Sozialstaatlich bedingte Vermögensungleichheit?

23. Dezember 2014

Vermögen sind in Österreich enorm konzentriert. Die  obersten 5% besitzen mehr als die Hälfte der Nettovermögen. Diese Ungleichheit kann nicht durch unterschiedliche Leistungen erklärt werden. GegnerInnen vermögensbezogener Steuern führen  ins Treffen, dass an der Vermögenslosigkeit großer Teile der Bevölkerung der Sozialstaat schuld sei. Was hat es damit auf sich?

 

Ein Beispiel dafür lieferte Presse-Wirtschaftsjournalist Josef Urschitz. An der hohen Vermögensungleichheit in Österreich sei nicht der Neoliberalismus, sondern die „rote Politik“ schuld: Zum einen bewirke das Angebot an sozialem Wohnbau, dass Wohneigentum wenig verbreitet sei. Zum anderen habe das ausgebaute Soziale Netz – insbesondere die öffentliche Altersvorsorge – zur Folge, dass die Haushalte weniger Vorsorgesparen notwendig haben als in anderen Staaten. Dies bewirke, dass das private Nettovermögen der meisten Haushalte in Österreich geringer sei als in anderen Staaten. Außerdem sei die große Anzahl besonders reicher Haushalte durch das unter einem SPÖ-Finanzminister Mitte der 1990er Jahre eingeführte attraktive Stiftungsrecht bedingt, das bewirkt habe, dass Millionäre nach Österreich gelockt wurden. Ist die hohe Vermögensungleichheit in Österreich also auf diese Sondereffekte zurückzuführen? Ist die österreichische Vermögenskonzentration nicht eine Tendenzen, die – wie Piketty zeigte – in den meisten kapitalistischen Staaten zu finden sei, sondern das Ergebnis sozialstaatlicher Absicherung?

Wohnformen wichtig für internationale Unterschiede, aber nicht für Vermögenskonzentration

Nun, wenn dem so wäre, müsste man das anhand der Vermögensstatistiken der EZB im europäischen Vergleich erkennen. In Bezug auf das Medianvermögen ist der Befund richtig. Dieses beträgt in Österreich 76.400 EUR und liegt damit markant unter dem Median des EURO Gebiets von 109.200 EUR. Das ist auf die weite Verbreitung von Mietwohnungen in Österreich zurückzuführen, die bewirkt, dass der Haushalt, der genau in der Mitte der Vermögenshierarchie (Median) steht, im Gegensatz zu anderen Ländern kein Wohneigentum besitzt. Die Vermögen der Medianhaushalte sind in vielen Ländern daher höher. Nur 3 von 15 untersuchten Staaten hatten ein geringeres Medianvermögen (Deutschland, Slowakei und Portugal).

Josef Urschitz schreibt dazu: „Ein spanischer Haushalt hat über zwei Jahrzehnte (wenn der Kredit abbezahlt ist) Vermögen angehäuft. Ein österreichischer Haushalt hat mit seiner Miete das Vermögen des Hausherrn vermehrt.“ Genau das liegt aber nicht an „roter Politik“. Denn diese fördert nicht private Hausherren, sondern sozialen Wohnbau. Die im Eigentum von Gemeinden und Genossenschaften stehenden Mietwohnungen werden in der Vermögenerhebung der privaten Haushalte aber nicht als Vermögenswerte aufgenommen, weil sie weder den BewohnerInnen gehören noch reichen Hausherren.

Die Verbreitung von Mietwohnungen führt aber interessanterweise nicht dazu, dass das durchschnittliche Vermögen je Haushalt in Österreich geringer ist als im EU-Schnitt. Während das Durchschnittsvermögen hierzulande 265.000 EUR beträgt, liegt der Schnitt der Eurozone hingegen nur bei 230.000 EUR. Die geringere Verbreitung von Wohneigentum und das soziale Netz bewirken zwar, dass der Haushalt in der Mitte der Vermögensverteilung ein geringeres Vermögen hat als in anderen Staaten, aber es wird nicht bewirkt, dass es insgesamt weniger Vermögen gibt. Im Gegenteil: die Privatvermögen sind trotzdem höher als in anderen Ländern! Das belegt auf eine besonders hohe Vermögenskonzentration.

