GmbH-Reform: Eine teure und nicht nachhaltige Unternehmensförderung auf Kosten aller

14. Mai 2013

Durch die Reduzierung des Mindeststammkapitals um mehr als 70% sollen Neugründungen von GmbHs gefördert werden. Tatsächlich geht man jedoch selbst im Justizministerium nicht davon aus, dass die Zahl der Unternehmen dadurch steigen wird. Die daraus resultierenden Steuerausfälle sind dennoch erheblich. Außerdem wird die Qualität dieser Rechtsform darunter leiden. Dies wird für KonsumentInnen, ArbeitnehmerInnen und die öffentliche Hand negative Folgen haben, die nicht zuletzt auch die UnternehmerInnen selbst treffen.

 

In Österreich firmieren rund 110.000 Gesellschaften in der Rechtsform der GmbH. Sie ist damit – abgesehen von der Einzelunternehmung – die am häufigsten verwendete Rechtsform in Österreich (Zum Vergleich: rund 2000 Unternehmen firmieren in der Rechtsform der Aktiengesellschaft). Der Begutachtungsentwurf zur GmbH-Reform will nun die GmbH für GründerInnen „noch attraktiver“ gestalten und sieht eine Senkung des Mindeststammkapitals von derzeit € 35.000 auf € 10.000 vor, wobei lediglich die Hälfte, also € 5.000, eingezahlt werden müssen. Durch die Reform soll auch  die Mindestkörperschaftssteuer, die sich am gesetzlichen Mindeststammkapital orientiert, von derzeit 1.750 Euro auf € 500 gesenkt werden. Niedrigere Gründungskosten durch Mustervertrag und Senkung der Notariats- und Rechtsanwaltskosten runden die Reform ab.

Großzügiges Steuergeschenk – wirtschaftlicher Nutzen höchst fragwürdig

Die GmbH-Reform wird politisch als wichtigen Beitrag zur Förderung von Unternehmensneugründungen „verkauft“. Die Erläuterungen zum Begutachtungsentwurf sprechen von jährlich 1.000 zusätzlichen GmbH-Gründungen. Gleichzeitig wird darin festgehalten, dass  die erwarteten 1.000 zusätzlichen GmbH-Neugründungen zulasten der Einzelunternehmung gehen werden. Das bedeutet, dass die Reform hinsichtlich der Gesamtzahl der Unternehmen ein „Nullsummenspiel“ ist. Die steuerlichen Kosten der Reform sind aber beträchtlich. Alleine für die nächsten 4 Jahre werden Steuerausfälle in Höhe von 180 Mio Euro erwartet. Da die Maßnahme zeitlich nicht begrenzt wird, sind die Steuerausfälle über die Jahre hinweg noch viel höher. Der Grund hierfür ist schnell aufgeklärt: Alle GmbHs profitieren künftig von der Steuerreduktion, sie erhalten eine Reduzierung der Mindestkörperschaftssteuer von mehr als 70 Prozent. Aus ArbeitnehmerInnensicht ist die geplante steuerliche Entlastung für alle GmbHs weder sachlich notwendig noch sozial gerechtfertigt. Die Entwicklung der Unternehmenssteuern hinkt bereits jetzt der Entwicklung des Lohnsteueraufkommens hinterher und wird durch die geplante Reform noch weiter verstärkt.

Unternehmensrisiko wird auf Dritte ausgelagert – Sozialbetrug und  Insolvenzen werden steigen

Begründet wird die drastische Reduzierung des Mindeststammkapitals mit der Förderung von Neugründungen.  Tatsächlich wird aber allen bestehenden GmbHs die Möglichkeit eröffnet, ihr Mindeststammkapital in Höhe von 35.000 Euro auf die vorgeschlagenen 10.000 Euro herabzusetzen. Damit wird einerseits der Wirtschaft wichtiges Eigenkapital entzogen, andererseits der GläubigerInnenschutz massiv aufgeweicht. Denn es gilt der Grundsatz: Je geringer das Mindestkapital, desto mehr verlagert sich das Unternehmensrisiko auf KonsumentInnen, ArbeitnehmerInnen, Öffentliche Hand und sonstige GläubigerInnen.

Gerade die Erfahrungen aus der Rechtsvertretung der AK zeigen, dass ArbeitnehmerInnenansprüche vor allem gegenüber Arbeitgeber-GmbHs entstehen, die immer wieder als „Trägervehikel“ für Sozialbetrug  dienen. Die Reform wird diese Entwicklung noch begünstigen. Auch ist zu erwarten, dass die Gesamtanzahl der Insolvenzen durch die Ermöglichung von Billig-GmbHs auf Kosten der ArbeitnehmerInnen und sonstigen GläubigerInnen in die Höhe schnellt. Denn bei der Gründung von Unternehmen fallen branchenunabhängig zumeist Anlaufverluste an die in Verbindung mit dem vorgeschlagenen niedrigen Mindeststammkapital wesentlich die Insolvenzgefahr erhöhen. Ein substantielles Mindeststammkapital hat nicht nur eine wichtige ordnungspolitische Funktion (Stichwort: Seriositätsschwelle), sondern dient gerade in der Anfangsphase der Insolvenzprohylaxe und damit dem GläubigerInnenschutz.

Kein Grund vorhanden, GmbH abzuqualifizieren

Es besteht überhaupt kein Grund, die im Geschäftsverkehr geschätzte Qualität und Reputation der österreichischen GmbH grundlos abzuqualifizieren und damit einer Entwicklung Vorschub zu leisten, die nur zu einer weiteren Absenkung von gesellschaftsrechtlichen Standards führt („race to the bottom“). Die vorgebrachten Argumente eines verschärften Wettbewerbs der GmbH mit anderen europäischen Gesellschaftsformen sind schlicht ein (leicht widerlegbarer) Vorwand für die Haftungsbeschränkung und Steuererleichterung. Die Europäische Kommission hat erst kürzlich ihr Vorhaben der Verfolgung einer Europäischen Privatgesellschaft mangels Zustimmung der Mitgliedstaaten aufgegeben. Auch die englische Limited Company hat sich als keine Alternative zur GmbH herausgestellt und die in Deutschland eingeführte Sonderform der GmbH („Unternehmergesellschaft haftungsbeschränkt“) wird mittlerweile als „Schmuddel-GmbH“, mit entsprechenden Schwierigkeiten im Geschäftsleben, bezeichnet.

Fazit

Aufgrund der hohen Bedeutung der GmbH im Wirtschaftsleben stellt die geplante Reform eine massive unternehmerische Förderung zulasten des GläubigerInnenschutzes und des Körperschaftssteueraufkommens dar. Der Entwurf zur GmbH-Novelle blendet sämtliche Interessen von ArbeitnehmerInnen, KonsumentInnen und sonstigen GläubigerInnen aus. Eine Reduzierung der Errichtungskosten für GmbH-Gründungen, wie etwa geringere Notariatsgebühren oder Mustervertrag, kann auch erreicht werden, ohne das Kinde mit dem Bade auszuschütten. Das bewährte Haftkapitalsystem muss erhalten bleiben, will man das Ansehen der GmbH auch in Zukunft aufrechterhalten. Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren kann nicht das Ziel der Reform sein.