In einer alternden Gesellschaft ist es richtig und wichtig immer wieder die langfristige Finanzierbarkeit der Pensionssysteme zu prüfen. Anders als in vielen anderen OECD-Ländern ist in Österreich nach wie vor die fast ausschließliche Finanzierungsquelle das Umlagesystem. Dabei sind immer wieder Anpassungen notwendig. Deswegen wird immer wieder für eine verstärkte Ausrichtung auf ein kapitalgedecktes Verfahren plädiert. Das ist aber nur scheinbar eine bessere Lösung.
Knapp 14 Prozent der Wirtschaftsleistung werden in Österreich für Pensionsleistungen ausgegeben – zweifellos ein beachtlicher Betrag. Was dabei allerdings oft übersehen wird, ist, dass die Ausgaben pro Kopf für die Altersgruppe der über 65-Jährigen deutlich weniger gestiegen sind als für die jüngeren Altersgruppen. Dementsprechend sollen die öffentlichen Altersausgaben laut EU Ageing Report bis 2035 von derzeit 13,9 auf 14,7 Prozent des BIP ansteigen. Ein Grund zur Panik? Wohl kaum.
Für die Finanzierbarkeit eines Alterssicherungssystems spielen drei Faktoren eine wesentliche Rolle: Wirtschaftswachstum und Arbeitsmarktbeteiligung einerseits und demographische Entwicklung andererseits.
Drei Faktoren: Wirtschaftswachstum, Erwerbsbeteiligung, Demografie
In einer Wirtschaft, die nicht wächst, ist es schwierig Beiträge für das Alter zurückzulegen. Das gilt aber für jedes Pensionssystem – egal, ob über Umlage oder ob jede/r für sich selbst Beiträge anspart. Allmählich setzt sich die Erkenntnis durch, dass die übermäßigen Renditen auf den Kapitalmärkten zwischen 1985 und 2005 eher ein statistischer Ausreißer waren und nicht als dauerhaft angenommen werden dürfen. Das überrascht nicht: Warum auch sollen Erträge auf den Kapitalmärkten, die ja letztendlich nur der Finanzierung der Realwirtschaft dienen, schneller wachsen als die Realwirtschaft selbst? Einzige Ausnahme stellen Blasenentwicklungen dar – und auf Blasen sollte die langfristige Altersabsicherung breiter Bevölkerungsgruppen wohl besser nicht basieren.
Beiträge für das Alter können nur dann zurückgelegt werden, wenn auch ein Erwerbseinkommen erzielt wird: Eine möglichst hohe Erwerbsbeteiligung von Männern und Frauen ist sicherlich für die kommenden Jahrzehnte Grundvoraussetzung der Finanzierbarkeit jedes Pensionssystems.
Das demographische Risiko einer älter werdenden Gesellschaft stellt sich ebenfalls gleichermaßen für jede Art von Pensionssystem. Im Umlagesystem müssen die Erwerbstätigen eben eine größere Gruppe von Älteren mitfinanzieren, im Kapitaldeckungsverfahren bedeutet die zunehmende Alterung, dass die jährlich ausbezahlten Pensionen der/s Einzelnen sukzessive sinken werden müssen, damit das während der Erwerbstätigkeit Ersparte bis zum Lebensende reicht.
Kapitalgedecktes Pensionssystem oder Umlage – ohnehin egal?
Also ist es eigentlich egal, ob man Pensionen über Kapitaldeckung oder über Umlage finanziert? Nein, denn zu den genannten Faktoren kommt bei kapitalgedeckten Pensionen noch ein weiteres Risiko hin zu und das sind die Schwankungen auf den Finanzmärkten. Gerade die vergangenen Jahre haben deutlich gezeigt, welche Auswirkungen Verwerfungen hier haben können.
In Systemen, in denen Pensionssparen auf Freiwilligkeit beruht (wie etwa in den USA), wird das Problem immer drängender, dass große Bevölkerungsgruppen viel zu wenig angespart haben bzw viel zu wenig ansparen konnten um einen adäquaten Lebensstandard im Alter zu haben. Altersarmut ist die drohende Konsequenz.
In Systemen, in denen Kapitaldeckung verpflichtend ist, zeigten sich spätestens mit der Krise ebenfalls massive Probleme: Die Mittel in den Fonds reichen vielfach nicht aus um die zukünftigen Ansprüche zu decken: Auf der einen Seite wurden durch die Finanzkrise Vermögenswerte zerstört, so dass das Fondsvermögen deutlich schrumpfte. Auf der anderen Seite – und das ist langfristig das fast noch größere Problem – bedeutet die anhaltende Niedrigzinsphase, dass die verbliebenen Vermögenswerte nicht genügend rasch wieder an Wert dazugewinnen. Die Folge: Es müssen entweder Beiträge nachgeschossen oder Leistungen empfindlich gekürzt werden, zukünftige ebenso wie bereits bestehende. In den Niederlanden wurden daher 2013 in Folge der Krise bestehende Leistungen um bis zu sechs Prozent gekürzt. In Polen führten die negativen Erfahrungen mit den Privatpensionen dazu, dass diese zum Großteil wieder in das öffentliche System zurückgeführt wurden.
You can‘t beat the market
Kapitalgedeckte Systeme wirken also tendenziell prozyklisch. In Zeiten von steigenden Einkommen muss man prozentuell nicht so viel zurücklegen wie in schwachen Zeiten. Nachschussverpflichtungen in Krisenzeiten hingegen schränken die Binnennachfrage ein – es gibt daher noch weniger Konsumimpulse, die das Wachstum wieder in Schwung bringen könnten. Zudem deutet vieles darauf hin, dass die riesigen Summen, die in Pensionsfonds weltweit veranlagt sind und immer auf der Suche nach ertragbringender Rendite sind, seit den 1990er Jahren maßgeblich zur Krisenanfälligkeit der Finanzmärkte beigetragen haben.
Die Finanzkrise hat deutlich gemacht: You can‘t beat the market. Es gibt niemanden, der dauerhaft und systematisch überdurchschnittlich hohe Renditen erzielt. Im Gegenteil: Die Finanzkrise hat weltweit Pensionsfonds und Sparpläne massiv in Bedrängnis gebracht und enorm hohe Verluste erzeugt.
In Summe zeigt die internationale Evidenz, dass Privatisierungen bzw die Einführung von kapitalgedeckten Pensionssystemen keinerlei Kosten sparen. Im Gegenteil: Im besten Fall werden die Kosten verschoben. Summiert man alle Kosten (von Verwaltungskosten bis hin zu Ausfalls- und Haftungskosten) auf, so kostet eine gleich hohe Pensionsabsicherung in einem kapitalgedeckten System langfristig mehr als in einem Umlagesystem.
Kapitaldeckung als Privatsache
Warum die OECD daher nach wie vor für kapitalgedeckte Pensionssysteme als Altersabsicherung der breiten Massen setzt, ist angesichts dieser Argumente nicht nachvollziehbar. Es soll jedem/r vorbehalten sein, privat für ihre / seine Altersabsicherung über die Absicherung der öffentlichen Systeme hinaus anzusparen. Für diesen Bedarf können private Pensionskassen allenfalls besser das Risiko poolen als eine rein individuelle Sparform. Es gibt allerdings keinen Grund, warum derartige Ansparformen, die üblicherweise nur von überdurchschnittlich Verdienenden in höherem Ausmaß in Anspruch genommen werden, steuerlich noch subventioniert werden sollten.
Dieser Beitrag ist eine leicht gekürzte Version des Artikels in der Falter-Beilage zum Thema Pensionen “Gut gegen Angst vor dem Alter” Nr. 271/15