ÖGB-Druck kann niemand ignorieren

20. Mai 2015

„Der ÖGB wird eine Zukunft haben, die Frage ist nur, welche“, hat Politologe Emmerich Tálos dem ÖGB zu dessen 70. Jubiläum ausgerichtet. Eine gute und erfolgreiche, kann man voraussagen, wenn man zwei aktuelle Zahlen heranzieht.  1.198.071 Mitglieder hatte der ÖGB 2014, um nur 578 Mitglieder oder 0,05 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Das ist der geringste Mitgliederverlust seit 1990.


Die zweite Zahl: Mehr als 882.000 Menschen haben für „Lohnsteuer runter!“ unterschrieben und die Regierung damit zu einer Entlastung um fünf Milliarden Euro bewegt. Das zeigt klar: Die Gewerkschaftsbewegung ist jederzeit in der Lage zu mobilisieren. Mit einer breit aufgestellten Kampagne haben wir den dringenden Bedarf der ArbeiterInnen, Angestellten, BeamtInnen und PensionistInnen zum Thema gemacht. BetriebsrätInnen, PersonalvertreterInnen und JugendvertrauensrätInnen waren wochenlang Tag für Tag auf den Beinen und haben mehr als 882.000 Unterschriften gesammelt, um für „Lohnsteuer runter!“ Druck zu machen.

Konkretes Entlastungsmodell

Wir stellen aber keine aus der Luft gegriffenen Forderungen in den Raum. Die SteuerexpertInnen in Arbeiterkammern und Gewerkschaften haben ein konkretes Entlastungsmodell ausgearbeitet und berechnet. Große Teile davon finden sich in dem Modell wieder, das die Bundesregierung schließlich beschlossen hat – und das, obwohl es aus der Politik immer geheißen hat, so eine große Entlastung wäre unrealistisch, unmöglich und unbezahlbar. Den Druck des ÖGB und der Hunderttausenden Menschen, die dahinterstehen, konnte aber schließlich niemand ignorieren.

Nächste Herausforderungen für den ÖGB

Auf diesem Erfolg werden wir uns nicht ausruhen. Wir haben beim Thema Lohnsteuer gezeigt, dass wir die Interessen der ArbeitnehmerInnen kanalisieren und zur Umsetzung bringen können – und das werden wir weiterhin tun. Die Macht der Gewerkschaftsbewegung sind die Mitglieder, und wir werden diese Macht erneut einsetzen. Mit der Steuerreform wird die Arbeit entlastet – aber da geht noch mehr. Warum also nicht als Nächstes für gerechte Millionärssteuern oder eine Wertschöpfungsabgabe mobilisieren? Die Wertschöpfungsabgabe macht Arbeit billiger, ohne dem Sozialstaat Geld zu entziehen: Lohnnebenkosten-Senkung ohne Sozialabbau. Sie würde dafür sorgen, dass Betriebe, die viele Menschen beschäftigen, entlastet werden und endlich auch kapitalintensive Wirtschaftsbereiche, die mit wenigen Beschäftigten hohe Gewinne machen, einen gerechten Anteil am Sozialstaat finanzieren. Noch wehrt sich die Wirtschaft, wehren sich Teile der Politik dagegen. Aber was, wenn wir auch für die Wertschöpfungsabgabe so breit mobilisieren wie für die Lohnsteuer-Entlastung? Wenn die ArbeitnehmerInnen auch dafür zu Hunderttausenden unterschreiben, wird die Politik auch diese Forderung nicht ignorieren können.
Das Gleiche gilt für eine gerechtere Verteilung der vorhandenen Arbeit. Wegen des technischen Fortschritts steigt die Produktivität, die Arbeit wird weniger. In Österreich ist die Arbeitslosigkeit so hoch wie seit Jahrzehnten nicht. Wenn jede und jeder Einzelne kürzer arbeitet, haben insgesamt mehr Menschen Arbeit. Es gibt viele Wege, um das zu erreichen: Die Wochenarbeitszeit verkürzen, weniger Überstunden zulassen, den ArbeitnehmerInnen mehr Urlaub geben …

Machtverhältnisse ändern

Man mag das Populismus nennen. Wir sagen dazu Interessenvertretung. Und als Gewerkschaftsbewegung vertreten wir eben die Interessen sehr vieler Menschen. Und die müssen auch künftig mehr Gewicht haben als die Einzelinteressen einiger weniger Unternehmer und Spekulanten, die sich teure Lobbyisten und Institute und Zeitungen kaufen, um uns glauben zu machen, dass ihr Reichtum gut für die gesamte Gesellschaft sei.

Dieser Beitrag stammt aus Arbeit&Wirtschaft, die in ihrer Mai-Ausgabe die Steuerreform unter die Lupe nimmt.
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