9.211. Das ist die Anzahl von Terminen, die alleine die EU-KommissarInnen, ihre Kabinette und GeneraldirektorInnen der Kommission seit Dezember 2014 mit LobbyistInnen wahrgenommen haben. Rund drei Viertel der Gespräche fanden mit VertreterInnen von Unternehmen oder Unternehmensverbänden statt. Nicht erfasst sind die vermutlich zehntausenden weiteren Gespräche, die LobbyistInnen mit den EU-KommissionsbeamtInnen der nachgelagerten Hierarchieebenen geführt haben. Somit wird die ganze Dimension des Lobbying in Brüssel erst nach und nach ersichtlich. Erst auf massivem Druck von ArbeitnehmerInnenvertretungen und der Zivilgesellschaft war die Kommission bereit, bei den Kontakten zu LobbyistInnen endlich mit offenen Karten zu spielen. Nun hat die Kommission Bereitschaft signalisiert, ein verbindliches Lobbyregister einzuführen.
Derzeit führt die Europäische Kommission eine Konsultation zur Einführung eines verbindlichen EU-Lobbyregisters durch. In dieser wird nicht nur die Frage aufgeworfen, ob ein verpflichtendes Reglement eingeführt werden soll, sondern auch wie das bestehende System der Lobbykontrolle verbessert werden kann. Noch für Ende dieses Jahres hat die Europäische Kommission einen neuen Vorschlag in Aussicht gestellt. Wie weitreichend die Reformen gehen, hängt auch maßgeblich von den Antworten aus dem Konsultationsprozess ab. Daher ist es wichtig, dass sich möglichst viele Stimmen in die Konsultation einbringen und Druck auf die europäischen EntscheidungsträgerInnen ausüben, die Dominanz des Einflusses der Unternehmen beim Lobbying in der EU zu beenden. Eine Teilnahme an der Konsultation ist noch bis 1. Juni 2016 möglich. Die Arbeiterkammer hat bereits einen Konsultationsbeitrag eingebracht, der für Interessierte abrufbar ist und auch als Vorlage verwendet werden kann.
Verpflichtendes Register – Die Chancen stehen gut
Das Europäische Parlament spricht sich schon seit Jahren für ein verpflichtendes Register aus, in der jüngeren Vergangenheit scheint auch die Europäische Kommission ihre Opposition bei dem Thema aufgegeben zu haben. Auch die VertreterInnen professioneller LobbyistInnen wie die European Public Affairs Consultancies Association (EPACA) und die Society of European Affairs Professionals (SEAP), treten (mittlerweile) für ein verpflichtendes Register ein. Sogar die Anwaltskanzleien, die sich seit Einführung des Transparenzregisters unter Verweis auf den Schutz ihr MandantInnen oftmals vehement gegen die Eintragung ins Register gewehrt haben, lenken nun ein: So forderte etwa jüngst im Rahmen einer öffentliche Debatte im EU-Parlament der Vertreter des Council of Bars and Law Societies of Europe ein verpflichtendes Register. Die Chancen, dass ein verpflichtendes Lobbyregister eingeführt wird, stehen damit so gut wie nie zuvor.
Bei Treffen mit der Kommission dominieren VertreterInnen der Unternehmen
Die Frage „verpflichtend oder freiwillig“ greift jedoch nicht weit genug. Die Dominanz des Lobbying von Unternehmen zeigt etwa eine aktuelle Auswertung von Transparency International zu den Treffen der Kommission mit LobbyistInnen. 75% der Treffen der Kommission fanden mit VertreterInnen der Unternehmensseite statt. Auch die Auswertung für Österreich (siehe Tabelle) zeigt: In der Liste der Top-10 jener Einrichtungen mit den meisten Terminen auf hoher Kommissionsebene dominieren große österreichische Unternehmen und ihre Vertretungen. Die derzeitigen Offenlegungspflichten greifen jedoch zu kurz, da nur die höchste Ebene der Kommission (KommissarInnen, deren Kabinette sowie GeneraldirektorInnen) erfasst sind. Dadurch sind etwa Lobbying-Termine mit dem TTIP-Verhandlungsteam der Kommission nicht von der Offenlegung erfasst. Wichtig wäre es daher, tatsächlich alle Termine von Kommissionsangestellten mit LobbyistInnen offen zu legen.