Auch Stiftungen erklären die hohe Vermögenskonzentration nicht alleine

Nun argumentiert Urschitz, dass die hohen Vermögen an der Spitze auf die Millionäre und ihre Stiftungen zurückzuführen sind. Das ist wohl allgemein richtig, nicht aber in Bezug auf die Vermögensverteilung, wie sie aus der OeNB/EZB Studie angegeben wird. Gemäß dieser HFCS (Household Finance and Consumption Survey)- Erhebung haben die obersten 5% der Haushalte 47% des privaten Nettovermögens. Da in dieser auf Haushaltsbefragungen basierenden Erhebung die obersten Vermögensbestände nicht erfasst werden konnten (weil sie nicht bei den befragten Haushalten waren), kommen die Multimillionäre und Milliardäre und ihre Stiftungen gar nicht vor.

Die Vermögenskonzentration wird damit unterschätzt. Forscher der Johann Kepler Universität Linz haben versucht, die Effekte der Nichterfassung der Spitzenvermögen zu korrigieren und schätzt die wirklichen Vermögen der obersten 5% auf 57% des Gesamtvermögens.

In dem Presseartikel wird auch die Argumentation bemüht, dass in den Vermögensdaten die Pensionsvermögen ausgeklammert werden, die die ÖsterreicherInnen gegenüber der Pensionsversicherung haben. Wollen „die Roten“ Vermögen besteuern, so müsse sich das auch auf Pensionsvermögen beziehen. Aber: Pensionsansprüche gegenüber der Sozialversicherung sind kein Vermögen, über das der/die Einzelne frei verfügen, das er/sie veräußern oder vererben kann. Und im Gegensatz zu Vermögen werden Pensionen der Steuerprogression unterworfen und entsprechend der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert.

Gewerkschaftliche Reichenvertreibung?

Nach einem Gastkommentar, in der ich die oben formulierten Einwände brachte, antwortete Urschitz, dass das SPÖ/ÖGB-Konzept die ‚dümmste Form der „Gerechtigkeit“‘ brächte, da damit ein Rausekeln der Stiftungen zu Stande käme. In Folge wäre dann zwar die Ungleichheit in Österreich geringer, aber es gäbe von den geflohenen Milliardären in Österreich auch keine Steuereinnahmen mehr. Diese Besteuerung würde daher wegen Steuerflucht zu einem geringeren Steueraufkommen führen.

Was aber ÖGB und AK wollen, ist keineswegs eine prohibitiv hohe Besteuerung der Vermögen, die dazu führt, dass die Vermögenden das Land verlassen, sondern die Beendigung einer internationalen Ausnahmesituation, die sich dadurch auszeichnet, dass die vermögensbezogenen Steuern lediglich 1,3% des Steueraufkommens ausmachen, während sie im OECD Schnitt 5,5% betragen. Österreich zählt zu den wenigen Ländern, die weder eine Vermögens- noch eine Erbschafts- und Schenkungssteuer einheben und liegt damit in Bezug auf die vermögensbezogenen Steuern bei den Schlusslichtern.

Zwischen der Status Quo-Situation einer Fast-Nichtbesteuerung von Vermögen, Erbschaften und Schenkungen und einer begünstigten Besteuerung von Vermögenszuwächsen mit 25% und einer vermögenssteuerinduzierten Vertreibung der Reichen bestünde noch ein Spielraum von vielen Milliarden. Und der Steuerflucht sind Grenzen gesetzt: Immobilien können das Land nicht verlassen, andere Staaten heben höhere vermögensbezogene Steuern ein, in manchen Fällen würde die Wegzugsbesteuerung oder die Besteuerung von Ausschüttungen aus Stiftungen fällig. Es wird aber wohl auch Reiche geben, die eine international übliche Besteuerung akzeptieren würden.