In Folge des bewaffneten Konflikts zwischen Russland und der Ukraine, der zu einer Abspaltung der Krim und einer Annexion durch Russland führte, hat die EU wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland verhängt. Russland reagierte mit Handelsbeschränkungen. Die WKO warnt vor den wirtschaftlichen Folgen und fordert ein Krisenpaket für die Wirtschaft. Doch wie hart treffen die verhängten Maßnahmen die Österreichische Wirtschaft? Und inwiefern hängt die schwache konjunkturelle Entwicklung überhaupt mit dem Konflikt zusammen?
Sanktionen und Gegensanktionen
Seit Frühjahr 2014 hat die Europäische Union schrittweise Sanktionen gegen Russland verhängt. Diese beschränkten sich zunächst auf individuellen Einreiseverboten und dem Einfrieren konkreter Vermögenswerte sowie diverse Kapitalmarktbeschränkungen. Zuletzt wurden die Sanktionen weiter ausgeweitet. Es gelten nun Exportverbote für Rüstungsgüter, sowie von Gütern, die sowohl für zivile als auch militärische Zwecke verwendet werden können (Dual-Use-Güter). Ebenfalls betroffen sind bestimmte Ausrüstungsgegenstände und Dienstleistungen für den Ölsektor. Russland hat im Gegenzug Importbeschränkungen für bestimmte Lebensmittel beschlossen, das betroffene Exportvolumen wird mit 5,1 Mrd Euro für die gesamte europäische Union beziffert. Entsprechende substantielle landwirtschaftliche Hilfsprogramme von Seiten der EU wurden noch im August auf Schiene gebracht. Die politische Diskussion dreht sich innerösterreichisch derzeit vor allem um die Abfederung der Exportausfälle, doch hier sind die konkreten Zahlen bisher nicht alarmierend.
Vor dem Hintergrund der allgemeinen Wachstumsschwäche sind Wirtschaftssanktionen gegen einen so mächtigen Partner natürlich nicht ohne Auswirkungen auf die europäische Konjunktur. Zum einen aufgrund der direkten Handelseffekte, aber mittelfristig auch aufgrund von Vertrauensverlusten in die Stabilität dieser Ökonomien. Bei einer Diskussion um allfällige Maßnahmen gegen den Exportausfall der heimischen Wirtschaft – wie sie am 10. September 2014 im Rahmen eines Regierungsgipfels mit den Sozialpartnern diskutiert wurden – gilt es aber, dem Russland-Konflikt und seiner ökonomischen Bedeutung das richtige Gewicht zu geben.
Wie treffen die Sanktionen die heimischen Unternehmen?
Daher zu den Fakten: Die österreichischen Warenexporte beliefen sich im Jahr 2013 auf rund 125 Mrd. €. Auf Russland entfielen rund 3,5 Mrd. € und somit 2,8% der Gesamtexporte. Demgegenüber standen Warenimporte aus Russland von rund 3,2 Mrd. €. Das waren 2,4% der gesamten österreichischen Importe (davon 66,4% Erdgas und 20,6% Erdöl). Die von den Sanktionen betroffenen Güter stellen nur einen kleinen Teil des Gesamtvolumens dar, in den Medien war von bis zu 160 Firmen die Rede, die direkt betroffen sein könnten. Aufgrund des konkreten Exportverbots für Neuverträge für Rüstungsgüter und Ölfördertechnologie geht es in Österreich nach diesen Medienberichten um 125 Mio. Euro, die wir 2013 nach Russland exportiert haben. Und auch das worst-case-scenario des WIFO, das beim Sozialpartnergipfel vorgestellt wurde, geht bei einem Exportrückgang von 20% von einem volkswirtschaftlichen Schaden von 775 Mio Euro aus. Das bedeutet, dass die direkten Handelseffekte der Sanktionen sicherlich Wachstum kosten werden – allerdings wird dieser Rückgang des BIP erst in der zweiten Nachkommastelle sichtbar sein.
