Inkompetenz oder Kahlschlagambitionen? - Was treibt die ÖVP bei den Pensionen?

18. Februar 2016

Es häufen sich die skurrilen Vorschläge zu den Pensionen. Zuerst will man den Bundesbeitrag zur Pensionsversicherung auf heutigem Niveau einfrieren und Pensionen bis zum Regelpensionsalter nicht mehr anpassen. Jetzt prescht Schelling knapp zwei Wochen vor dem Pensionsgipfel mit einer nicht weniger skurrilen Idee vor: die  Aufwertung des Pensionskontos nur mit der Inflationsrate. Das würde massive Pensionskürzungen für Jüngere und die Demontage des leistungsdefinierten Pensionskontosystems bedeuten.

 

Schelling – oder einem/r seiner ExpertInnen – dürfte aufgefallen sein, dass Pensionen (nur) mit der Inflationsrate angepasst werden, während die Anwartschaften der Aktiven im Pensionskonto – die Kontogutschriften – der durchschnittlichen Einkommensentwicklung folgen. Das müsste wohl wieder so eine „historisch gewachsene – das Pensionskonto ist mit 1.1.2005 in Kraft getreten (?) – Anomalie sein, die es zu beseitigen gilt. (Schelling sinngemäß im Morgenjournal am 17.2.2016) Was liegt also näher, als diese Benachteiligung der PensionistInnen zu beenden und auch die Kontogutschriften nur mehr mit der Inflationsrate aufzuwerten?

Abgesehen davon, dass es schon ein intellektuelles Kunststück darstellt, den Umstand, dass Ansprüche im Pensionskonto bis zum Pensionsantritt mit der „Lohnentwicklung“ aufgewertet werden, als Benachteiligung der PensionistInnen zu werten, belegt diese Einschätzung, dass Schelling offensichtlich die Logik des österreichischen Pensionskontosystems noch nicht verstanden hat.

Demontage des leistungsdefinierten Pensionskontosystems

Tatsächlich ist die Aufwertung bereits erworbener Anwartschaften mit der durchschnittlichen Einkommensentwicklung ein zentrales Wesensmerkmal des Pensionskontos, einmal erreichte Absicherungsniveaus bleiben damit gewahrt. Hat ein 50jähriger z.B. bereits einen Anspruch auf Alterspension in der Höhe von 75% des Durchschnittseinkommens erworben, dann wird er mit 65 – wenn er keine weiteren Ansprüche mehr erwerben würde – auch eine Alterspension in der Höhe von 75% des dann vorliegenden Durchschnittseinkommens bekommen und nicht etwa 60% oder 50%!

Die erworbenen Ansprüche wachsen also mit der „Lohnentwicklung“ und werden nicht Jahr für Jahr entwertet, wie das im alten Pensionsrecht für vergangene Beitragsgrundlagen der Fall war. Das ist für die Qualität der Kontogutschrift hinsichtlich ihrer Aussagekraft und Verlässlichkeit entscheidend. Ein Euro-Betrag würde wenig über das künftige Sicherungsniveau aussagen, wenn dessen Aufwertung nicht der Lohnentwicklung folgt. Das Sicherungsniveau würde dann nämlich davon abhängen, wie stark die Aufwertung bis dahin hinter der Lohnentwicklung zurückbleibt.

Ebenso würde der im Pensionskonto verwirklichte Grundsatz, dass insgesamt gleiche Einkommen unabhängig von ihrer zeitlichen Verteilung auch zu gleichen Pensionsansprüchen führen, mit einer der Inflationsrate folgenden Aufwertung beseitigt.

Massive Pensionskürzung für heute Jüngere

Ganz nebenbei, würde die Beseitigung dieser „Anomalie“ eine erhebliche Absenkung künftiger Sicherungsniveaus bedeuten.

Auf Basis von schematischen Modellrechnungen (45 Beitragsjahre, Pensionsalter 65, immer Durchschnittseinkommen, Annahmen Langfristprognose Pensionskommission) ist eine Aufwertung der Kontogutschriften nur mehr mit der Inflationsrate gleichbedeutend mit Pensionskürzungen im Ausmaß von 26%!

Ein interessantes Detail ist dabei, das die relativen Pensionskürzungen umso stärker ausfallen würden, je ungünstiger sich die individuellen Einkommen entwickeln. Für Personen, deren relative Einkommenspositionen in der zweiten Erwerbshälfte typischerweise schlechter ausfallen als jene in der ersten („Hilfsarbeiter mit Zulagen und Überstunden im Haupterwerbsalter ohne Karriere“, „Einkommenseinbußen nach längerer Krankheit und/oder Arbeitslosigkeit“ oder „nur mehr Teilzeit nach Kindererziehung“), wären Pensionskürzungen um 30% realistisch, bei stetig steigenden Einkommen eher Pensionskürzung von 20% bis 25%.

Deutliche Reduktion der öffentlichen Pensionsausgaben trotz massiver Alterung als pensionspolitische Zielsetzung?

Schelling sollte eigentlich bekannt sein, dass die aktuellsten Langfristprojektionen der Europäischen Kommission – das Finanzministerium ist von österreichischer Seite federführend bei der Reporterstellung eingebunden – für Österreich bis 2060 einen Anstieg der öffentlichen Pensionsausgaben um gerade einmal 0,5% des BIP ergeben, der maximale Zuwachs wird um das Jahr 2040 bei knapp 0,8% der BIP gesehen. Und das obwohl über den gesamten Projektionszeitraum mit einem Zuwachs des Anteils der Älteren an der Gesamtbevölkerung von 60% gerechnet wird.

Die Umsetzung des Schellingvorschlages würde bedeuten, dass der öffentliche Pensionsaufwand von derzeit 13,9% des BIP bis 2060 trotz deutlicher Alterung auf Kosten der Pensionen heute Jüngerer auf rund 11% des BIP schrumpfen würde. Ich denke es ist höchst an der Zeit, dass die ÖVP ihre zentralen pensionspolitischen Zielsetzungen einmal offenlegt. Es ist zweifellos legitim, wenn auch nicht sinnvoll, derartige Zielsetzungen zu verfolgen, aber dann sollte auch auf Phrasen wie „Generationengerechtigkeit“ oder „Wir sichern die Pensionen der Jüngeren“ verzichtet werden. Aber möglicherweise handelt es sich hierbei auch nur um einen (weiteren) noch nicht ganz zu Ende gedachten Pensionsvorschlag des Finanzministers.