Auftrag Arbeitsmarktintegration – Arbeit in Non-Profit-Organisationen zwischen Anspruch und Wirklichkeit

20. Mai 2020

Neben dem Arbeitsmarktservice sind in Österreich auch zahlreiche Non-Profit-Organisationen (NPOs) für Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration zuständig. Aus soziologischer Perspektive zeigt sich: Beschäftigte in diesen NPOs, die sich zunehmend einem Effizienzdruck ausgesetzt sehen, stehen unter großen Spannungen zwischen ihren Idealen und den strukturellen Zwängen ihrer Arbeitsbedingungen. Und gerade jene ArbeitnehmerInnen, die andere bei der nachhaltigen Integration in den Arbeitsmarkt unterstützen sollen, sind selbst oft von unsicheren Beschäftigungsverhältnissen betroffen.

Auslagerung von sozialen Dienstleistungen an Non-Profit-Organisationen

Das Betreuen, Beraten und Vermitteln von Arbeitslosen beim (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt wird in Österreich nicht mehr nur von staatlichen Institutionen wie dem Arbeitsmarktservice (AMS) umgesetzt. Diese sozialen Dienstleistungen werden seit den 1990er-Jahren oftmals an andere, nicht gewinnorientierte Organisationen ausgelagert. Allein in Wien gibt es über 30 gemeinnützige Organisationen oder Initiativen, die die sogenannte aktive Arbeitsmarktpolitik im Auftrag des Staates durchführen. Unter dem Stichwort „contracting out“ werden etwa gemeinnützige Vereine mit Aufgaben wie Arbeitsvermittlung, Beratung oder Weiterbildung für benachteiligte Personengruppen beauftragt. Dazu zählen zum Beispiel Menschen mit nichtdeutscher Muttersprache, mit gesundheitlichen Einschränkungen oder Beeinträchtigungen sowie Langzeitarbeitslose.

Ökonomisierung von Non-Profit-Organisationen

Diese vom Staat geförderten Organisationen werden aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit bzw. Nicht-Gewinnorientierung auch als Non-Profit-Organisationen (NPOs) bezeichnet. Dennoch zeigt sich eine zunehmende Ökonomisierung in diesem Bereich: Um staatliche Förderungen zu erhalten, müssen NPOs ihre Effizienz und Wirksamkeit unter Beweis stellen. Als Begründung dafür wird oftmals das Ziel angeführt, dadurch die Transparenz und Legitimität der Förderungen zu erhöhen. Dies resultiert jedoch darin, dass in NPOs im Bereich der Arbeitsmarktintegration ein immer stärkerer Fokus auf quantifizierbare Kriterien wie Wirkungsmessung und Controlling gelegt wird bzw. gelegt werden muss. Das hat auch zur Folge, dass in einem Bereich, in dem Profit nicht unmittelbar im Vordergrund steht, ein Kosten- und Zeitdruck vorliegt, der sich einerseits auf die Organisationen und andererseits auch auf die Beschäftigten selbst auswirkt.

IdealistInnen am Werk?

Die Ergebnisse meiner soziologischen Studie zu den Arbeitsbedingungen im gemeinnützigen Bereich der Arbeitsmarktintegration zeigen, dass bei den Beschäftigten der untersuchten NPOs – wie auch in vielen anderen sozialen Arbeitsfeldern – soziale oder intrinsische Motivationen überwiegen. Die Analyse der persönlichen Interviews zur subjektiven Perspektive von NPO-MitarbeiterInnen auf ihre Arbeit legte offen, dass anderen Menschen zu helfen oder der Gesellschaft etwas zurückgeben zu wollen die wichtigsten Motive für die Arbeit in Sozialorganisationen darstellen. Darüber hinaus identifizieren sich die Beschäftigten in gemeinnützigen Organisationen stark mit ihrer Arbeit, wichtig ist ihnen Selbstverwirklichung in der Arbeit und ein positives Arbeitsumfeld. Es kann somit durchaus von IdealistInnen gesprochen werden – bzw. von Idealistinnen: Die Mehrheit der Beschäftigten im Sozialbereich ist weiblich, die Teilzeitquote sehr hoch.

Effizienzkriterien, Bürokratisierung und Abhängigkeiten

Die Motivationen, Menschen zu helfen oder sich in der Arbeit zu verwirklichen, stehen den strukturellen Zwängen oder Vorgaben von oben teilweise konträr gegenüber: Effizienzanforderungen beschränken die Gestaltungsfreiheit und setzen die Beschäftigten unter großen Druck. „Gewisse Zahlen“ – etwa die sogenannte Vermittlungsquote ­– müssen stimmen. Das bedeutet, dass die MitarbeiterInnen der NPOs in einem bestimmten Zeitraum zum Beispiel als BeraterInnen eine gewisse Anzahl von arbeitslosen Personen in Arbeitsverhältnisse vermitteln müssen oder als DeutschtrainerInnen dafür sorgen müssen, dass ein bestimmter Prozentsatz der KursteilnehmerInnen ein Deutschzertifikat positiv absolviert. Verstärkt wird der Druck aus Sicht der MitarbeiterInnen dadurch, dass zunehmend schwierige Fälle vom Arbeitsmarktservice (AMS) an die gemeinnützigen Organisationen zugewiesen werden. Konkret heißt das, dass die Beschäftigten der NPOs stärker unter Zeitdruck geraten, weil sie besonders beratungs- oder betreuungsintensive KlientInnen übernehmen (müssen), zugleich aber die Effizienzkriterien nicht an den gestiegenen Arbeitsaufwand angepasst werden.

