Die Smart City gilt derzeit als innovatives Stadtkonzept. Viele Städte wollen smart werden. Doch reicht dieser Ansatz aus um soziale, ökologische und ökonomische Herausforderungen der Zukunft zu meistern?
Städte im Wachstum
Der Begriff Smart City taucht meist im Zusammenhang mit wachsenden Städten und deren Zukunftsfähigkeit auf. Bis 2050 sollen bis zu 70% der Menschen in Städten leben, schon jetzt sind es bereits die Hälfte. Schätzungen zufolge verbrauchen sie zwischen 60 und 80% der weltweit produzierten Energie und emittieren 75% der Treibhausgase.
Auch Wien steht hier vor großen Aufgaben. 2013 lebten 1.748.757 Menschen in der Bundeshauptstadt. Laut Bevölkerungsprognose der Statistik Austria wird Wien 2030 die Zweimillionen-Marke überschreiten. Die anwachsende Bevölkerung, der daraus resultierende steigende Bedarf und der zunehmende Ressourcenverbrauch stellen massive Herausforderungen für Politik, Stadtplanung und Verwaltung dar.
In den letzten Jahren scheinen städtische Verwaltungs- und Politikebenen verstärkt auf Smart-City- Konzepte zu setzen. So sind Kopenhagen, Amsterdam, Wien und seit kurzem auch Berlin vermeintliche Smart Cities. Die Ansätze und Strategien, die verfolgt werden, sind unterschiedlich, doch der Grundtenor lautet: Um zukunftsfähig zu sein, müssen Städte smarte Konzepte entwickeln. Zu den Eckpfeilern gehören meist Energie- und Ressourceneffizienz, moderne Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), intelligente Vernetzung, Mobilität und Governance.
Smart City Wien – innovativ und vernetzt ist automatisch nachhaltig?
Auch die Stadt Wien investiert in eine eigene PR-Kampagne um ihre Smartheit zu zeigen. Auf der Smart City Wien Homepage versteht man unter einer Smart City intelligente und innovative Lösungen für den verantwortungsvollen und nachhaltigen Umgang mit Ressourcen. Den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts muss mit einer übergreifenden Strategie und mit intelligenten Technologien begegnet werden. Die Stadt soll dabei kontinuierlich modernisiert werden, der Energieverbrauch und die Emissionen sollen signifikant sinken, ohne dabei auf Lebensqualität, Komfort oder Mobilität verzichten zu müssen. Man scheint hier mit einer Nachhaltigkeitspolitik ohne Ecken und Kanten konfrontiert, die in erster Linie Technik und Vernetzung propagiert.
Doch Nachhaltigkeit strebt nach langfristigem Ausgleich von ökologischen, ökonomischen und sozialen Bedürfnissen und verlangt nach Good Governance. In den letzten Jahrzehnten der Nachhaltigkeitsbestrebungen ist klar geworden, dass reine Effizienzbemühungen und ausschließlich technische Lösungen scheitern. Deutlich wird das zum Beispiel am Treibstoffverbrauch. So werden Motoren effizienter, fahren auch mit Agrarsprit, Strom oder Wasserstoff – doch gleichzeitig werden die Autos schwerer und legen immer weitere Strecken zurück. Auch führt die Erzeugung des alternativen Kraftstoffs oft zu schlimmeren ökologischen und sozialen Folgen, als das fossile Original. Der Agrarspritboom verursachte deutlich höhere Lebensmittelpreise und führte in ärmeren Weltregionen zu sozialen Spannungen und Hunger. Hier braucht es Ansätze die viel weiter gehen und tatsächlich zu weniger Verbrauch beitragen. Etwa durch Schaffung eines Systems, das weniger Mobilität verlangt und diese auch im Umweltverbund einsetzt. Suffizienzansätze reichen viel weiter als Effizienzgedanken, sie verlangen tiefgehenden Systemveränderungen und sind politisch oft weit schwieriger durchzusetzen. Aber diese Zeiten sind offenbar vorbei, im Rahmen von Smart-City-Konzepten scheint die Problemlösung meist recht einfach. Ohne tiefgreifende Veränderungen gelingt mit technischen Innovationen und intelligenter Vernetzung alles was das nachhaltige Herz begehrt.
