Die Zentralbanken des Euroraumes, inklusive der Österreichischen Nationalbank, haben 2009/10 erstmalig eine systematische Erhebung der Vermögensverteilung zwischen Haushalten durchgeführt, den Household Finance and Consumption Survey (HFCS). Die Ergebnisse zeigen, dass Vermögen in Österreich äußerst ungleich verteilt ist: Die reichsten 5% der Haushalte besitzen 45% des Bruttovermögens, die reichsten 20% besitzen 74% (Wo Sie sich in der Vermögensverteilung befinden, sehen Sie auf www.binichreich.at).
Vor diesem Hintergrund wurden in letzter Zeit Forderungen nach einer Einführung von Vermögens- und einer Wiedereinführung von Erbschaftsteuern lauter. So plädiert etwa Markus Marterbauer von der Arbeiterkammer Wien für Vermögenssteuern, da, so sein Argument, diese erhebliche Mehreinnahmen bringen, zur Umverteilung beitragen, sowie den Konsum ankurbeln.
In einem IHS Standpunkt listet IHS-Direktor Christian Keuschnigg hingegen einige Argumente gegen Erbschafts- und Vermögenssteuern auf. Er argumentiert unter anderem, dass Kapitalsteuern bei langen Anlagezeiträumen zu einer starken Belastung führen, und dass die erhöhten Kapitalkosten Investitionen bremsen würden. Er argumentiert weiter, dass Erbschafts- und Vermögenssteuern zu einer Doppelbesteuerung von Einkommen führen, die doppelt verzerrend sei. Er schließt daraus, dass der „volkswirtschaftliche Nettovorteil einer Erbschafts- und Schenkungssteuer eher zweifelhaft“ ist.
Argumente aus der ökonomischen Theorie
In der ökonomischen Theorie gibt es zwei klassische Argumente gegen Vermögens- und Erbschaftssteuern: Das erste Argument lautet, dass aufgrund der Mathematik der Zinseszinsrechung Vermögenssteuern die Kosten langfristigen Sparens sehr hoch werden lassen. Dementsprechend wäre – unter bestimmten Annahmen – zu erwarten, dass bei einer kleinen Erhöhung der Vermögenssteuern viel weniger gespart wird, was gegen die Einführung solcher Steuern spricht. Das zweite Argument lautet, dass wir lieber Einkommen an seiner Quelle besteuern sollten, anstatt Ersparnisse zu besteuern. Dadurch könnten wir die gleiche Umverteilungswirkung erzielen, aber ohne die zusätzliche Verzerrung einer „Doppelbesteuerung“.
Die Entwicklung der ökonomischen Theorie der letzten 25 Jahre zeigt, dass beide Argumente im Allgemeinen falsch sind. Das erste Argument wäre nur dann richtig, wenn schon kleine Veränderungen der Zinssätze einen sehr großen Effekt auf das Sparverhalten der Haushalte hätten – eine empirisch offensichtlich falsche Annahme. Das zweite Argument wäre nur dann richtig, wenn wir alle unter gleichen Bedingungen und ohne Erbschaften auf die Welt kämen, und tatsächlich beliebige Umverteilung über die Einkommenssteuer erreicht werden könnte. Auch das ist offensichtlich nicht der Fall. In einer neuen Studie, die soeben in der Fachzeitschrift Econometrica erschienen ist, analysieren Saez und Piketty eine allgemeine Klasse von Modellen für optimale Vermögens- und Erbschaftssteuern. Die Analyse in dieser Studie zeigt, dass Vermögens- und Erbschaftssteuern umso höher sein sollten, (i) je ungleicher die zu besteuernden Vermögen und Erbschaften verteilt sind, und (ii) je weniger Erbschaften und Ersparnisse auf Steuererhöhungen reagieren. Die Daten des HFCS zeigen, dass potentiell zu besteuernde Vermögen und Erbschaften extrem ungleich verteilt sind – fast die Hälfte des Bruttovermögens ist bei den reichsten 5% der Haushalte konzentriert!
Was die Reaktion von Erbschaften auf Erbschaftsteuern betrifft, so sagen die besten verfügbaren Schätzungen, dass Erbschaften mit jeder Erhöhung der Steuern um 1% um etwa 0,1% bis 0,2% zurückgehen würden – weit entfernt von der unendlich starken Reaktion, die dem ersten der beiden Argumente gegen Erbschaftssteuern zugrunde liegt. Und selbst bei wesentlich stärkeren Reaktionen wären noch immer sehr hohe Erbschaftssteuern zu rechtfertigen. Unter realistischen Annahmen wären, gemäß den Berechnungen in der zitierten Arbeit von Piketty und Saez, progressive und hohe Erbschaftssteuern mit Freibeträgen für kleinere Erbschaften und Grenzsteuersätzen von 60% für größere Erbschaften wünschenswert.
Chancenungleichheit, und die Unmöglichkeit nicht umzuverteilen
Soweit zu den technischen Argumenten für Vermögens und Erbschaftssteuern. Aber wir sollten auch einen Schritt zurücktreten, und den größeren Kontext der Frage betrachten. Fast alle politischen Maßnahmen bringen GewinnerInnen und VerliererInnen mit sich, d.h. sie verteilen um. Eine Aufgabe ökonomischer Forschung wäre es, klar zu machen, wer die GewinnerInnen und VerliererInnen sind – und wir alle müssen uns entscheiden, wessen Interessen wir unterstützenswert finden. Die Interessen vermögender Haushalte (und die entsprechenden Positionen ihrer Interessensvertretungen) sind zu unterscheiden von einem „volkswirtschaftlichen Nettovorteil“ insgesamt. Eine Vielzahl an Studien belegt, dass unsere Lebenschancen bei unserer Geburt schon zu einem großen Teil feststehen. Faktoren wie die Bildung unserer Eltern, das Umfeld an unserem Wohnort, unsere MitschülerInnen, die Arbeitsmarktlage, Diskriminierung, die wir möglicherweise aufgrund unseres Geschlechts oder unserer Herkunft oder anderer Faktoren erfahren, und natürlich die finanziellen Ressourcen unserer Eltern spielen alle eine große Rolle. Wir sind weit vom Ideal der Chancengleichheit entfernt. Eine Politik, die diesem Ideal verpflichtet ist, muss kompensierend eingreifen. Das heißt insbesondere, von den Vermögenden zu den Haushalten mit wenig Vermögen umzuverteilen.
Wo stehe ich in der Verteilung?
Die Seite www.binichreich.at versucht einen Beitrag zu einer informierten Debatte über die Vermögensverteilung und Vermögenssteuern zu leisten. Die Seite gibt Antwort auf folgende Fragen:
- Wie ungleich sind Vermögen in Österreich verteilt?
- Wo stehen Sie in der Vermögensverteilung? Wie würden sich verschiedene Varianten einer Vermögenssteuer auf Sie auswirken?
- Wie würden sich verschiedene Varianten einer Vermögenssteuer auf andere Menschen auswirken, wie auf den Staatshaushalt, und wie auf die Verteilung von Reichtum?
Diese Informationen helfen hoffentlich, Bewusstsein zu schaffen für die Eigentumsverhältnisse und Interessensgegensätze die den Debatten um eine Vermögenssteuer zugrunde liegen. Auf der Seite finden sich weiters ein kurzer Überblick zum Stand akademischer Debatten über optimale Steuern, und eine kurze Beschreibung der HFCS Daten zur Vermögensverteilung.