Wenn wir in Europa wirtschaftliche Prioritäten setzten wollen, dann sind diese jedenfalls in der konjunkturellen Entwicklung zu suchen. Gerade hat die OECD ihre Wachstumsprognose für den Euroraum deutlich von 1,2 Prozent auf 0,8 Prozent für 2014 nach unten revidiert, für 2015 von 1,7 auf 1,1 Prozent zurückgenommen.
Widermal in Gefahr: Die Finanzwirtschaft
Nicht unterschätzt werden darf die Bedeutung der Sanktionen im Finanzbereich. Österreichische Kreditinstitute haben sich traditionell in Osteuropa besonders stark engagiert und halten gerade in Russland und der Ukraine ein hohes Exposure. Als die österreichischen Banken in diese Märkte expandierten, wurde das positiv gesehen, denn es handelte sich um wachsende Märkte. Erst heute sieht man auch die Kehrseite: Das Bruttoinlandsprodukt der Ukraine wird heuer um mehr als 5% schrumpfen, Russland wächst dieses Jahr nicht mehr. Eine Lehre – nicht nur dieser Krise – ist sicherlich, dass der Umfang des Auslandsengagements der österreichischen Banken in Relation zum heimischen Bruttoinlandsprodukt erhebliche gesamtwirtschaftliche Risiken mit sich bringt. Auch hier sind die Daten nicht leicht zu bekommen, allerdings hat die Presse vergangene Woche für das Gesamtexposure Österreichsicher Banken in Russland die Zahl von 36 Milliarden Euro genannt. Auf ein ähnlich hohes Exposure kommen die französischen Banken.
Bedeutung der Russlandkrise für die Konjunktur
Neben diesen Entwicklungen, die genau beobachten werden muss sollte das Augenmerk aber auf der gesamtwirtschaftlichen Krise in Europa liegen. Die Stagnation der europäischen Wirtschaft, immerhin für uns der Haupthandelspartner, kostet uns Arbeitsplätze und Zukunftschancen. 80% der in der EU erzeugten Güter und Dienstleistungen wieder im Binnenmarkt der EU verbraucht. Die wichtigste Ursache für die lahme Konjunktur liegt also nicht im Export, sondern in der Binnennachfrage der Europäischen Union. Konsum und Investitionen wurden zunächst 2008/2009 durch die Finanzkrise und ihre schwerwiegenden Folgen, und dann ab 2010 durch die Austeritätspolitik der EU systematisch nach unten gedrückt. Derzeit schwächt sich die Konjunktur im Euroraum, aber auch in Österreich neuerlich ab. Das BIP wird damit im Euroraum heuer das Niveau von 2007 real um etwa 2% unterschreiten, in Österreich nur um knapp 5% übertreffen.
Es fehlt an Nachfrage & Investitionen
Daher ist es in Europa dringend notwendig, zentrale Gegenmaßnahmen zur aktuellen Wachstumsschwäche zu initiieren. Sei es durch öffentliche Investitionsprogramme auf europäischer Ebene, wie zB. das von Jean Claude Juncker geplante 300 Milliarden Investitionsprogramm für Infrastruktur und Beschäftigung. Die wichtige wirtschaftliche Rolle der öffentlichen Investitionen soll nicht an apodiktischen Interpretationen der EU-Fiskalregeln scheitern, diese müssen so ausgelegt werden, dass sie die Kreditfinanzierung öffentlicher Investitionen ermöglichen (golden rule). Eine solche „golden rule“ würde kurzfristig zu Kosten führen, sich längerfristig aber auszahlen. Dies würde auch öffentliche Investitionen im Inland ermöglichen, die späteren Generationen zu Gute kommen, wie der öffentliche Wohnbau, Bildung aber auch soziale Dienstleistungen. Und ganz generell muss die heimische Kaufkraft gestärkt werden – eine Lohnsteuersenkung, die tatsächlich zu mehr Konsum und daher auch zu mehr Beschäftigung führt, könnte dabei einen wichtigen Beitrag liefern.