Bei drohenden Umstrukturierungen – etwa Ausgliederungen, Fusionen, Betriebsreduktionen oder -verlagerungen, Rationalisierungen, Outsourcing, etc. – sind die Mitbestimmungsmöglichkeiten der betroffenen ArbeitnehmerInnen und ihrer Betriebsräte relativ schwach ausgeprägt. Die “Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten“ ist im Arbeitsverfassungsgesetz auf einige wenige Paragrafen beschränkt:
- Informations- und Beratungsrechte sowie Stellungnahmemöglichkeiten bei Betriebsübergängen und Betriebsänderungen bis hin zur allfälligen Durchsetzung eines Sozialplans (§ 108, § 109);
- Aufsichtsratsmitbestimmung (§ 110);
- Einspruch gegen die Wirtschaftsführung in Form einer „Branchen-Schlichtung“ (§ 111) bzw Einspruch bei der Staatlichen Wirtschaftskommission (§ 112).
Eine wirkliche Parität der Mitbestimmung, also eine gleichberechtigte Teilnahme am Entscheidungsprozess in wirtschaftlichen Angelegenheiten, fehlt jedoch. Das wird von der „herrschenden Lehre“ zumeist mit Grundrechtsschranken zum Schutz der Eigentümer und Unternehmer (v.a. Eigentumsfreiheit und Erwerbsfreiheit) argumentiert.
Die Politik der EU: Information ja, echte Mitbestimmung (Mitgestaltung) nein!
Mehrere einschlägige Richtlinien der EU enthalten v.a. in ihren Präambeln Absichtserklärungen und „Erwägungsgründe“. Diese offenbaren recht unverblümt den Geist dieser primären Wirtschaftsunion, deren notwendiger Antagonist „Sozialunion“ noch in den Kinderschuhen steckt. Da heißt es zum Beispiel:
„Im Rahmen des Funktionieren des Binnenmarktes findet ein Prozess der Unternehmenszusammenschlüsse, grenzübergreifenden Fusionen, Übernahmen und möglichen Joint Ventures und damit einhergehend eine länderübergreifende Strukturierung von Unternehmen und Unternehmensgruppen statt. … Nur ein Dialog auf der Ebene der Festlegung der Leitlinien und eine wirksame Beteiligung der Arbeitnehmervertreter können es ermöglichen, den Wandel zu antizipieren und zu bewältigen. … Die Stärkung des Dialogs und die Schaffung eines Klimas des Vertrauens sind notwendig, um … bei gleichzeitiger Absicherung der AN die Arbeitsorganisation flexibler zu gestalten […] Durch seine Unterrichtung und Anhörung [sollte der Europäische BR] die Möglichkeit haben, dem Unternehmen rechtzeitig eine Stellungnahme vorzulegen, wobei dessen Anpassungsfähigkeit nicht beeinträchtigt werden darf“(!).
In vielen Entscheidungsgremien der EU, aber auch in ihren Legislativorganen – Parlament und Rat – dient Mitbestimmung scheinbar nur als bloßes Feigenblatt vor einer ungehinderten „Entfesselung“ der Wirtschaft.
Umstrukturierungen: Mergers & Acquisitions &Co
Wie häufig sind ArbeitnehmerInnen und ihre betrieblichen Interessenvertretungsorgane von Umstrukturierungen betroffen? Darüber geben verschiedene Statistiken und Erhebungen recht unterschiedliche Auskünfte. Fakt ist, dass Umstrukturierungen und „Redimensionierungen“ von Unternehmen und Konzernen in den letzten 20 Jahren quantitativ zugenommen haben, sich der Wechsel aber vor allem auch beschleunigt hat: Phasen stabiler Eigentümerstrukturen werden zunehmend kürzer. Eine Grafik der Unternehmensberater und Analysten der “Boston Consulting Group“ zeigt zwar, dass sich die Kurve nach dem Platzen der Dotcom Bubble 2000/2001 und mit Beginn der Wirtschaftskrise 2008 etwas verflacht oder gar eingedellt hat; sie bleibt aber auf hohem Niveau.