Der Initiativantrag zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes wird öffentlich heftig diskutiert. Ein Aspekt der Diskussion ist das Ablehnungsrecht. Also inwiefern ArbeitnehmerInnen künftig „Nein“ zum 12-Stunden-Tag sagen können. Die Analyse des Gesetzestextes zeigt: Überstunden abzulehnen, kann sogar noch schwerer werden.
Am 14.6.2018 wurde von den Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger sowie ihren Kolleginnen und Kollegen ein Initiativantrag „betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden“ (303/A XXVI. GP) eingebracht.
Dieses soll vor allem eine Anhebung der bisherigen täglichen Höchstarbeitszeitgrenze von zehn auf zwölf Stunden und der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeitgrenze von 50 auf 60 Stunden bringen. Dafür wird, so der Antrag, „in § 9 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz (AZG) „die Zahl „zehn“ durch die Zahl „zwölf“ und die Zahl „50“ durch die Zahl „60“ ersetzt“ und in der Folge alle Ausnahmeregelungen, die schon bislang einen 12-Stunden-Tag ermöglichen, gestrichen. Der 12-Stunden-Tag ist somit ab dem In-Kraft-Treten dieser Neuregelung mit 1.1.2019 (siehe § 34 Abs. 37 AZG Neu) die allgemeine Höchstgrenze und nicht mehr die Ausnahme.
Warum ist das Ablehnungsrecht für ArbeitnehmerInnen so wichtig?
Damit wird auch eine Anordnung von Überstunden viel leichter möglich – es entfallen nämlich auch die Kontingentierungen, die bislang dafür gesorgt haben, dass sich die Überstundenbelastung im Rahmen gehalten hat. Es sind derzeit gemäß § 7 Abs. 1 AZG nur fünf Überstunden pro Woche und zusätzlich 60 Überstunden im Jahr möglich – damit im Durchschnitt nur gute sechs Überstunden pro Woche (und ein wenig mehr berücksichtigt man Urlaube und Krankenstände). Mehr Überstunden waren nur mit Zustimmung entweder der Kollektivvertragsparteien oder der Betriebsvereinbarungsparteien zulässig. Das soll jetzt alles wegfallen – lediglich die Grenze von durchschnittlich 48 Stunden bietet den letzten Schutzwall vor einer zu starken zeitlichen Beanspruchung. Diese beruht auf der Verpflichtung Österreichs durch die EU-Arbeitszeitrichtlinie und war in der Vergangenheit wegen der Kontingentierung der Überstunden praktisch nicht sehr relevant – sie wird aber in Zukunft massiv an Bedeutung gewinnen.
Als Schutz gegen eine übermäßige Überstundenanordnung soll nun ein Ablehnungsrecht in einem neu formulierten § 7 Abs 6 AZG eingeführt werden, der folgendermaßen lauten soll:
„Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können Überstunden nach den § 7 und § 8 Abs. 2 aus überwiegenden persönlichen Interessen ablehnen, wenn durch diese Überstunden die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden übersteigt. Sie dürfen deswegen nicht benachteiligt werden, insbesondere hinsichtlich des Entgelts, der Aufstiegsmöglichkeiten und der Versetzung. In Betrieben mit Betriebsrat, kann mittels Betriebsvereinbarung eine abweichende Regelung vorgesehen werden.“
Was hat es nun mit dem neuen Ablehnungsrecht für Überstunden auf sich?
1. Es ist nicht neu, sondern ein solches gab es jetzt schon. Nach § 6 Abs. 2 AZG, der nicht verändert werden soll, gilt nämlich schon seit langem Folgendes:
„Arbeitnehmer dürfen zur Überstundenarbeit nur dann herangezogen werden, wenn diese nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zugelassen ist und berücksichtigungswürdige Interessen des Arbeitnehmers der Überstundenarbeit nicht entgegenstehen.“
2. Es gelten somit nunmehr zwei unterschiedliche Regime für die ersten zwei Überstunden am Tag (neunte und zehnte Stunde) und die beiden weiteren (elfte und zwölfte Stunde). Während bei ersteren ArbeitnehmerInnen nicht zu Überstunden herangezogen werden dürfen, ist bei letzteren eine Anordnung zwar möglich ist, diese kann aber von den Betroffenen abgelehnt werden. Während also bei den ersten zwei Stunden nicht ausdrücklich abgelehnt werden muss, sondern eine Anordnung bei berücksichtigungswürdigen Gründen schlicht nicht zulässig ist, muss bei den weiteren zwei Überstunden eine klare Ablehnung mit einer Begründung durch den/die ArbeitnehmerIn erfolgen.
3. Und auch die Gründe, die einer Ableistung von Überstunden entgegenstehen, sind unterschiedlich: Während es bei den ersten zwei Stunden auf „berücksichtigungswürdige Gründe“ ankommt, müssen bei den folgenden zwei Stunden nun „überwiegende persönliche Interessen“ vorliegen. Kommt es im ersten Fall dem Wortlaut nach nur darauf an, dass die Gründe würdig sind, berücksichtigt zu werden, geht es im zweiten Fall um ein Überwiegen gegenüber den ArbeitgeberInnen-Interessen. Das sind freilich Nuancen, aber es ist davon auszugehen, dass sie bedeutsam sind – ansonsten hätte es der Neuformulierung nicht bedurft. Damit spricht schon der Wortlaut dafür, dass es schwieriger ist, die elfte und zwölfte Stunde abzulehnen als jene Überstunden davor.
Im besten Fall hat sich nichts verändert, im schlechtesten ist die elfte und zwölfte Stunde leichter anordenbar
Als zusammenfassendes Ergebnis lässt sich damit Folgendes festhalten: Schon die Auslegung des neuen Ablehnungsrechtes nach dem Wortlaut und dem Zusammenhang mit anderen relevanten Gesetzesbestimmung zeigt, dass dieses zu vielen Auslegungsproblemen und damit zu einer unklaren Rechtslage führt. Im für die ArbeitnehmerInnen besten Fall wurde einfach unklar formuliert und es hat sich gegenüber dem bisherigen Rechtsbestand gar nichts verändert. Im schlechtesten Fall – und diese Interpretation ist vertretbar – kann die elfte und zwölfte Stunde leichter angeordnet werden als die neunte und die zehnte. Damit kann sich das wohl als Schutzschild intendierte Ablehnungsrecht als Bumerang entpuppen und sogar zu einer Verschlechterung der Rechtslage für davon betroffene ArbeitnehmerInnen führen.