Die vor kurzem veröffentlichte Studie „Displaced Persons in Austria Survey (DiPAS) “ des Wittgenstein Centres in Wien belegt: Das Humankapital jener Geflüchteter, die im Herbst 2015 nach Österreich kamen, ist hoch. Doch wie erklärt es sich, dass viele Flüchtlinge in punkto Bildung und Arbeitserfahrung wesentlich besser abschneiden als die Gesamtbevölkerung ihres Heimatlandes? Ist diesen Angaben, die auf reinen Selbstauskünften basieren, überhaupt zu trauen? Und was bedeutet das für österreichische Integrationsbemühungen?
Je höher gebildet, desto mobiler Knapp ein Jahr nach der viel zitierten „Flüchtlingswelle“ des Jahres 2015 sorgte eine in der amerikanischen Online-Fachzeitschrift PLOS ONE veröffentlichte Studie für viel Medienecho: Bei einer Befragung unter mehr als 500 syrischen, irakischen und afghanischen Geflüchteten, die im Spätsommer und Herbst 2015 in Österreich um Asyl ansuchten, zeigte sich, dass diese im Schnitt wesentlich besser ausgebildet sind als ihre Landsmänner und -frauen in der Heimat. Fast die Hälfte der Befragten aus Syrien und dem Irak hat eine Sekundarbildung erhalten. Jeweils mehr als ein Viertel gab an, mindestens einen post-sekundären Abschluss (also Matura oder einen höheren Abschluss) zu besitzen. Laut Studie spiegelt sich das solide Bildungsniveau in Arbeitsmarkterfahrung und bisheriger Erwerbstätigkeit der Befragten wider. AMS-Vorstand Johannes Kopf betont selbiges immer wieder in Interviews und verweist auf die Kompetenzchecks , welche zu einem ähnlichen Ergebnis kamen.
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Die jeweils linke Säule bezieht sich auf die Bildung im Ursprungsland, die entsprechende rechte Säule auf die Bildung der Geflüchteten, die im Zuge von DiPAS befragt wurden. Die Migrationsforschung ist in der Tat voll von empirisch belegten Beispielen, dass Migration überall auf der Welt hoch selektiv stattfindet: Wer höher gebildet ist und somit über mehr sozioökonomische Ressourcen verfügt, ist mobiler. Dass dieser Effekt nicht nur auf reguläre Arbeitsmigration, sondern auch auf Fluchtbewegungen zutrifft, wurde mit der Studie des Wittgenstein Centres erstmals für die Ankünfte des Jahres 2015 nachgewiesen. In der Zwischenzeit sind ähnliche Ergebnisse für Deutschland präsentiert worden. Eine Befragung des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) unter mehr als 2.300 geflüchteten Erwachsenen zeigt, dass die unerwartet hohen Bildungslevels mit positiven Einstellungen zu vermeintlich westlichen Werten wie Demokratie und Frauenrechten einhergehen.
Ist den Selbstauskünften von Geflüchteten zu trauen? Während sich die Forschung in punkto positiver Selbstselektion von MigratInnen also einig ist, werden solche Ergebnisse gerne medial angezweifelt, da sie auf reinen Selbstauskünften der Befragten fußen. Interessanterweise basiert aber auch die Bildungsstatistik der österreichischen Bevölkerung auf Befragungen, wenn keine Registerdaten über Schul- bzw. Studienabschlüsse zur Verfügung stehen. Dazu zählen vor allem all jene Abschlüsse, die mehr als 15 Jahre zurück liegen (vgl. Bildungsstandregister , basierend auf der Volkszählung 2001). Die Annahme, Geflüchtete hätten mehr Grund, bei einer anonymisierten, rein wissenschaftlichen Zwecken dienenden Befragung die Unwahrheit zu sagen, ist klar zurückzuweisen.
Bei näherer Betrachtung der Ergebnisse zeigt sich zudem, dass die gemachten Angaben durchwegs konsistent und somit vertrauenswürdig sind. Da es sich bei den Befragten vor allem um junge Männer und Frauen handelt (68% der Befragten sind unter 35 Jahren), kann davon ausgegangen werden, dass diese Generation bereits von den positiven Entwicklungen des Schulsystems im Heimatland vor Ausbruch der Krise profitiert hat. 75% der Befragten gaben zudem an, mehr als US$ 2.000 pro Person für ihre Flucht nach Österreich bezahlt zu haben, was aufgrund von Inflation und fallenden Wechselkursen dem Vielfachen eines Jahreseinkommens entspricht und auf einen hohen sozioökonomischen Stand schließen lässt.
Höhere Bildung führt zu einer steileren Lernkurve Für Integrationsbemühungen in Österreich lässt sich aus der empirischen Forschung ein zentraler Schluss ziehen: Je höher ein Mensch gebildet ist, desto einfacher lernt er Neues dazu. Dazu zählt der Erwerb einer neuen Sprache genauso wie berufliche Aus- und Weiterbildung. Die Offenheit für neue Erfahrungen und Fertigkeiten sowie die Bereitschaft, sich diese anzueignen, steigen ebenfalls mit dem Bildungsgrad. Während Sozialerhebungen nichts über die tatsächliche Qualität der abgeschlossenen Ausbildung aussagen können (hier gibt es z.B. Hinweise auf teilweise signifikante Abweichungen zwischen dem österreichischen und dem syrischen Bildungssystem ), lassen die Studienergebnisse schnelle und nachhaltige Lernerfolge erwarten, die durch entsprechende Integrationsangebote gefördert werden können.
Integration muss so früh und punktgenau wie möglich ansetzen Gerade höher qualifizierte Jobs bedürfen auch eines entsprechend hohen Sprachniveaus: Während man als Reinigungskraft mit rudimentären Deutschkenntnissen relativ rasch am Arbeitsmarkt eingesetzt werden kann, tun sich ein Anwalt oder eine Ärztin wohl merklich schwerer. Ein wesentlicher Eckpunkt sinnvoller Integrationsmaßnahmen ist somit ein flächendeckendes Angebot an Deutschkursen – im Falle von syrischen und irakischen Geflüchteten, welchen mit hoher Wahrscheinlichkeit Asyl gewährt wird, idealerweise bereits in der Antragsphase.
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Bisherige Arbeitserfahrung der Befragten nach Geschlecht und Art der Beschäftigung. Nicht zuletzt sind Integrationsmaßnahmen umso erfolgsversprechender, je punktgenauer sie bei den vorhandenen Erfahrungen und Neigungen der Geflüchteten ansetzen: 57 % der Befragten gaben an, früher selbstständig tätig gewesen zu sein. Die Tatsache, dass der Unternehmergeist unter EinwanderInnen stärker ausgeprägt ist als unter Einheimischen, ist gut erforscht und sollte durch entsprechende arbeitsmarktpolitische Maßnahmen verwertet werden. Das kürzlich gestartete Gründungsprogramm Step2Business des AMS setzt einen ersten Schritt in diese Richtung, auch wenn wohl viel Aufklärungsarbeit über Unternehmensgründung in Österreich erforderlich sein wird, welche bürokratischer abläuft als in den Heimatländern der Geflüchteten. Ebenso muss darauf geachtet werden, dass Asylberechtigte nicht in eine (oft prekäre) Solo-Selbstständigkeit gedrängt werden.
In Sachen Nostrifikation, Anerkennung von Abschlüssen, und Einhaltung der Gewerbeordnung sind pragmatische Lösungen gefordert, damit die vergleichbar hohen Qualifikationslevels der Befragten auch tatsächlich Einsatz finden.
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