Auch auf Organisationsebene zeigen sich Abhängigkeiten der NPOs von ihren Fördergebern: Oftmals werden die Initiativen nur von einer oder zwei staatlichen Institutionen finanziert, die auch Einfluss auf die Strukturen der NPOs nehmen. Gemeinnützigen Vereinen, die einst mit basisdemokratischen Entscheidungsstrukturen gegründet wurden, wird nahegelegt, das Ideal der Basisdemokratie aufzugeben, um den Förderkriterien zu entsprechen. Die Anpassung der Organisationsstrukturen kann in Zusammenhang mit einer generellen Professionalisierung gesehen werden, mit der auch eine starke Bürokratisierung einhergeht. Um die Erfüllung der Förderkriterien u. a. mittels der Vermittlungsquote nachzuweisen, ist der Verwaltungsaufwand für die Beschäftigten in den Beratungsstellen und Initiativen mit Hilfsangeboten für Benachteiligte enorm gestiegen. Insbesondere MitarbeiterInnen kleinerer Initiativen sprechen im Kontext dieser Entwicklung von „Dokumentationswahnsinn“.

Spannungsverhältnisse: Arbeit in NPOs zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Die Beschäftigten dieser Sozialorganisationen erleben starke innere Konflikte in ihrer Arbeit, insbesondere wenn sich Personen an die Organisationen wenden, die eigentlich nicht in deren Zielgruppe fallen. Ein Beispiel hierfür ist die Gruppe der „Working Poor“: Menschen, die zwar eine Arbeit haben, aber dennoch arm sind bzw. unter prekären Bedingungen leben und arbeiten (müssen), sollen entsprechend den Vereinbarungen zwischen Staat und NPOs nicht betreut oder beraten werden. Die Beschäftigten der NPOs sehen sich daher mit Widersprüchen konfrontiert. Aufgrund ihrer sozialen Motivation und den eigenen Ansprüchen an die Arbeit würden sie diesen Menschen einerseits gerne helfen. Andererseits ist das Beraten von „Working Poor“ zusätzliche und nicht bezahlte Arbeit, da diese nicht „quotenrelevant“ sind. Die vorgeschriebenen Effizienzkriterien setzen die MitarbeiterInnen von Sozialorganisationen somit unter Druck, sich zwischen ihren Idealen und dem Erfüllen von Vermittlungsquoten zu entscheiden.

Befristung und Unsicherheit

Verstärkt wird der Druck auf die Beschäftigten durch die Unsicherheit, die mit der jährlichen Befristung der Förderungen zusammenhängt. Daraus folgt, dass auch die Arbeitsverhältnisse der MitarbeiterInnen der untersuchten NPOs auf ein Jahr befristet sind. Besonders problematisch ist dabei für die Beschäftigten die Undurchsichtigkeit, ob das Erfüllen der Kriterien letztlich tatsächlich eine Fortsetzung der Förderung bedeutet. In zwei von drei untersuchten Organisationen kam es trotz Erreichens der Vermittlungsquoten zu Stellenabbau. Der Hintergrund dafür ist, dass das staatliche Förderbudget für die sogenannte aktive Arbeitsmarktpolitik, wie etwa Sprachkurse, Qualifizierungsmaßnahmen oder Ausbildungen, jedes Jahr neu verhandelt wird – und es schlussendlich auch vom Willen der politischen EntscheidungsträgerInnen abhängt, wer als benachteiligt bzw. als förderwürdig gilt. Die Unsicherheit, die damit einhergeht, stellt für die Beschäftigten der Sozialorganisationen eine enorme emotionale Belastung dar.

Fazit

Die MitarbeiterInnen von Non-Profit-Organisationen im Bereich der Beratung, Vermittlung und Betreuung von am Arbeitsmarkt benachteiligten Menschen sehen sich aufgrund der zunehmenden Ökonomisierung des Sozialbereichs Spannungsverhältnissen ausgesetzt. Innere Konflikte entstehen zwischen ihren normativen Ansprüchen, den Menschen zu helfen, und den Effizienzkriterien, anhand derer die geleistete Arbeit bewertet und schließlich auch vergütet wird. Die Förderung der gemeinnützigen Initiativen ist sehr kurzfristig angelegt: Die Förderverträge laufen immer nur für ein Jahr, was für die Beschäftigten sehr viel Unsicherheit mit sich bringt und den Effizienz- und Kostendruck noch zusätzlich verschärft. So kommt es, dass in Österreich ironischerweise genau die Menschen, die Benachteiligte in unserer Gesellschaft dabei unterstützen sollen, nachhaltig in den Arbeitsmarkt integriert zu werden, selbst von unsicheren Beschäftigungsverhältnissen betroffen sind.

Inwiefern ist diese Ökonomisierung von Sozialorganisationen vertretbar, wenn dabei Beschäftigte, die staatliche Aufgaben übernehmen, aufgrund ihrer eigenen befristeten Arbeitsverhältnisse unter Druck gesetzt werden? Diese ewige Kurzfristigkeit gilt es auf politischer Ebene zu überdenken. Zugleich wird vordergründig alles an quantifizierbaren Effizienzkriterien bemessen, während der Fördermittelvergabe jedoch schlussendlich politische Entscheidungen zugrunde liegen. So stellt sich die Frage, inwiefern das Potenzial, Menschen nachhaltig zu helfen, unter diesen Bedingungen tatsächlich ausgeschöpft werden kann.

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