Viele multinationale Konzerne haben in den letzten Jahren Beschwerdemechanismen eingerichtet. Dadurch soll jenen, die durch diese Unternehmen geschädigt werden, eine schnelle Durchsetzung ihrer Rechte ermöglicht werden. Eine Untersuchung zeigt nun, dass damit Risiken für die BeschwerdeführerInnen verbunden sind und die Beschwerdemechanismen keine vollwertige Alternative zu gerichtlichen Verfahren bieten.
Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sehen neben der staatlichen Schutzpflicht vor Menschenrechtsverletzungen und der Unternehmenspflicht zur Achtung der Menschenrechte auch das Recht von Geschädigten auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor. Neben klassischen Gerichtsverfahren sehen die Leitprinzipien auch Standards für außergerichtliche Rechtsbehelfe vor. Das können etwa internationale, industrieweite, oder gemeinschaftliche Initiativen sein, aber auch Mechanismen einzelner Unternehmen („operational level“ oder „company-based grievance mechanism“). Damit diese Beschwerdemechanismen einen wirksamen Rechtsbehelf darstellen, müssen sie bestimmte Kriterien erfüllen.
Viele multinationale Unternehmen haben in den letzten Jahren begonnen, Beschwerdemechanismen einzurichten. Diese sollen es ermöglichen, Missstände und negative Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten frühzeitig zu erkennen und unmittelbar wiedergutzumachen. Auch für mögliche Geschädigte bieten solche Mechanismen Vorteile: sie sind weitaus kostengünstiger und schneller als Gerichtsverfahren und erfordern kein spezielles rechtliches Wissen. Sie bergen jedoch hohe Risiken für BeschwerdeführerInnen, da sie möglicherweise nicht transparent und objektiv sind und keine externe Kontrolle bieten. Außerdem können Entschädigungen meist nicht von staatlichen Behörden durchgesetzt werden.
Noch gibt es sehr wenige Untersuchungen zu den Chancen und Risiken außergerichtlicher Beschwerdemöglichkeiten europäischer Unternehmen, von denen erst wenige einen vollständigen Beschwerdemechanismus etabliert haben. Das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte hat sich im Rahmen eines europäischen Forschungsprojekts zu Menschenrechten und Wirtschaft die Rahmenbedingungen unternehmensbezogener Beschwerdemechanismen angesehen und die praktische Umsetzung in zwei großen Unternehmen untersucht. Die Ergebnisse lassen zwar keine generellen Schlüsse zu, zeigen aber Herausforderungen für Betroffene und für die Unternehmen selbst auf.
Fallstudien – Erfolg in der Praxis?
Die beiden untersuchten Unternehmen (die deutsche Siemens AG und der norwegische Konzern Statoil) haben verschiedene Möglichkeiten geschaffen, Beschwerden auf lokaler bzw. Betriebsebene einzubringen. Manche Aspekte des Verfahrens sind noch nicht ausreichend geklärt. Dies betrifft zum Beispiel die schwierige Balance zwischen einfacher Zugänglichkeit (Beschwerde an eine/n Vorgesetzte/n oder eine lokale Ansprechperson) und dem Wunsch der Wahrung der Anonymität seitens der Betroffenen. In der Praxis gibt es bisher wenige Fälle, in denen diese Mechanismen angewandt werden. Daher war es teilweise unklar, wie Beschwerden, die extern (z.B. über eine Beschwerdehotline, ein Onlineformular oder eine Ombudsperson) eingebracht wurden, nach einer ersten Prüfung intern weiterverfolgt werden bzw. wie der Schaden für Betroffene schließlich wiedergutgemacht wird. Allerdings hat sich gezeigt, dass in den bisher wenigen praktischen Fällen oft adäquate Lösungen gefunden wurden. Dennoch wurde festgestellt, dass die Mechanismen vorhersehbarer und transparenter gestaltet werden könnten.
Interne Beschwerdemechanismen werden vor allem für Arbeitsrechtsverletzungen und kleinere Konflikte mit lokalen Gemeinden verwendet (z.B. Überstundenabrechnung, Ruhezeiten, unbeabsichtigte Sachbeschädigung) und weniger für schwerere Menschenrechtsverletzungen. In Fällen von beispielsweise unbeabsichtigter Sachbeschädigung scheinen die Verfahren tatsächlich geeignet, relativ schnelle und unbürokratische Lösungen für die Betroffenen zu bieten.
Beispiel: Statoil in Tansania
Das zeigt ein Beispiel aus Tansania. Fischer haben bei Statoil aufgrund von beschädigten Netzen eine Beschwerde eingebracht. Im Rahmen des Beschwerdemechanismus konnte für die aufgrund von explorativen Aktivitäten des Unternehmens eingetretene Schädigung eine Einigung erzielt werden.
Fazit
Es zeigt sich anhand der untersuchten Unternehmen, dass unternehmensbezogene Beschwerdemechanismen eher für den Umgang mit kleineren Beschwerden genutzt werden und geeignet sind, diese auf lokaler Ebene zu lösen. Dort können sie auch als Präventionsmechanismen dienen, die es ermöglichen, Missstände oder Konflikte zu lösen, bevor sich die Situation verschlechtert. Als vollwertige Alternative zu gerichtlichen oder gut strukturierten außergerichtlichen Beschwerdemechanismen sind sie allerdings nicht geeignet.
Weiterführende Informationen: Projektwebseite mit allen Forschungsergebnissen und weiteren Informationen
Ein ausführlicher Artikel über die Ergebnisse dieses Forschungsprojekts, das in Österreich vom Sozialministerium und der Arbeiterkammer Wien kofinanziert wurde, erscheint in der Dezemberausgabe des Infobriefs EU & International.
Dr.in Julia Planitzer ist und MMag.a Katharina Häusler war bis August 2016 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte in Wien.