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Geschlechterparität in Mitbestimmung kann Gleichstellung fördern
In den Mitbestimmungsgremien zeigt sich ein ähnliches Bild. Nur rund ein Drittel aller aktiven Betriebsrät:innen sind 2021 weiblich – es gibt also durchaus Luft nach oben. Es ist noch immer so, dass dort, wo es etwas zu bewegen gibt, Männer den Ton angeben und überrepräsentiert sind. Dabei ist es wichtig, dass Frauen als Betriebsrät:innen Frauenthemen aufgreifen und für ihre Kolleginnen eintreten können.
Es ist ein Gebot grundsätzlicher Chancengleichheit, dass Frauen ebenso wie Männer in Interessenvertretungsgremien mitwirken und sich so weiterbilden und entwickeln können. Ebenso ist es eine Frage der demokratischen Gerechtigkeit, dass größere Gruppen und deren Interessen durch gewählte Repräsentant:innen (in dem Fall Repräsentantinnen) an den Entscheidungen über ihre Belange beteiligt sind.
Frauen verfolgen aufgrund unterschiedlicher Sozialisation und den Lebenslagen, in denen sie sich befinden, andere Interessen und setzen Prioritäten anders als Männer. Anteilige Vertretung beider Geschlechter in Betriebsratsgremien kann daher auch die Betriebsratsarbeit inhaltlich prägen.
Die Förderung zur Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere bei der Einstellung, Beschäftigung, Aus-, Fort- und Weiterbildung und dem beruflichen Aufstieg, sowie die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit sind Aufgaben des Betriebsrats. Und erst die angemessene Mitwirkung an Entscheidungen vermittelt Frauen die Macht und Durchsetzungskraft, für bestimmte Ziele einzutreten.
Deutschland als Vorbild für Österreich?
In Deutschland wurde deshalb 2001 das Betriebsverfassungsgesetz novelliert. Ein wichtiges Ziel war auch die Steigerung des Frauenanteils in den Betriebsratsgremien. Eine Geschlechterquote wurde angestrebt, im Gesetzgebungsverfahren aber schließlich in einen Minderheitenschutz für beide Geschlechter verwandelt. Das bedeutet, dass das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein muss.
Eine WSI-Betriebsrätebefragung 2015 kam zu dem Ergebnis, dass – verglichen mit früheren Amtsperioden und verglichen mit der Zeit vor der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes 2001 – eine erheblich bessere Repräsentanz von Frauen in Betriebsräten erreicht wurde.
Auch in Österreich würde eine Geschlechterquote, die bereits bei der Besetzung von Aufsichtsratsfunktionen zur Anwendung kommt, ein wesentlicher Baustein für die Verbesserung des Geschlechterverhältnisses in Betriebsratsgremien bedeuten. Trotzdem bringt ein Minderheitenschutz nur einen Teileffekt im Vergleich zu einer festen Geschlechterquote. Auch in Deutschland hat sich dies gezeigt, denn es hat sich zwar die Repräsentanz von Frauen in den Betriebsratskörperschaften gegenüber der Zeit vor 2001 stark verbessert. Doch sind Männer unabhängig davon, ob sie im Betrieb die Minderheit oder die Mehrheit bilden, im Betriebsrat noch immer besser vertreten, das heißt häufiger überrepräsentiert.
