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Aktiv werden mithilfe von Gleichbehandlungsanwaltschaft und Arbeiterkammer
Die InterviewpartnerInnen hatten oft anfänglich probiert, die Verletzungen ihrer Rechte und andere Schikanen hinzunehmen und ihr Arbeits- und Betreuungsleben irgendwie in den Griff zu bekommen. Aber ab einem gewissen Zeitpunkt war es genug: Sie holten sich von der Gleichbehandlungsanwaltschaft und der Arbeiterkammer Rückendeckung, um sich zur Wehr zu setzen. Sieben Personen gingen vor Gericht, elfmal wurde eine außergerichtliche Einigung erzielt.
Auch wenn in den meisten Fällen die diskriminierten Elternteile recht bekamen, blieb der schale Beigeschmack, dass dies überhaupt nötig war: Nach oft jahrelanger engagierter Arbeit fielen die Eltern bei ihren ArbeitgeberInnen allein wegen der Inanspruchnahme von Elternrechten „in Ungnade“. Nervenaufreibende, gesundheitsbeeinträchtigende Zeiten – und das in einer ohnehin fordernden Elternphase –, erzwungener Arbeitsplatzwechsel, oft jahrelange Verfahren mit relativ niedrigen Entschädigungen wurden durch gewonnene Prozesse oder gütliche Einigungen nicht unbedingt aufgewogen.
Viele Betroffene stellten sich die Frage, wie es sein kann, dass sie der Willkür der Unternehmen so ausgeliefert sind und dies nur mit Unterstützung von Gleichbehandlungsanwaltschaft und Arbeiterkammer ein wenig ausgeglichen werden konnte.
Wieso ist Diskriminierung in dieser Form möglich? Einige strukturelle Ursachen hinter den „individuellen“ Fällen
Aus den Interviews ließen sich unterschiedliche strukturelle Ursachen für die scheinbar individuellen Diskriminierungsfälle herausarbeiten, einige davon sind:
An erster Stelle steht die starke Wirkung normativer Vorstellungen von Arbeit als primär „männliche“ Erwerbsarbeit und „weibliche“ Reproduktionsarbeit – beziehungsweise nunmehr die Modifikation des „Male Breadwinner Model“ zu einem „1½ Earner Model“.
Diese auf geschlechtsspezifischen Stereotypen beruhende Vorstellung von Arbeitsteilung kann auf zweierlei Arten Grundlage für Diskriminierung aufgrund von Elternschaft sein: Erstens laufen Frauen Gefahr, von vornherein am Arbeitsplatz diskriminiert zu werden, weil die Vorstellung besteht, dass sie jene sind, die für Kinderbetreuung zuständig sind und somit im Fall von Elternschaft ausfallen bzw. nur eingeschränkt zur Verfügung stehen.
Zweitens führen die stereotypen Geschlechterrollen zur Diskriminierung von Männern, nämlich dann, wenn sie Erwerbsarbeit (vorübergehend) zugunsten von Betreuungsarbeit reduzieren wollen. Dies wird umgehend vom System sanktioniert. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen auch andere Studien, etwa von Maurer & Schmidt 2019.
Erschwerend wirken fehlende professionelle Standards in Unternehmen zum Umgang mit Vereinbarkeitsthemen. Dies führt zu Einzelentscheidungen von Führungskräften, die häufig zulasten von Eltern wirken. Dass die Wahrnehmung von Betreuungspflichten von betrieblicher Seite überhaupt so negativ aufgefasst wird, beruht wiederum auf unterschiedlichen Vorurteilen gegenüber Eltern generell: Elternschaft werden negative Effekte auf Einsatz, Belastbarkeit und Arbeitsleistung im Beruf zugeschrieben. Für Eltern sieht das im Ergebnis so aus: „Findet der/die direkte Vorgesetzte Vereinbarkeit gut, geht’s dir gut; ansonsten nicht.“
In diesem Zusammenhang wurde von einigen InterviewpartnerInnen Kritik an fehlenden Kinderbetreuungsstrukturen (vor dem Corona-Lockdown) geübt. Lücken bei der Kinderbetreuung schwächen aus Sicht der Betroffenen ihre Position im Unternehmen, da Eltern dann auf das Entgegenkommen ihrer ArbeitgeberInnen angewiesen sind, wodurch sie im Betrieb als MitarbeiterInnen mit Sonderwünschen gesehen werden.
Fazit: Eine neue Normalität wäre gut …
Die Frage der gerechten Aufteilung von Elternschaft und Erwerbsarbeit und welche Regelungen es im Betrieb gibt, ist derzeit ungelöst. Letztendlich bleibt viel an einzelnen Elternteilen bzw. der familiären Organisation hängen: wie Eltern die Aufteilung von Erwerbs- und Betreuungsarbeit vereinbaren und was sie mit ihren ArbeitgeberInnen aushandeln. Häufig fehlen rechtliche Regelungen für den „Normalbetrieb“ als Eltern, aber auch für Sondersituationen, wie in der Zeit des Corona-bedingten Lockdowns von Schulen und Kindergärten. Das Thema bleibt stark individualisiert, und Eltern ist es kaum ohne Nachteile möglich, Erwerbs- und Betreuungsarbeit zu vereinbaren.
Statt über nachhaltige, krisensichere Lösungen nachzudenken, wie Vereinbarkeit institutionell unterstützt werden kann, zeichnet sich aktuell ab, dass lediglich die Individualisierung der Vereinbarkeitsfrage weiter auf die Spitze getrieben wird: So wird seitens der Familien- und Arbeitsministerin aktuell vor allem die Intensivierung des mobilen Arbeitens als Vereinbarkeitsstrategie beworben. Damit bleiben jene auf der Strecke, bei denen aufgrund der beruflichen Tätigkeit Homeoffice nicht möglich ist. Außerdem eignet sich Homeoffice weder als Vereinbarkeitsstrategie noch als Gleichstellungsinstrument, wie aktuelle Studien zeigen.
Jedenfalls besteht vielfältiger Handlungsbedarf, um Diskriminierung von Eltern am Arbeitsplatz zu vermeiden und zu einer ausgeglicheneren Aufteilung der Betreuungsarbeit zwischen Müttern und Vätern zu kommen. Eine Grundlage dafür sind flächendeckende, qualitätsvolle Kinderbetreuung, durchgängige Angebote in den Ferien und durchdachte Regelungen im Falle eines erneuten Lockdowns sowie entsprechende gesetzliche Regelungen wie eine für jeden Elternteil reservierte Zeit der Elternkarenz.
Überdies hat die Studie ergeben, dass durch
- eine deutlichere Beweislastumkehr in Diskriminierungsfällen,
- höhere, abschreckende Strafen für Unternehmen, die Eltern diskriminieren,
- ein Öffentlichmachen solcher Unternehmen,
- einen Ausbau von entsprechender Beratung und
- eine Aufstockung der Mittel für Einrichtungen wie die Gleichbehandlungsanwaltschaft
Unternehmen hier stärker in die Pflicht genommen werden könnten und somit dazu beitragen, dass Elternschaft keine nachteiligen Auswirkungen auf Beschäftigte mehr hat.
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