Mehr Urlaub hilft, Stress und damit viele Krankheiten zu vermeiden. Mehr Urlaub ist angesichts der stetig steigenden Produktivität auch ein Gebot der Fairness. Mehr Urlaub reduziert das Arbeitsangebot und könnte damit helfen, die hohe Arbeitslosigkeit wieder zu senken.
Ich stimme all diesen Überlegungen zu, möchte aber noch ein wichtiges, bisher in der Debatte unerwähntes Argument hinzufügen: Eine Arbeitszeitverkürzung (eine sechste Urlaubswoche ist ja letztlich eine Form der Arbeitszeitverkürzung) ist auch eine wesentliche Maßnahme im Kampf gegen drängende Umweltprobleme wie den Klimawandel. Eigentlich sind Arbeitszeitverkürzungen für die Umwelt so wichtig, dass ich mich in der Tat wundere, warum bislang niemand in der aktuellen Debatte auf diesen Aspekt öffentlich hinweist.
Um zu verstehen warum Arbeitszeitverkürzungen auch positive Umweltauswirkungen nach sich ziehen, müssen wir uns überlegen, wie eine Arbeitszeitverkürzung makroökonomisch wirkt.
Produktivitätsgewinne können in Form einer Produktionsausweitung oder einer Arbeitszeitverkürzung konsumiert werden. Eine Arbeitszeitverkürzung geht dabei unter der realistischen Annahme, dass die dadurch ausgelösten Produktivitätsgewinne die Effekte der Arbeitszeitverkürzung nicht vollständig kompensieren können,[1] mit einem geringeren Ressourcenverbrauch und geringeren Treibhausgasemissionen einher.
Ein oft gehörtes Missverständnis ist es dabei, dass eine solche umweltfreundliche Arbeitszeitverkürzung nicht mit vollem Lohnausgleich kompatibel sei. Dies ist aber selbstverständlich nicht der Fall. Eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich würde einfach (nur) bedeuten, dass die Gewinnquote der Unternehmen sinkt.
Manch einer wird einwenden, dass Arbeitszeitverkürzungen doch auch dazu führen können, dass weniger umweltfreundlich konsumiert wird, etwa indem mehr Urlaubsflüge gebucht werden. Interessanterweise ist aber meist genau das Gegenteil der Fall, da mehr Freizeit auch einen Anreiz für einen umweltfreundlichen, aber zeitintensiveren Lebensstil bietet (z. B. Zeit, um zu Fuß zu gehen, statt mit dem PKW zu fahren; Zeit, um länger am Urlaubsort zu bleiben, statt öfter hinzufliegen; Zeit, um mit der Bahn zu reisen, statt das Flugzeug zu wählen). Die positiven Umweltauswirkungen von Arbeitszeitverkürzungen können daher auch empirisch nachgewiesen werden
Neoklassisch geprägte ÖkonomInnen werden einwenden, dass es jedem Individuum freistehe, seine optimale Allokation aus Freizeit und Konsum (und der dazu erforderlichen Arbeitszeit) zu wählen. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass in diesem Fall ineffiziente Gleichgewichte wahrscheinlich sind: Einerseits gibt es ein Koordinationsproblem, da Menschen tendenziell Freizeit mit anderen Menschen verbringen wollen. Arbeiten sehr viele Menschen lange, so wird der Genuss von Freizeit für alle unattraktiver (Stiglitz, 2008).
Den wichtigsten Einflussfaktor dürften aber Einkommensungleichheiten darstellen. Denn je größer die Ungleichheit, umso mehr Anstrengungen (wie z. B. eine Ausweitung der eigenen Arbeitszeit) werden unternommen, um nicht am unteren Ende der Verteilung zu landen. Im Endeffekt führt das dazu, dass alle länger arbeiten und niemand besser gestellt ist.
Manch einer wird nun einwenden, dass diese Zusammenhänge schon stimmen mögen, die Umwelteffekte von Arbeitszeitverkürzungen in der Debatte aber eher unwichtig sind. Dem möchte ich widersprechen. Denn die Lösung vieler aktueller Probleme scheitert an Zielkonflikten. Gerade Lösungen ohne große Zielkonflikte, Lösungen die sich also sowohl positiv auf soziale, als auch auf ökonomische und ökologische Probleme auswirken, sollten daher politisch höchste Priorität haben. Und es spricht viel dafür, dass Arbeitszeitverkürzungen eine solche Maßnahme sein könnte.
[1] Wäre diese Annahme nicht zutreffend, würden ArbeitgeberInnen die Arbeitszeiten ihrer MitarbeiterInnen bei vollem Lohnausgleich kürzen. Die über die Lohnerhöhung hinausgehenden Produktivitätsgewinne würden dann die Gewinnspannen erhöhen.