Die Bundesregierung plant offenbar nach nicht einmal zwei Jahren, ein Programm einzustellen, das jungen Menschen eine Ausbildung ermöglicht und damit Hilfsarbeit vermeiden soll. Die Begründung der Regierung lautet, dass dieses Programm zu wenig in Anspruch genommen wird. Bisher waren pro Jahr 37 Millionen Euro veranschlagt, tatsächlich wurden nicht alle Mittel ausgeschöpft. Ein Blick auf die Arbeitsmarktstatistik oder auch aktuelle Studien zeigt aber, dass das Programm jedoch leider – auch, wenn die Arbeitslosigkeit zurückgeht – noch nicht obsolet ist, sondern nach wie vor ein entsprechender Bedarf besteht. Generell lässt sich eine ideologisch motivierte Kehrtwende erkennen – weg vom fördernden und hin zum stark fordernden bzw. sogar zwingenden Staat. Das autoritär-negative Menschenbild wird dabei auf den Arbeitsmarkt übertragen.
Regierung beendet 20 Jahre altes Jugendbeschäftigungsprogramm
Die Ausbildungsgarantie hat ihre Wurzeln im Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung (NAP) von 1998. Damals – auf der Spitze der sogenannten Lehrstellenkrise – wurde mit dem Jugendsicherungsgesetz (JASG) die erste Form der überbetrieblichen Lehrausbildung beschlossen. 2009 kam eine Novelle des Berufsausbildungsgesetzes (BAG), die überbetriebliche Ausbildung wurde in das BAG integriert und die finanzielle Abwicklung über das Arbeitsmarktservice (AMS) festgeschrieben. Die überbetriebliche Lehre war damit einer betrieblichen Lehre theoretisch gleichgesetzt. 2009 kam auch die erste Ausbildungsgarantie; der Staat garantierte Jugendlichen bis 18 Jahre einen Ausbildungsplatz in einem Lehrberuf oder ein anderes Ausbildungsangebot bereitzustellen. Dazu griff man eben verstärkt auf das Konzept der überbetrieblichen Ausbildung zurück – wie sonst könnte man möglichst nah am Wohnort der betroffenen Jugendlichen eine möglichst große Anzahl an wählbaren Lehrberufen bereitstellen?
2016 löste die „Ausbildungspflicht bis 18“ die „Ausbildungsgarantie bis 18“ ab, der quasi Rechtsanspruch wurde zu einer Verpflichtung umgewandelt, gleichzeitig führte man die „Ausbildungsgarantie für 19–25-Jährige“ ein. Sie unterscheidet sich geringfügig (es gibt keine Verankerung im AMSG) von ihrem Vorgängerprogramm; sie führte einen de facto Rechtsanspruch auf gewünschte Weiterbildungen und Umschulungen für Personen ein, die länger als vier Monate beim AMS als arbeitslos vorgemerkt waren. 2017 nahmen dieses Angebot ungefähr 5000 Personen wahr. Durch die nicht mehr gesicherte Finanzierung seitens des Sozialministeriums fällt diese staatliche Weiterbildungsversicherung künftig jedoch vermutlich weg.
Digitalisierung benötigt mehr Bildung
Gerade durch die Digitalisierung wäre Bildung jedoch notwendiger denn je. Die Bundesregierung selbst wird nicht müde zu betonen, dass Bildung der Schlüssel gegen Arbeitslosigkeit sei. Und die Zahlen bestätigen das: Fast die Hälfte aller Arbeitslosen in diesem Altersbereich verfügt lediglich über einen Pflichtschulabschluss. Das Ziel der Maßnahmen innerhalb der Ausbildungsgarantie wäre ein erfolgreicher Berufsabschluss – eine derartige Höherqualifizierung hat enorm positive Auswirkungen auf künftige Einstellungsmöglichkeiten, Entgeltansprüche oder Pensionen und schützt vor prekären Beschäftigungen wie Leiharbeit.
Facharbeitermangel ist hausgemacht
Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist die Lage klar: Je besser die persönlichen Qualifizierungen zum Arbeitsangebot passen, desto schneller finden Personen einen Arbeitsplatz. Die Beschäftigten und die Betriebe zahlen dann Steuern und Abgaben an den Staat, die Ausbildungskosten kommen um ein Vielfaches zurück, die individuellen Sozialausgaben sinken. Man möchte meinen, die Ausbildungsgarantie ist eine Win-win-Situation in Zeiten, in denen Betriebe immer weniger bereit sind, Zeit und Ausbildungskosten für ihre FacharbeiterInnen zu tragen. Doch auch dies ist nur die halbe Wahrheit, denn das Grundproblem der sinkenden Ausbildungsbetriebe löst weder die Ausbildungsgarantie noch eine Ausbildungspflicht. Es ist lediglich der berechtigte und unterstützenswerte Versuch, Jugendliche nicht allein mit diesem Problem zu lassen.
Facharbeitermilliarde als Rezept für ein Mehr an Ausbildungen
Wie bereits angesprochen, ist dies gerade in Zeiten der Digitalisierung und dem damit verbundenen Qualifizierungsproblem äußerst sinnvoll. Dennoch fehlt eine Komponente: den Betrieben deren gesellschaftliche Verpflichtung wieder aufzuzeigen, dass auch sie Jugendarbeitslosigkeit zu verhindern haben. Ein Rezept dafür kann die sogenannte „Facharbeitermilliarde“ sein – ein solidarischer Fond, finanziert durch ein Prozent der Bruttolohnsumme aus ArbeitgeberInnenbeiträgen. Bildet man FacharbeiterInnen aus, bekommt man hohe Förderungen, die Ausbildungskosten sollen sehr großzügig gedeckt werden. Im Gegensatz dazu bekommen Betriebe, die nicht ausbilden, keine Förderungen und beteiligen sich somit finanziell an der Ausbildung ihrer künftigen FacharbeiterInnen.
Dieses einfache Bonus-Malus-System, das schon in Vorarlberg mit großem Erfolg praktiziert wird, gekoppelt mit der „Ausbildungspflicht bis 18“ und der „Ausbildungsgarantie bis 25“ könnte die Jugendarbeitslosigkeit tatsächlich massiv reduzieren. Profitieren würden wir alle davon.