Nicht zur Zahlen zählen: Worte spielen durch die damit transportierten Stimmungen und Erwartungen auch an den Finanzmärkten eine bedeutende Rolle. Das zeigt die Risiko-Sentimentanalyse von Geschäftsberichten großer europäischer Banken, die im Rahmen einer Masterarbeit durchgeführt wurde. Solche Analysen könnten einen wichtigen Beitrag leisten, um die Stabilität des gesamten europäischen Bankensektors zu untersuchen.
Ein Beispiel für das Gewicht von Worten an den Finanzmärkten: 2012 sicherte der EZB-Präsident Mario Draghi in einer Rede zu, die Zentralbank werde “alles Erforderliche tun, um den Euro zu erhalten”. Allein diese Ankündigung beruhigte die Märkte inmitten der Krise, ohne dass vorerst Taten gesetzt werden mussten. Auch innerhalb von Geschäftsbanken müssen die Formulierungen des Vorstands sorgfältig gewählt werden. CEOs prägen durch den von ihnen vorgegebenen “tone from the top” die Unternehmenskultur und beeinflussen damit auch die Risikofreudigkeit der von ihnen geführten Banken. Studien zeigen, dass die Wortwahl in Vorstandsbriefen von Banken-Geschäftsberichten ein guter Stimmungsindikator für die Finanzmärkte ist.
Die Bedeutung von Worten in der Finanzbranche
Im November 2014 übernahm die Europäische Zentralbank (EZB) im Rahmen des Single Supervisory Mechanism (SSM) die Aufsicht über die größten Banken der Eurozone. Mit diesem Schritt soll die “Sicherheit und Solidität der Kreditinstitute” gewährleistet werden. Mit einer Vielzahl von Methoden versuchen die EZB und die nationalen Aufsichtsbehörden, Risiken im Bankensektor frühzeitig zu erkennen. Unter anderem stützt man sich dabei auf quantitative Risikoindikatoren und Umfragen. Neben diesen Daten wird aber auch eine Vielzahl an Textdokumenten veröffentlicht, die mittels der sogenannten Sentimentanalyse computergestützt ausgewertet werden können. Im Rahmen der Masterarbeit “Risk Sentiment Analysis in Banking Supervision” wurden über 500 Dokumente ausgewertet, welche die größten Banken in der Eurozone zwischen 2002 und 2014 publizierten. In der Sentimentanalyse wird der Grad der Unsicherheit, Negativität und Positivität für jedes Dokument mit Hilfe eines finanzspezifischen Lexikons ermittelt. Abbildung 1 zeigt einen Ausschnitt aus dem Geschäftsbericht der belgischen KBC Group, sowie die Erfassung von positiven (grün), unsicheren (gelb) und negativen (rot) Begriffen.
Abbildung 1: Beispiel für die Erfassung von positiven (grün), unsicheren (gelb) und negativen (rot) Begriffen