Die Digitalisierung stellt für die Gewerkschaft eine Chance dar – wir müssen sie allerdings nützen. Als Gewerkschaften müssen wir alles daransetzen, die Risiken der neuen Entwicklungen möglichst zu minimieren und die Vorteile wirklich allen zugutekommen zu lassen.
Zunächst bedeutet Digitalisierung einen enormen Innovationsschub und damit eine Dynamisierung der Wirtschaft. Das ist gut, denn wirtschaftlicher Stillstand ist nicht nur für die Unternehmen schlecht, sondern auch für Arbeitsplätze und Staatsfinanzen. Gute Daseinsvorsorge und ein ausgebauter Sozialstaat sind sowohl Basis als auch Folge einer florierenden Wirtschaft. Wir müssen allerdings als Gesellschaft gemeinsam darüber diskutieren, welche Innovationen wir wollen, welche ethischen Implikationen bestimmte Entwicklungen haben (man denke an die künstliche Intelligenz) und ob die Innovationsgewinne wirklich allen zugutekommen. Es ist ganz sicher nicht in unserem Sinn, wenn die Monopolbildung begünstigt wird und sich die großen Internet-Giganten einer fairen Besteuerung entziehen. Dagegen müssen wir massiv ankämpfen.
Wert und Bedeutung von Arbeit
Zweitens werden im Zuge der Digitalisierung der Wert und die Bedeutung von Arbeit neu diskutiert. Es entstehen ganz neue Arbeitsformen, mit dem Risiko, dass sie ohne ausreichende Regulierung das Prekariat verstärken und herkömmliche Arbeitsplätze bedrohen. Gleichzeitig eröffnet die Digitalisierung bisher nicht gekannte Autonomiespielräume – wir können überall und jederzeit arbeiten. Wir werden in den kommenden Jahren auf österreichischer und europäischer Ebene daran arbeiten müssen, dass all diese neuen Entwicklungen im Sinne der Beschäftigten gestaltet werden. Das heißt, dass es auch in der entgrenzten Welt der Digitalisierung klare und nachvollziehbare Regeln geben muss. Die Arbeit der Zukunft darf nicht von arbeitgeberverordneter Flexibilität und Dauerverfügbarkeit geprägt sein, sondern es geht um die Selbstbestimmung der ArbeitnehmerInnen.
Große Umbrüche
Es entstehen neue Arbeitsplätze, vor allem im Bereich der Datenökonomie. Gleichzeitig fallen auch Arbeitsplätze weg. Dieser große Umbruch am Arbeitsmarkt macht vielen zu Recht Angst. Diese Veränderung muss gut begleitet werden – mit Qualifikation und Umschulungen, aber auch mit dem Ermöglichen von Arbeitsplätzen, für die digitale Kompetenzen nicht so wichtig sind. Es ist Aufgabe der Gewerkschaften und ArbeitnehmerInnenvertretungen, hier bestmögliche Rahmenbedingungen einzufordern und mitzugestalten, damit es möglichst viele GewinnerInnen und möglichst wenig VerliererInnen gibt.
Drittens kann die Digitalisierung für uns als Gewerkschaft selbst eine große Chance sein. Wenn wir jene Daten und Informationen, die uns unsere Mitglieder geben, so nützen, dass wir sie mit genau jenen Angeboten und Services versorgen, die sie brauchen, dann werden auch wir stärker und besser in der KundInnenorientierung und damit in unserer politischen Mitgestaltungsfähigkeit. Partizipation wird ebenfalls in der digitalen Welt einfacher und schneller. Es ist klar, dass wir dafür ein wenig umdenken müssen, dass wir auch unsere Kultur verändern müssen. Fakt ist aber, dass die Gewerkschaft in der digitalen Welt nicht nur nicht überflüssig oder veraltet ist, sondern notwendiger denn je.
Faire Arbeit 4.0 ist keine Vision
Damit wir hier glaubwürdiger Ansprechpartner sind, müssen auch wir selbst uns der digitalen Transformation stellen und über all unsere Kanäle – analog wie digital – all unsere Zielgruppen ansprechen, von Start-ups und CrowdworkerInnen bis hin zu IndustriearbeiterInnen und Handelsangestellten. Faire Arbeit 4.0 ist keine Vision, wegen der man einen Arzt braucht, sondern machbar und gestaltbar – und wir haben uns bereits auf den Weg gemacht.