Sommerzeit heißt Urlaub, Sonne, Ferienspaß – könnte man meinen. Für viele junge Menschen bedeuten die Sommermonate nämlich auch das: Erste Erfahrungen mit Arbeitsmarkt, Lohnabhängigkeit und betrieblichen Arbeitsrealitäten. Und diese zeigen sich durchwachsen – so viel schon vorweg…
In der Umgangssprache wird der Begriff „Praktikum“ für eine große Bandbreite von zeitlich begrenzten Beschäftigungsformen aller Art verwendet – was eine differenzierte Diskussion über die Potenziale und problematischen Aspekte der einzelnen Arbeitsformen nicht unbedingt vereinfacht. Denn die unsaubere Begrifflichkeit „Praktikum“ führt dazu, dass in der öffentlichen Debatte häufig Äpfel mit Birnen vermischt werden. Die Art des Beschäftigungsverhältnisses ist jedoch ausschlaggebend dafür, welche Qualitätskriterien man anlegen kann (Verdienstmöglichkeit vs. Ausbildungsaspekt). Und vor allem: Sie bestimmt, welche rechtliche Absicherung die jungen ArbeitnehmerInnen im konkreten Fall vorfinden – oder nicht. Dabei wäre aus Respekt vor der jungen Generation gerade hier politische Aufmerksamkeit angesagt: Nach Schätzungen absolvieren in Österreich allein jährlich etwa 130.000 SchülerInnen in den Ferien ein Pflicht- oder freiwilliges Praktikum bzw. einen Ferienjob.
Kraut und Rüben – Arbeit oder Ausbildung?
Beim Ferialjob stehen vor allem die Verdienstmöglichkeiten im Vordergrund und ferner auch die Chancen einer facheinschlägigen Arbeitserfahrung. Die meisten dieser Saisonjobs sind befristete Arbeitsverhältnisse und es gelten die Bestimmungen aus dem Arbeits- und Sozialrecht – wie für alle anderen Erwerbstätigen auch. Dazu gehören auch die Regelungen des jeweiligen Kollektivvertrages, etwa hinsichtlich Fragen der Entlohnung und die Anmeldung bei der Sozialversicherung.
Weitaus weniger klar: Die Lage der PflichtpraktikantInnen. Verpflichtende Praktika sind als Bestandteil von schulischen und hochschulischen Ausbildungen zunehmend relevant. Der Ausbildungsaspekt steht hier deutlich vor den Verdienstmöglichkeiten. Die Idee dahinter: Auszubildende sollen praktische Erfahrungen in der Arbeitswelt und im facheinschlägigen Tätigkeitsbereich sammeln. Betriebliche Praxis als Ergänzung einer überwiegend theoretischen Ausbildung wird dabei auch von den jungen Menschen selbst als gewinnbringende Lernerfahrung eingeschätzt. Unter einer entscheidenden Prämisse: Der Einsatz der eigenen Arbeitskraft und der Ausbildungscharakter der betrieblichen Einbindung müssen nachvollziehbar sein. Dieses Bedürfnis entspricht damit übrigens – wenig verwunderlich – denselben Anforderungen, die Lehrlinge an die betriebliche Ausbildung stellen.
All different – all equal
Wie im dualen Ausbildungssystem fehlen aber auch im Bereich der Pflichtpraktika klare einheitliche Qualitätsstandards. Während bei der Beschäftigung von SchülerInnen im Bereich Gastronomie/Tourismus schon bisher Dienstverhältnisse außer Streit standen, liegen die Pflichtpraktika anderer vollschulischer Ausbildungspfade oftmals in einem arbeits- und sozialrechtlichen Graubereich. Für PflichtpraktikantInnen besteht dort neben dieser Unsicherheit zudem kein Anspruch, ausbildungsrelevante Beschäftigung einfordern zu können.
Eine stärkere Absicherung der Ausbildungsaspekte könnte über verbindlich festgelegte Inhalte in den Lehrplänen erzielt werden. Einen weiteren Ansatzpunkt bilden – wie etwa von JugendgewerkschafterInnen gefordert – kollektivvertraglich verankerte Normen für das Arbeitsverhältnis (aktuell nehmen viele Kollektivverträge die PflichtpraktikantInnen explizit aus).
Prekäre Verhältnisse sind kein Naturgesetz
Die dritte große Gruppe im Feld dieser Arbeitsformen bilden (mehr oder weniger freiwillige) „Volontariate“ o.ä. Hier stehen in vielen Fällen nicht die Ausbildung oder die Einarbeitung im Vordergrund; diese PraktikantInnen übernehmen oft Hilfstätigkeiten und zum Teil sogar qualifizierte Tätigkeiten. Trotzdem erhalten diese jungen Menschen mitunter kein Entgelt oder lediglich ein „Taschengeld“ – und es fehlen die arbeits- und sozialrechtlichen Absicherungen.
So drängen unbezahlte Praktika – trotz erfolgreicher facheinschlägiger Ausbildung! – immer mehr Junge in die Prekarität. Das ist vor allem für jene problematisch, die nur über diesen Weg den Einstieg in den Arbeitsmarkt schaffen. Nicht selten jagt ein prekäres Arbeitsverhältnis das nächste – oder junge Menschen sind gezwungen, ihr Auskommen durch mehrere Jobs parallel zu sichern. In besonderem Ausmaß betrifft dieses Phänomen Kreativ- und Sozialberufe und Felder wie Medien oder NGOs.
Die ökonomischen und sozialen Verhältnisse, in denen junge Menschen leben, bestimmen ihre gesellschaftlichen Teilhabechancen insgesamt. Der Übergang von der Jugend ins Erwachsenenalter wird durch anhaltend prekäre Verhältnisse erschwert. Die Effekte reichen weit über das Jugendalter hinaus und beeinträchtigen auch zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten und Lebenschancen (Haushaltsgründung, Familienplanung, soziale Absicherung im Krankheitsfall oder im Alter, etc.).
Zukunft schaffen – Zukunft sichern
Wie Julia Hofman mit Blick auf die soziologischen Forschungen von Guy Standing festhält: Das Prekariat hat „im Gegensatz zum Proletariat keinen Zugang mehr zu den Rechten der sogenannten ‚industriellen BürgerInnenschaft‘, das heißt z.B. zu Beschäftigungssicherheit. Damit einher gehen eine nicht vorhandene Beschäftigungsidentität (‚Ich bin ArbeiterIn und stolz drauf‘) sowie eine ‚prekarisierte Psyche‘, die mitunter zu Überforderung und Burnout führen kann. Gleichzeitig hat das Prekariat im Gegensatz zum Proletariat weniger Zugang zu staatlichen Unterstützungsleistungen und lebt in permanenter Angst vor Verschuldung. […] Es kann jederzeit ‚explodieren‘, wie die vielen Unruhen in den Städten Europas bereits gezeigt haben.“
Nicht zuletzt deshalb bedarf es einer klaren Regelung – nicht nur sprachlich-begrifflich sondern auch und gerade konkret: in Form sozial- und arbeitsrechtlicher Sicherheiten.