Bundesmittel für die energetische Sanierung von Wohngebäuden bleiben ungenutzt liegen. Nun erhöhen die zuständigen Minister die Förderintensität.
Das ist verteilungspolitisch und budgetpolitisch falsch.
Die Energienutzung für die Beheizung von Wohnräumen ist – abhängig davon, wie streng der Winter ist – für etwa 17-19 Prozent des österreichischen Energieverbrauchs (Nutzenergieanalyse der Statistik Austria) und unmittelbar für etwa 10 % der energiebezogenen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Daher wurden in den letzten Jahren die Anforderungen an die thermische Qualität im Neubau immer strenger. Im Gegensatz zu Neubauten ist die thermische Qualität des Gebäudebestandes jedoch schlecht, vor allem bei Häusern, die zwischen 1950 und 1980 errichtet wurden. Die Wärme dieser Wohnungen geht durch undichte Fenster und dünne Wände rasch verloren – die Heizkosten sind entsprechend hoch.
Deshalb ist die energetische Sanierung bestehender Wohngebäude wichtig, wenn der Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen gesenkt werden sollen. Dabei werden Fenster erneuert, die Wände mit Dämmstoffen isoliert oder das Heizsystem generalüberholt. Als politisches Ziel findet sich die „Steigerung der Sanierungsrate“ daher seit Langem in den politischen Strategien (Klimastrategie 2002, Klimastrategie 2007), aber an der faktischen Situation hat sich nicht viel geändert – jedes Jahr werden etwa 1 Prozent der Wohngebäude energetisch saniert. Das ist zu wenig, um die ambitionierten Ziele der Klima- und Energiepolitik bis zum Jahr 2020 zu erreichen.
Für die thermische Sanierung gibt es im Rahmen der Wohnbauförderung (WBF) Förderungen der Länder. Da diese Gelder nicht bewirken, dass die Sanierungsrate steigt, hat der Bund in den Jahren 2009 und dann 2011 und 2012 jeweils 70 Millionen Euro zusätzlich an Fördermitteln zur Verfügung gestellt. In den meisten Bundesländern kann für das gleiche Sanierungsprojekt zusätzlich noch eine Förderung aus WBF-Mitteln beantragt werden.
Die Bundesmittel fließen aufgrund der Formulierung der derzeitigen Richtlinien primär in den Ein- und Zweifamilienhaus-Bereich, nur zu einem geringen Anteil in den mehrgeschoßigen Wohnbau. Wenn sie doch für mehrgeschoßige Wohnbauten verwendet wurden, gehen sie zum überwiegenden Teil in Häuser mit Wohnungseigentum. Über 40 Prozent der Wohnungen in Österreich sind aber Mietwohnungen, doch ihr Anteil an den Förderfällen aus dem Sanierungsscheck war 2012 nicht einmal 4 Prozent. Aus verteilungspolitischen Gründen ist der Bereich der Mietwohnungen aber der wichtigste, da dort der höchste Anteil an einkommenschwachen Haushalten lebt. Würden die Förderungsmittel vermehrt diesem Bereich zufließen, wäre der Effekt für die österreichische Volkswirtschaft höher. Gleichzeitig wäre es ein Impuls für leistbares Wohnen und zur Bekämpfung der Energiearmut.
Die AK hat sich daher seit Langem für eine wirksame Förderung der thermischen Sanierung von mehrgeschoßigen Wohnbauten, vor allem von Mietshäusern, eingesetzt. Doch diese Forderung verhallt, da die beiden zuständigen Minister, der Wirtschaftsminister und der Landwirtschaftsminister (von manchen auch Umweltminister oder gar Lebensminister genannt), darauf bestehen, dass die Mieter die Fördernehmer sein müssen. Es ist nur ein scheinbares Paradoxon, dass eine Förderung der Vermieter für die Mieter der sinnvollere Weg wäre. Denn nur in letzterem Fall könnte die Bundes-Förderung im Rahmen eines Mietzinserhöhungsverfahrens nach § 18 Mietrechtsgesetz (MRG) oder nach § 14(2) WGG (Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz) berücksichtigt werden.