Teilzeitarbeit als (eine) Bremse für Frauen
Zitat einer Betriebsrätin aus dem Gesundheitsbereich: „Als Teilzeit-Betriebsrätin hat man selbstverständlich die gleichen Herausforderungen wie alle anderen Teilzeit-Kolleg:innen: Arbeit/Familie, Arbeitsanforderungen, die über Teilzeitstundenausmaße hinausgehen, etc. Eine der größeren Herausforderungen in der Teilzeit als Betriebsrat ist vermutlich, dass man zeitlich deutlich mehr beschränkt ist, sich außerbetrieblich zu engagieren, als voll freigestellte Kolleg:innen. Auch in der Flexibilität können dadurch Schwierigkeiten auftreten. Um sich außerbetrieblich engagieren zu können, etwa in der Gewerkschaft, Arbeiterkammer etc., braucht es ein Helfernetz für die sogenannte Care-Arbeit.“
Die Teilzeitarbeit ist, neben der rechtlichen Ausgestaltung der Repräsentation in Betriebsratsgremien, ein weiterer wesentlicher Faktor mit Einfluss auf die Geschlechterkonstellation in Betriebsratsgremien. Die Arbeit in Teilzeit ist in Österreich weiblich, und sie ist verbreiteter als in den meisten Industrieländern – und das vor allem bei den weiblichen Erwerbstätigen: 47,3 Prozent der Frauen arbeiteten im Jahresdurchschnitt 2020 Teilzeit – der Anteil der erwerbstätigen Männer lag bei 10,7 Prozent. Auch in absoluten Zahlen ist der Unterschied eklatant: 955.600 Frauen standen 244.600 teilzeitbeschäftigten Männern gegenüber.
Die Gründe für Teilzeitarbeit sind vielfältig:
- Lückenhafte Infrastruktur
Betreuungspflichten in Kombination mit fehlender oder zeitlich nicht hinreichender Unterstützungsinfrastruktur, beispielsweise bei der Kinderbetreuung, und die Betreuung naher Angehöriger aufgrund fehlender oder nicht leistbarer professioneller Pflege.
- Konservative und unhinterfragte Rollenbilder
Die Not, getarnt als etabliertes Rollenbild „Der Mann verdient. Die Frau verdient dazu (und erledigt dafür die noch immer unbezahlte Care-Arbeit)“, wird in Österreich aufgrund fehlender politischer Maßnahmen immer noch als Tugend vermarktet.
- Mangelhaftes Arbeitsmarktangebot von Vollzeitstellen
In manchen Branchen wird Vollzeitbeschäftigung kaum bzw. selten angeboten. So sind etwa im Handel Teilzeitbeschäftigungen weit verbreitet.
- Teilzeit als Gesundheitsschutz
Teilzeit ist Hilfe zur Selbsthilfe bei Erwerbsarbeit mit hoher körperlicher und psychischer Belastung. Beschäftigte im Gesundheitswesen berichten etwa, dass sie aufgrund von Schichtdienst, körperlicher und psychischer Belastung und Zeitdruck häufig in Teilzeit arbeiten.
- Lebensqualität durch Teilzeit (für die, die es sich leisten können)
Erwerbsarbeit ist nur ein Teil des Lebens, und einige können es sich leisten, aus diesem Motiv nur in Teilzeit zu arbeiten.
Diese unterschiedlichen Gründe tragen zum Gender-Pay-Gap bei, der die künftige individuelle Pension und das Familieneinkommen verringert und zu fehlenden Steuereinnahmen für den Staat führt.
Es ist ein Faktum, dass diese fünf Gründe (Infrastruktur, Rollenbilder, Arbeitsmarktangebot, Gesundheit und Lebenswunsch) mittelbaren Einfluss auf die Zusammensetzung eines Betriebsratskollegiums, auf die Entscheidung für das Mandat einer innerbetrieblichen Arbeitnehmer:innenvertretung und auf die Betriebsratsarbeit im Konkreten haben.
Hinzu kommt, dass aufgrund des ArbVG § 115 (1) das Mandat des Betriebsratsmitgliedes ein Ehrenamt ist, das, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt wird, neben den Berufspflichten auszuüben ist. Frauen übernehmen aber ohnehin schon vielfach die unbezahlte Arbeit inklusive der Pflege und Betreuung von Angehörigen neben ihrer Erwerbsarbeit. Ein zusätzliches Amt wirkt für diese Frauen dann als eine weitere Bürde – auch wenn dieses Amt ihnen ermöglicht, eine wichtige und sinnerfüllte frauenpolitische Position einzunehmen.
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