigere Chancen auf einen der begehrten Plätze haben.
Negative Auswirkungen auf Arbeitsmarkt und Jugendarbeitslosigkeit?
Aufgrund der massiven Reduktion von rund einem Fünftel der StudienanfängerInnen-Plätze muss auch die Frage nach Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt gestellt werden. Wer keinen Studienplatz im gewünschten Bereich mehr bekommt, wird vermutlich versuchen, nach der Matura direkt am Arbeitsmarkt unterzukommen, oder sich auch auf die Suche nach einem alternativen Ausbildungsplatz (z.B. Lehre oder Kolleg) machen. Sollte beides nicht gelingen, ist zu befürchten, dass sich die Arbeitslosenquote unter denjenigen mit Matura erhöht.
Entscheiden sich AHS- und BHS-MaturantInnen direkt für den Arbeitsmarkt, ist zu befürchten, dass sich gegenwärtige, in einer aktuellen IHS-Studie identifizierten Trends der Überqualifizierung (aktuell sind 54% der AHS-AbsolventInnen in ihren Jobs formal überqualifiziert), der Verdrängung nach unten und des Wettbewerbs um Lehrstellen weiter verstärken werden. Besonders in Wien ist mit einem erhöhten Druck auf den Arbeitsmarkt zu rechnen, da ein Großteil der Reduktionen auf Wiener Standorte entfällt.
Betroffen: Junge Menschen aus sozial schwächeren Familien, aus Wien und Frauen
Studien zeigen immer wieder, dass Zugangsbeschränkungen zu einer schlechteren sozialen Durchmischung führen können. Es kann vermutet werden, dass es auch in den neuen betroffenen Fächern wie z.B. Jus zu einer stärkeren Selektion anhand sozialer Merkmale kommen wird. In den neuen Fächern wird es sich wohl um sehr kompetitive Aufnahmeverfahren handeln – immerhin werden nur mehr rund die Hälfte der Plätze zu haben sein. Der Druck auf junge Menschen und deren Eltern wird sich damit in Zukunft deutlich verstärken.
Besonders betroffen werden junge Menschen und Studieninteressierte in Wien sein. Zusätzlich zeigt sich, dass die Fächer, in denen es neue Zugangsbeschränkungen geben soll, zu einem sehr hohen Anteil von Frauen gewählt werden (67% der angefangenen Studien). Viele Frauen werden demnach in Zukunft häufiger nicht mehr ihr Wunschstudium beginnen können.
Maßnahmen für verbesserte Studienbedingungen und soziale Durchmischung fehlen
Bei der Präsentation des Gesetzes wurde betont, die Anzahl der Studierenden und AbsolventInnen würde insgesamt nicht sinken, lediglich der Anteil der prüfungsaktiven Studierenden steigen. Allerdings fehlen konkrete Hinweise darauf, wie dies bewerkstelligt werden soll und wie sichergestellt wird, dass die Anzahl der AbsolventInnen nicht zurückgehen wird. Denn die einzige eindeutige Maßnahme, die durch das Gesetz festgelegt wird, ist die Reduktion der AnfängerInnen-Plätze. Dies ist jedoch noch kein Garant dafür, dass die Studiensituation in den jeweiligen Fächern verbessert wird, von Auswirkungen auf andere Fächer, die potenziell zu neuen „Ausweichstudien“ werden, ganz zu schweigen. Konkrete Maßnahmen, etwa zur Stärkung der Bildungs- und Berufsorientierung, Veränderungen in der Studieneingangsphase oder zur Vereinbarkeit von Beruf und Studium, fehlen gänzlich. Auch kann die Befürchtung nicht entkräftet werden, dass Studienchancen von unterrepräsentierten Gruppen durch die neuen Beschränkungen geschmälert werden. Zwar sieht das Gesetz zur neuen Finanzierung eine Regelung vor, dass seitens des Wissenschaftsministeriums ein Betrag von bis zu 0,5% des Globalbudgets für Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Durchmischung einbehalten werden kann. Diese Änderung ist ausdrücklich positiv zu bewerten, jedoch als Anreiz für größere Aktivitäten in diesem Feld zu wenig – vor allem, da es sich lediglich um eine optionale Bestimmung handelt. Es wird damit in erster Linie im Ermessen der Universitäten liegen, ob es tatsächlich spürbare Verbesserungen für berufstätige Studierende oder „first academics“ gibt.
Auch ein Ausbau des Fachhochschulsektors in einem Ausmaß, der die Auswirkungen der Beschränkungen im Uni-Bereich etwas kompensieren könnte, wird nicht in Aussicht gestellt.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der vorliegende Gesetzesvorschlag weitreichende Konsequenzen haben wird – für die Universitäten selbst, aber auch in arbeitsmarktpolitischer Hinsicht. Es ist zu befürchten, dass die Chancen auf höhere Bildung für viele junge Menschen geschmälert werden. Hier muss gegengelenkt und sichergestellt werden, dass die Zahl der Personen, die ein Hochschulstudium absolvieren können, nicht gesenkt, sondern im Gegenteil gesteigert wird. Darüber hinaus müssen Studierende aus sozial schwächeren Familien und erwerbstätige Studierende stärker gefördert werden. Denn diese brauchen mehr Perspektiven anstatt weitere Beschränkungen.