Was sind Pikettys Ableitungen aus den von ihm festgestellten zunehmenden gesellschaftlichen Ungleichheiten? Im letzten Teil unserer Serie zu “Pikettys Thesen – kurz und bündig” stellen wir diese vor: Wenn die steigende Ungleichheit nicht durch politische Maßnahmen eingedämmt wird, werden sich soziale Unruhen häufen und demokratische Strukturen ausgehöhlt. Um das weitere Aufgehen der Schere zwischen Arm und Reich zu bremsen, ist eine progressive Besteuerung von Vermögen und Einkommen unerlässlich.
Piketty bezeichnet den Rentier als „Feind der Demokratie“ und macht damit deutlich, dass eine extreme Vermögenskonzentration demokratische Gesellschaftsstrukturen untergräbt. Diese Gefahr ergibt sich aus dem fundamentalen Widerspruch zwischen der Logik der Vermögensakkumulation und dem Gerechtigkeitsverständnis in unserer Gesellschaft. Moderne Gerechtigkeitsvorstellungen fordern gleiche Lebenschancen für alle Menschen anstatt eines schiefen Spielfelds von Geburt an.
Ungleichheit zerstört Chancen
Piketty zeigt, dass der entfesselte Kapitalismus durch die wachsende Ungleichheit von Vermögen und Einkommen auch die Hoffnung auf Chancengleichheit untergräbt. Mit der ökonomischen Ungleichheit geht auch eine ungleiche Verteilung von Machtverhältnissen, gesellschaftlichen Partizipationsmöglichkeiten und demokratischen Mitspracherechten einher. Diese langfristige Entwicklung droht zu vermehrten sozialen Unruhen und einem substantiellen Legitimationsverlust moderner Demokratien zu führen.
Steuern sind wie Piketty beeindruckend darlegt, nicht nur ein Mittel zur Generierung
von Einnahmen, um öff entliche Güter und Dienstleistungen zu finanzieren. Steuern sind auch zur Absicherung des demokratischen Systems notwendig und stärken soziale Integrationsprozesse. Um das weitere Aufgehen der Schere zwischen Arm und Reich zu verhindern, ist die Steuerpolitik eines der zentralen wirtschaftspolitischen Handlungsfelder. Die progressive Besteuerung von großen Vermögen und hohen Einkommen ist unerlässlich, denn nur so kann der steigenden Konzentration von Einkommen und Vermögen in den Händen weniger sowie der systemimmanenten Umverteilung von niedrigen und mittleren Einkommen hin zu den TopverdiennerInnen ein Riegel vorgeschoben werden.
Instrumente gegen die Ungleichheit
Bezüglich der Einkommen schlägt Piketty sogar Spitzensteuersätze in der Höhe von etwa 80 % auf Top-Einkommen ab 500.000 Euro vor. Weitere Instrumente, mit denen das Auseinanderdriften der Einkommen gebremst werden kann, sind laut Piketty „gewagt hohe“ Mindestlöhne, eine Stärkung der Gewerkschaften sowie ein reguliertes Finanzsystem.
BesitzerInnen von sehr hohen Vermögen sind steuerlich leistungsfähiger, denn sie verwenden nur einen geringen Anteil ihres Vermögens und Einkommens für ihren Konsum und können eine höhere Steuerlast tragen. Darüber hinaus kommen sie ohnehin in den Genuss einer Reihe anderer gesellschaftlicher Vorteile. Bezüglich Vermögen schlägt Piketty daher eine Substanzbesteuerung, also eine jährlich zu zahlende Steuer auf Vermögensbesitz vor. Trotz der immensen Vermögen der Reichsten würden durch die niedrigen Steuersätze die Piketty vorschlägt, deren Lebensgewohnheiten nicht beeinträchtigt werden. Eine Substanzsteuer würde aber die zunehmende Tendenz zur Ungleichverteilung von Vermögen eindämmen und darüber hinaus den Spielraum für öffentliche Investitionen erhöhen, die einem Großteil der Bevölkerung zugute kommen.
Einer solchen Vermögenssteuer steht aber laut Piketty das Bankgeheimnis in einzelnen Staaten im Weg. Auch die internationale Zusammenarbeit bezüglich des Austausches von Informationen über die Vermögens- und Verschuldungssituation von Personen und Unternehmen müsste verstärkt werden. Vermögende Haushalte verschieben ihren Besitz gerne auf Konten in Steueroasen. Für eine umfassende Eindämmung der Vermögenskonzentration müssten daher auch die teilweise legalen Möglichkeiten der Steuervermeidung abgeschafft werden.
Die gesammelten Thesen finden Sie in der Broschüre “Pikettys Thesen: Kurz und bündig”