Sturm im Wasserglas - Die Vermögen in Zypern und Deutschland

13. April 2013

Sind die Deutschen und ÖsterreicherInnen tatsächlich ärmer als die ZypriotInnen und MalteserInnen? Die ersten vergleichbaren Daten über privates Haushaltsvermögen in 15 Ländern der Eurozone von der EZB führten zu diesem Schluss in der medialen und politischen Debatte. Die jeweiligen Durchschnittsvermögen sind 195.000 und 265.000€, sowie 671.000 und 366.000€.

 

Es gibt zwei mögliche Erklärungen für diese Unterschiede: entweder sind die Daten aus methodologischen Gründen nicht vergleichbar, oder es gibt ökonomische Gründe für die Differenz.

Falsche Zahlen?

Nun finden sich durchaus Argumente, warum die deutschen und die zypriotischen Zahlen trotz der akribischen Vereinheitlichung der Erhebungsmethoden durch die EZB nicht genau das Gleiche messen. So verwendete etwa Zypern eine andere Erhebungsmethode (“paper-and-pencil interview”) als die anderen Länder, die computergestützte persönliche Interviews mit automatischen Cross-checks durchführten.

Allerdings ist dieser  Unterschied in den Niederlanden und insbesondere Finnland (pdf, S.24) noch viel gravierender: erstere führten überhaupt nur Webinterviews durch, zweitere nur Telefoninterviews. Der persönliche Kontakt beim Interview macht aber für die Datenqualität viel aus. Gewissenhafte WissenschaftlerInnen werden in vergleichenden Analysen die Daten dieser drei Länder wohl eher nicht einbeziehen.

Zudem ist die Methodik auch in Deutschland verbesserungswürdig: von allen Ländern hat Deutschland die niedrigste Antwortrate.

Viel gewichtiger: inhaltliche Gründe

Einen gewissen Effekt hat die Anzahl der Personen, die im Haushalt wohnen: Größere Haushalte haben oft ein höheres Vermögen. So haben Haushalte mit 5 oder mehr Personen in Zypern und Malta von allen Ländern den höchsten Anteil, während Deutschland und Österreich den höchsten Anteil von 1-Personen Haushalten haben.

Zudem machen Immobilien einen großen Anteil am Haushaltsvermögen aus. Deren Bewertung zu Marktpreisen von 2010 hat natürlich Auswirkungen auf das Gesamtvermögen. Die EZB  (pdf, S.70) berechnete daher das Vermögen auch zu Hauspreisen für das Jahr 2002. Das Vermögen des mittleren Haushalts in Zypern fällt dann hinter Belgien und Italien zurück, und liegt beinahe gleichauf mit Spanien.

Das Finanzvermögen hingegen macht einen weniger großen Teil des Haushaltsvermögens aus. Beim privaten Pensionsvermögen liegen Deutschland und Zypern sehr nahe beisammen, sowohl in Bezug auf den Anteil der Haushalte, die Privatpensionen besitzen, als auch auf deren mittlere Höhe.

Schließlich ist das Gefälle zwischen Ost- und Westdeutschland bei Vermögen enorm. Während Westdeutschland Österreich stark ähnelt, hat Ostdeutschland das niedrigste Durchschnittsvermögen aller untersuchten Länder (pdf, S.6). Ostdeutschland liegt damit hinter Slowenien und der Slowakei, unter anderem weil es eine niedrige Besitzrate des Hauptwohnsitzes hat. Das hat wohl historische Gründe, aber es gibt auch ökonomische Gründe, wie einen hohen Anteil von NiedriglohnbezieherInnen (39%, pdf), und eine hohe Arbeitslosenrate (13%) und minimale Vermögensgrenzen für Hartz-IV Arbeitslosengeld, die es wert sind, untersucht zu werden.

Wirkliche Frage: Vermögensverteilung

Es gibt also gute  Erklärungen für die unterschiedliche Höhe des Privatvermögens von zypriotischen und deutschen Haushalten. Mit einem etwas detaillierteren Blick in die publizierten ersten Ergebnisse der EZB sollte diese politisch angeheizte Diskussion daher beendet werden. Und die Wissenschaft kann sich den eigentlich spannenden Fragen aus diesem einmaligen Datensatz widmen: Wie sieht die Verteilung von Vermögen im europäischen Vergleich aus?