In den vergangenen Jahren rückte der Zusammenhang zwischen Einkommensverteilung und makroökonomischer Instabilität zunehmend in den Fokus der Forschung. In einem aktuellen Literaturüberblick werden ausgewählte Kanäle diskutiert: Steigende Einkommensungleichheit kann zur Entstehung außenwirtschaftlicher Ungleichgewichte beitragen, wenn in einzelnen Ländern die Schwächung der Massenkaufkraft entweder vermehrt eine kreditfinanzierte private Haushaltsnachfrage nach Konsum und Wohnungsbauinvestitionen (USA, Vereinigtes Königreich) oder eine Binnennachfrageschwäche mit steigenden Exportüberschüssen (China, Deutschland, Japan) zur Folge hat. Zudem weisen neuere empirische Studien darauf hin, dass steigende Einkommensungleichheit einen negativen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum haben kann.
Einkommensungleichheit, Haushaltsverschuldung und die Finanzkrise
Viele ÖkonomInnen sind der Auffassung, dass im starken Anstieg der Einkommensungleichheit in den USA eine längerfristige strukturelle Ursache der Finanz- und Wirtschaftskrise zu sehen ist. Diese These lässt sich wie folgt zusammenfassen: Seit Beginn der 1980er Jahre ist die Lohn- und Einkommensungleichheit in den USA stark gestiegen. Während Haushalte am oberen Ende der Einkommensverteilung in den vergangenen Jahrzehnten deutliche Einkommenszuwächse erzielen konnten, sah sich die US-amerikanische Mittelschicht mit stagnierenden Gehältern bei einer zunehmenden Arbeitsplatzunsicherheit konfrontiert.
Die Einkommensgruppen unterhalb der SpitzenverdienerInnen konnten ihre relativen Kaufkraftverluste jedoch teilweise durch längere Arbeitszeiten, geringere Ersparnis und höhere Verschuldung kompensieren. Die Ausweitung der privaten Kreditvergabe bzw. die gezielte Förderung von Immobilienkrediten insbesondere für einkommensschwache Haushalte wurde durch deregulierte und innovative Finanzmärkte sowie eine expansive Zinspolitik erleichtert.
Dies hatte zwar vorübergehend eine Steigerung des privaten Konsums sowie der Wohnungsbauinvestitionen zur Folge und trug auch zur Entstehung neuer Arbeitsplätze bei. Die gelockerte Kreditvergabe führte jedoch zu einem Anstieg der Immobilienpreise sowie falschen Anreizen im Finanzsektor und hat die Gefahr einer privaten Schuldenkrise somit maßgeblich erhöht.
Eine ganz ähnliche Entwicklung lässt sich für das Vereinigte Königreich und einige andere Länder aus dem angelsächsischen Raum feststellen, die vor Beginn der Finanzkrise ebenfalls eine wachsende Ungleichheit und einen starken Anstieg der privaten Verschuldung verzeichneten. Der kreditfinanzierte private Nachfrageboom führte in diesen Ländern zu erheblichen Leistungsbilanzdefiziten, die zunächst zwar problemlos über die internationalen Kapitalmärkte finanziert werden konnten, dann aber mit zur globalen Finanzkrise ab 2007 beitrugen.
Makroökonomische Ungleichgewichte durch Anstieg der Ungleichheit