Die Träger des Nobelpreis 2016 Oliver Hart und Bengt Holmström sind zwei Namen, die sich zumindest ÖkonomInnen merken sollten. Vom Problem der ManagerInnen, die die EigentümerInnen abzocken, über die Frage, wer die Gewinne bekommen soll, bis zur Erklärung, warum es keineswegs immer gut ist, Prämien für gemessene Erfolge zu vergeben, haben ihre Erkenntnisse einen breiten praktischen Anwendungsbereich. Hier gibt’s nur eine paar Appetithappen – für das Große Menü kann die Seite der Nobelpreis-Stiftung empfohlen werden.
Der Nobelpreis 2016 bestätigt Joseph Stiglitz, der feststellte, dass sich seit Ende der sechziger Jahre alle spannenden ökonomischen Arbeiten mit der Frage befassen, was passiert, wenn die sehr engen Voraussetzungen der Neoklassischen Wohlfahrtsgesetze nicht erfüllt sind.
Vertragstheorie stellt die Frage, wie man vernünftig kooperieren, kann wenn nicht alle allwissend sind, Verträge nicht kostenlos auszuhandeln sind und das überwachen der Einhaltung teuer, schwierig oder unmöglich ist.
Diese Probleme sind keineswegs nur Gegenstand ökonomischer, sondern auch soziologischer, rechtswissenschaftlicher oder politologischer Forschungen, dennoch kann die Ökonomie hier einen sinnvollen Beitrag zum großen Wissensschatz der Sozialwissenschaften leisten. Interessant sind die Beiträge der Ökonomie, weil sie zeigen, dass sich selbst unter den simplen Annahmen rein egozentrischer nutzenmaximierender Individuen eine ganze Reihe ökonomischer und organisatorischer Phänomene erklären lassen.
Glück oder Leistung – die Entlohnung der ManagerInnen
Eines der spannenden Ergebnisse ist die Antwort auf die Frage: „Was sollen FirmeneigentümerInnen tun, wenn sie wollen, dass sich die von ihnen beschäftigten ManagerInnen richtig anstrengen, um sie reich zu machen?“ Das Problem dabei ist einerseits, dass sich der nutzenmaximierende Manager nicht gerne anstrengt, wenn er nichts davon hat und andererseits, dass man – sobald Verträge nicht mehr vollkommen sind – auch nicht einfach in den Vertrag schreiben kann „seid fleißig“. Dh man kann es reinschreiben, aber nicht garantieren, dass es eingehalten wird.
Die naheliegende Lösung ist daher man zahlt dem Manager eine Prämie, wenn er besonders viel Profit bringt. Allerdings hat man dabei immer noch das Problem, dass ja nicht ganz klar ist, ob der hohe Profit etwas mit der Leistung des Managers zu tun hat. Vielleicht war es einfach nur ein gutes Jahr und der Profit wäre noch höher gewesen, wenn der Manager nicht so viel Unsinn gemacht hätte. Holmström zeigt in seiner Forschung, dass es in diesen Fällen klug ist zusätzliche Informationen heranzuziehen, sofern diese eine Einschätzung der tatsächlichen Leistung erlauben – in unserem Fall etwa die Profite anderer Firmen derselben Branche.
Neben den theoretischen Ergebnissen dieser Arbeiten sind aber vor allem die Ergebnisse der empirischen Überprüfung interessant. So konnte in den Untersuchungen etwa gezeigt werden, dass tatsächlich ManagerInnen in Firmen mit vielen kleinen AktionärInnen häufiger für gute äußere Umstände belohnt werden, während dominante AktionärInnen häufiger darauf bestehen die ManagerInnen ihrer Unternehmen für Erfolge im Vergleich zu anderen Firmen der Branche zu entlohnen – also wirklich nur für Leistung, nicht für Glück zu bezahlen.
Was gemessen wird, wird gemacht – das Multi Tasking Problem
In einer weiteren Arbeit ist Bengt Holmström auf einen Aspekt eingegangen der sich in erfrischender Weise mit alltäglicher Organisationserfahrung deckt und gerade heutzutage für viele Debatten zu „leistungsgerechter“ Entlohnung wichtig ist. Die Frage wie setzt man vernünftige Anreize, wenn ein Beruf verschiedene Tätigkeiten umfasst.