Milliarden Markt Stadtentwicklung
Neben Verwaltung und Politik haben auch große Unternehmen reges Interesse an Smart Cities, denn die Entwicklung neuer Verfahren und sogenannter Leuchtturmprojekte wird auf nationalstaatlicher und EU-Ebene gefördert. Kurzum, hinter dem Begriff Smart City verbergen sich auch milliardenschwere Märkte. Unternehmen im Technologiesektor haben mitunter ein gewinnorientiertes Interesse an der Mitgestaltung von Smart Cities.
In diesem Kontext arbeiten städtische Verwaltungs- und Politikebenen eng und manchmal, so scheint es, auch unkritisch mit großen Unternehmen zusammen. Hier ergeben sich mehrere kritische Entwicklungen. Einerseits fallen städtische Infrastrukturen vermehrt in die Hände privater Firmen, die auch gegen die Interessen der Bevölkerung handeln können. Zweitens sind Datensicherheit und der Schutz der Privatsphäre nicht geklärt. Die wachsende Menge an Daten und deren Vernetzung braucht verantwortungsvolle Konzepte für den Umgang. Hier stellt sich die Frage, ob man bedenkenlos Daten in die Hände von privaten Unternehmen übergeben kann.
Soziales Wien statt smartes urban lab
Es gibt einen auffallend neuen Punkt bei Smart-City-Konzepten: die Nutzung der neuesten Informations- und Kommunikationstechnologie. Damit scheint die Hoffnung verbunden, ohne große Eingriffe „die Welt ein bisschen smarter zu machen“ (IBM). Dieser Hoffnung stehen aber auch gewaltige Risiken gegenüber – man muss gut aufpassen, dass in der smarten Stadt nicht „Big Brother“ der wahre Bürgermeister wird. Auch ist es eine Illusion einfach mit Technik das Richtige, weil effizientere zu machen. Das wirkt so, als ob es in der Politik um richtig oder falsch ginge. Politik ist aber sehr oft Verteilung und Entscheidung über knappe Ressourcen – wie etwa den öffentlichen Raum. Da gibt es kein für alle gültiges Richtig oder Falsch und mit Sicherheit auch keine App dazu.
Die Stadt Wien kann in vielen Bereichen etwas vorweisen, sie gehört weltweit zu den Städten mit der höchsten Lebensqualität. Das Fundament für die heutige Situation wurde in jahrzehntelanger Arbeit gelegt. Während in anderen Städten Straßenbahnen für überholt erklärt wurden, hat Wien die Netze weiter ausgebaut und auf den öffentlichen Verkehr gesetzt. Auch hat Wien über Jahrzehnte konsequent, altmodisch und analog in den sozialen Wohnbau investiert und es damit geschafft, leistbaren Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten zur Verfügung zu stellen – weder smart noch vernetzt, aber extrem gut für Lebensqualität und den sozialen Ausgleich.
Smarte Pläne vernachlässigen oft Fragen, die vielfältiges Zusammenleben, Integration, unterschiedliche Generationenbedürfnisse und zunehmende Ungleichheit betreffen. Soziale Entwicklungen und der Umgang damit müssen einen zentralen Platz in zukunftsfähigen Stadtentwicklungskonzepten einnehmen. Neben Unternehmen sollten auch BewohnerInnen, ArbeitnehmerInnen, NGOs und Vereine in Planungen und Diskurse integriert werden.
Wachsende Städte stellen weit mehr Anforderungen, als die bloße Entwicklung neuer Technologien und Informations- und Kommunikationssysteme. So muss etwa ausreichend leistbarer Wohnraum vorhanden sein und die Verkehrsinfrastruktur adaptiert werden. Auch Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen müssen sich auf höheren Bedarf einstellen. Es müssen genügend Arbeitsplätze geschaffen werden und nicht zuletzt muss überlegt werden, wie gerechtes Zusammenleben und die Verteilung von Ressourcen organisiert werden kann. Hier gilt es ganz altmodisch die sozialen Fragen in den Vordergrund zu rücken und ganz unsmart auch Verteilungsdiskussionen zu führen.
Dieser Beitrag ist in Langfassung in AK Stadt „Smart Cities: Nicht immer ganz schlau“ erschienen.