Lässt sich soziale Unternehmensverantwortung messen? Ja. Und zwar mit den richtigen Indikatoren. Ab jetzt hat der Gesetzgeber ein Jahr Zeit, eine neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung in österreichisches Recht zu übersetzen. Das gesellschaftliche und soziale Engagement der Unternehmen soll transparent, konsistent und vergleichbar publiziert werden. Mit einer gelungenen Umsetzung könnten österreichische Unternehmen künftig zu einer „Sozialbilanz“ verpflichtet werden, die eine Offenlegung zu Schlüsselindikatoren der Arbeitsbedingungen verlangt.
Derzeit hält ein Nachhaltigkeitsbericht wenig von dem, was er verspricht: Auf die relevanten Daten und Fakten wird gerne verzichtet, lieber investieren Unternehmen in Selbstvermarktung auf Hochglanz. „Gesellschaft. Wir packen an! Diversität. Wir sind bunt! Beschäftigung. Wir schaffen Gleichberechtigung!“, heißt es beispielsweise im Nachhaltigkeitsbericht der Bank Austria. Doch in der praktischen Unternehmenssteuerung werden nichtfinanzielle Indikatoren konsequent vernachlässigt, wie ein Blick auf die Anreizsysteme der Vorstandsvergütungen zeigt. Die auf Freiwilligkeit basierende Berichterstattung über die ökologische, gesellschaftliche und soziale Unternehmensverantwortung spielt am Kapitalmarkt nach wie vor eine untergeordnete Rolle. Weniger als 10% der größten Unternehmen in der EU publizieren regelmäßig nichtfinanzielle Informationen und das in teils fragwürdiger Qualität.
EU: Abkehr vom Prinzip der Freiwilligkeit
Was diese Form der Nachhaltigkeitsberichterstattung betrifft, erklärt selbst die EU das hehre Prinzip der Freiwilligkeit als gescheitert. Im Herbst 2014 wurde daher eine entsprechende Richtlinie (RL 2014/95/EU) erlassen, die für rund 6.000 große Unternehmen und Konzerne in der EU eine höhere Verbindlichkeit zu Nachhaltigkeitsangaben vorsieht, unter anderem zu ArbeitnehmerInnenbelangen. Dabei können sich Unternehmen flexibel auf nationale, unionsbasierte oder internationale Rahmenwerke stützen wie UN Global Compact, ISO 26000 oder Global Reporting Initiative (GRI). GRI gilt mittlerweile als der etablierteste Ansatz der Nachhaltigkeitsberichterstattung: Im November 2015 kommt GRI weltweit laut Sustainability Disclosure Database bei 8.533 Organisationen zur Anwendung.
Nachhaltigkeitsberichterstattung in Österreich: Luft nach oben
Bis zum 6. Dezember 2016 haben die Mitgliedstaaten Zeit, diese Richtlinie so umzusetzen, dass die entsprechenden Regelungen mit dem Geschäftsjahr 2017 in Kraft treten können. Die Herausforderungen bei der Umsetzung in österreichisches Recht sind insbesondere
den Geltungsbereich zu definieren,
einen verbindlichen Berichtsstandard vorzusehen und
eine verpflichtende Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung durch Dritte einzuführen.
Der Aufholbedarf ist jedenfalls groß, liegt Österreich in der Nachhaltigkeitsberichterstattung doch im hinteren Feld: Einer Untersuchung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young aus dem Jahr 2014 zufolge, legt nur jedes vierte der Top-Unternehmen sowie der größten Banken und Versicherungen einen Nachhaltigkeitsbericht vor. Demgegenüber informieren in den EU-Ländern Frankreich oder Dänemark die umsatzstärksten Unternehmen fast lückenlos.