Als Beispiel möge eine Lehrerin dienen, von der einerseits erwartet wird ihre SchülerInnen optimal auf die Zentralmatura vorzubereiten, aber andererseits auch den jungen Menschen eine breite Allgemeinbildung zu vermitteln, die in diesen Tests nicht geprüft wird und sich auch nicht prüfen lässt. Bezahlt man nun auch nur einen Teil der Gehälter abhängig von den Resultaten der Zentralmatura, so wird eine rational nutzenmaximierende Lehrerin nur mehr „teaching to Test“ betreiben, denn für eine gute Allgemeinbildung ihrer SchülerInnen wird sie nicht gesondert bezahlt.
Das Ergebnis der Arbeit ist also, dass aus rein ökonomischen Überlegungen, es in so einem Fall besser ist, gar keine leistungsabhängige Entlohnung zu versuchen. Weil diese, angesichts des Problems wichtigen Aspekte der Tätigkeit entsprechend zu berücksichtigen, eine ineffiziente Verzerrung ergäben. Allen wirtschaftlich denkenden Menschen, die in der bildungspolitischen Debatte Autonomie und Leistungsanreize für SchuldirektorInnen fordern, mögen diese Erkenntnis eines Ökonomie-Nobelpreis-Trägers einen Anstoß zum Nachdenken geben.
Crowdinvesting – wer ist der Chef?
Oliver Hart zeigte, dass die Gestaltung der Eigentumsrechte ein wesentliches Instrument sein kann, um Anreize auch bei unvollkommenen Verträgen richtig zu setzen. Anstatt dem Leiter eines Restaurants einen Vertrag mit Prämien anzubieten, kann es dort besser sein, ihm gleich das ganze Geschäft zu überlassen und fixe Zinsen zu verlangen.
Gerade im Zuge des jetzt so hippen Crowdinvestings, stellt sich die Frage, die von Hart bereits 1989 und nochmal 1998 behandelt wurde: „Wie muss ein Vertrag aussehen, wenn man verhindern will, dass der Startup Gründer ohne ernstes Bemühen einfach Geld verbrennt?“ Unter den Rahmenbedingungen, dass man eben keine vollkommenen Verträge schließen kann, stellt sich eine Vertragsform als optimal heraus, die sehr ähnlich aussieht, wie das was tatsächlich von Venture Capital InvestorInnen gemacht wird. Nämlich, solange die Firma läuft, sollte der Gründer fixe Zahlungen an die Investoren leisten und sobald er in Verzug gerät, kann der Investor die Firma übernehmen. Da es bei vielen kleinen CrowdinvestorInnen kaum einen gibt, der bereit ist die Kontrolle im Versagensfall zu übernehmen, darf man durchaus eine gewisse Skepsis haben, ob dieses Modell funktionieren wird und die richtigen Anreize setzt.
Die Liste spannender Themen ließe sich noch lange fortsetzen, so zeigte Hart 2003 auf warum es nicht überraschend ist, dass bei privatisierten öffentlichen Dienstleistungen oft Kosten zu Lasten der Qualität gespart werden. Holmström wiederum zeigt, warum Firmen ihren Beschäftigten nicht nur Stundenlöhne sondern ganze Karrierepfade versprechen.
Nobelpreis und der Wert neoklassischer Ökonomie
Die Arbeiten von Hart und Holmström zeigen jedenfalls zweierlei: Erstens, selbst mit weitgehend neoklassischer Ökonomie kann einiges an Problemen der echten Welt analysiert werden. Man muss allerdings bereit sein zu akzeptieren, dass unter Realweltbedingungen unbeschränkte Märkte nicht von selbst zum allgemeinen Wohl führen. Zweitens zeigen sie, wie wenig Vieles von dem, was in der Ökonomie in den letzten Jahren spannend war, Niederschlag in der politischen Debatte fand.
Vielleicht ist der Nobelpreis 2016 ein Ansatz, diese traurige Wissenschaft wieder mehr ins Licht zu führen.