Wer in den letzten Jahren versucht hat eine Tageszeitung aufzuschlagen ohne dabei auf das Wort Krise zu stoßen, musste vermutlich lange suchen. Spätestens seit 2008, als Lehman Brothers, vormals eine der weltweit größten Investmentbanken, Konkurs anmelden musste, ist die Wirtschafts- und Finanzkrise zu einem journalistisch relevanten Thema avanciert.
Die mediale Rezeption der Krise ist dabei mehr als das bloße zur Verfügung stellen von Informationen über aktuelle ökonomische Vorgänge. Während Großereignisse, wie Bankenpleiten, medial ausgeschlachtet wurden, erhielten langfristige gesellschaftliche Entwicklungen, wie die zunehmende Liberalisierung der Finanzmärkte vergleichsweise wenig Raum. Nichtsdestotrotz berichten Medien nicht einfach über Fakten oder Ereignisse, sondern betten diese in erzählerische Zusammenhänge ein und vermitteln damit immer auch eine bestimmte Perspektive auf das Geschehene. Den LeserInnen werden somit Interpretationen einer möglichen Wirklichkeit unterbreitet. Dies ist gerade bei einem abstrakten Thema wie der Wirtschafts- und Finanzkrise von essentieller Bedeutung, da komplexe ökonomische Zusammenhänge für ein Laienpublikum aufbereitet werden.
Wer darf zur Krise sprechen?
Die mediale Öffentlichkeit ist heute zentral für das Führen gesellschaftlicher Debatten. Dabei tragen Medien nicht nur wesentlich dazu bei, welche Themen überhaupt diskutiert werden, sondern auch von wem. Die Auswahl wer in der medialen Debatte zu einem bestimmten Thema sprechen kann wird innerhalb der Medienindustrie gerne mit der obligatorischen „objektiven Haltung“ gerechtfertigt. De facto führt die mediale Objektivität jedoch dazu, dass Diskussionen immer wieder in dieselben Bahnen gelenkt werden, da meist ähnliche, bereits etablierte AkteurInnen (beider Seiten) befragt werden. Damit können Medien die Grenzen öffentlicher Debatten abstecken. Für die Diskussion über die Finanzkrise zeigt eine Untersuchung der Zeitung The Economist, dass über die Hälfte der abgedruckten Aussagen von Personen stammen, die beruflich in direkter Verbindung zu Finanzmärkten stehen. Dabei handelt es sich vorwiegend um AnlegerInnen beziehungsweise ExponentInnen von Investmentfonds oder Banken. Folglich dominieren in den medialen Kommentaren zur Finanzkrise jene Personen, die wirtschaftliche Eigeninteressen im Krisenzentrum der Finanzmärkte vertreten. Im Gegensatz hierzu können etwa nur knapp über 13 Prozent der zitierten Personen dem Bereich der Wissenschaft zugeordnet werden.