Von den für 2012 vorgesehenen 70 Millionen Euro an Bundesförderung für thermische Sanierungsvorhaben wurden nur 53 Millionen Euro vergeben. Ein Viertel der Gelder wurde also nicht abgerufen. Dies ist wohl unter anderem darauf zurückzuführen, dass viele besonders kostengünstige Sanierungen im Ein- und Zweifamilienhausbereich mittlerweile durchgeführt wurden und 2012 nicht mehr genug „billige“ Projekte übrig waren (die sogenannten „low hanging fruits“, Früchte, die leicht zu ernten sind).
Schon im November 2010 hat der Marktforscher Andreas Kreutzer im „Standard“ die Vermutung geäußert, dass die Mitnahmeeffekte bei dieser Förderung sehr hoch sind. Es kommt einem Selbstbetrug gleich, wenn der Fördergeber behauptet, mit dem Sanierungsscheck tatsächlich Investitionen auszulösen. Vielmehr hat der derzeitige Sanierungsscheck den Charakter einer Transferleistung zu Gunsten oberer Einkommensschichten.
Daher hat die AK schon Ende 2011 versucht, aus verteilungspolitischen Überlegungen die Förderung vermehrt dem mehrgeschoßigen Wohnbau, vor allem dem Bereich der Mietwohnungen, zukommen zu lassen. Dies ist vor einem Jahr nur unzureichend gelungen. Dabei muss freilich berücksichtigt werden, dass die Kosteneffizienz in diesem Fall geringer sein wird als bei Förderung im Bereich von Ein- und Zweifamilienhäusern, da die thermischen Qualität der mehrgeschoßigen Gebäude wegen des geringeren Oberflächen/Volumens-Verhältnisses schon von Haus aus bedeutend besser ist und weitere Verbesserungen daher kostspieliger sind als bei Ein- und Zweifamilienhäusern.
Seitens der zwei Ministerien besteht dabei jedoch die Befürchtung, dass vor allem Gemeinden als Förderungsnehmer für Gemeindebauten die vorhandenen Mittel zu schnell abrufen, so dass für Private nicht viel übrig bleibt. Dies mag zutreffen, scheint aber aus verteilungspolitischer Perspektive unproblematisch. Die Befürchtungen der Ressorts könnten durch eine Quote oder sogar einen Ausschluss der Förderung von Gebietskörperschaften ausgeräumt werden.
Die AK sprach sich um 2005 gegen die damals lancierte Umwidmung von Mitteln der Wohnbauförderung (WBF-Mittel) vom Neubau zur Sanierung aus, sondern erhob vehement die Forderung, dass neben den WBF-Mitteln der Länder der Bund zusätzliche Mittel für die thermische Sanierung zur Verfügung stellen soll. Sie tat dies aus der Befürchtung heraus, dass sonst die Neubautätigkeit zurückgehen könnte und in der Folge die Wohnkosten ansteigen würden. Durch die Aufhebung der Zweckbindung der WBF-Mittel ist dieser Bereich jedoch sehr intransparent geworden. Es kann nicht mehr klar nachvollzogen werden, ob die Bundesmittel die Ländermittel ergänzen oder ob sie sie nicht eher ersetzen.
Eine der wesentlichen Forderungen in diesem Bereich ist daher die Wiedereinführung der Zweckbindung der WBF-Mittel, damit das erfolgreiche österreichische Modell der Wohnbauförderung fortgesetzt werden kann, das die Kosten des Wohnens für alle Menschen in einem sozial verträglichen Maß hält.
Es ist zu überlegen, ob nicht die derzeit vom Bund vergebenen Mittel besser den Ländern gegeben werden, mit dem Auftrag, zusätzliche energetische Sanierungen auszulösen. Denn die Länder erzielen bei ihren Programmen bessere verteilungspolitische Effekte als der Bund mit dem Sanierungsscheck. Freilich kann diese Aufstockung der Wohnbauförderungsmittel für die Länder nur erfolgen, wenn die gesamten Wohnbauförderungsmittel wieder für Wohnbau zweckgewidmet werden. Anderenfalls käme es nur zu einem „crowding-out“, einem Verdrängen der Mittel „ohne Mascherl“ durch die „mit Mascherl“.