Durch die hohen Vermögensrenditen wachsen Vermögen schneller als die Wirtschaftsleistung eines Landes. Einige Jahrzehnte im 20. Jahrhundert stellten zwar eine historische Ausnahme dar, jetzt wachsen die Vermögen jedoch wieder schneller als die Wirtschaft.
Piketty zeigt klar, dass bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs die Vermögensrendite nach Steuern höher war als das Wirtschaftswachstum (g). Vermögen wuchsen also schneller als die Wirtschaftsleistung eines Landes. Aufgrund der starken Konzentration des Vermögensbestandes führte dies zu einer sich immer weiter zuspitzenden Ungleichverteilung innerhalb von Gesellschaften. Lediglich längere Phasen im 20. Jahrhundert stellten eine historische Ausnahme dar. Die Vermögensrendite lag über Jahrzehnte hinweg unter der Wachstumsrate des Nationaleinkommens (r<g). Die sozialen und ökonomischen Katastrophen der beiden Weltkriege und die Turbulenzen der Zwischenkriegsjahre führten zu einer massiven Zerstörung von Kapital. Das veränderte politische Klima der Nachkriegsjahre und das starke Wirtschaftswachstum ermöglichten zudem eine höhere Besteuerung von Vermögenswerten. Dadurch wurde breiteren Bevölkerungsschichten der soziale Aufstieg mittels Arbeitseinkommen ermöglicht.
Vermögensrenditen nehmen wieder zu
Seit den 1980er Jahren hat sich die Situation entscheidend verändert: die Vermögensrenditen nehmen wieder kontinuierlich zu, während die Wirtschaft und damit die Nationaleinkommen nur langsam wachsen oder gar stagnieren. In diesem Zusammenhang verweist Piketty auf einen sich selbstverstärkenden Prozess: große Vermögen generieren höhere Renditen als kleinere Vermögen. BesitzerInnen großer Vermögen sind also in der Lage, ihr Vermögen schneller wachsen zu lassen, als es bei kleinen Vermögensbeständen, etwa einer Sparbucheinlage, der Fall ist. Hinzu kommt, dass Vermögende höhere Sparquoten haben, da ein geringerer Teil ihres Einkommens in den Konsum fließt. Beide Effekte führen dazu, dass große Vermögen schneller wachsen als kleine. Angesicht des niedrigen Wirtschaftswachstums, mit dem wir zu Beginn des 21. Jahrhunderts konfrontiert sind, wird es – werden politische Interventionen unterlassen – zu einer Explosion der Ungleichheit kommen.