Es sind Worte, die aufs Erste absurd klingen: „Zwangsharmonie“ oder „Friedenszwang“ – aber die gemeinsame Obsorge erfordert genau das: dass sich (nicht selten zerstrittene) Elternteile einigen müssen. Das stellt alleinerziehende Mütter immer wieder vor gravierende Probleme, selbst bei unehelich geborenen Kindern. Auch gut gemeinte und relativ klare gesetzliche Regelungen können nur dann erfolgreich sein, wenn sie mit der nötigen Bedachtnahme auf die Eltern vollzogen werden.
Väterrechte oder „rechte Väter“?
Seit geraumer Zeit versuchen immer mehr Gruppierungen auf ihr Anliegen einer erneut stärkeren familienrechtlichen Verankerung des Vaters aufmerksam zu machen. Sie tun das vorzugsweise über Internet-Plattformen wie www.vaeter-ohne-rechte.at oder www.vaterverbot.at. Das hat bereits Niederschlag in den jüngsten Neuregelungen zur Obsorge aus dem Jahr 2013 gefunden: Mitbestimmung und Gleichberechtigung des Vaters in allen Angelegenheiten des Kindes, Unterhaltsfragen uvm stehen hier im Vordergrund!
Polemisch anmutende Artikel, wie zB „Armut ist männlich“, zeigen erpresste, armutsgefährdete und vereinsamte – weil von ihren Kindern zwangsweise getrennte – Väter. Es wird mit vermeintlich wissenschaftlichen Zahlen die Rolle der Mütter untermauert, die sich auf Kosten der Väter ein schönes Leben machen. Daraus resultierend werden eindeutige politische Forderungen abgeleitet.
Vereinzelt kann es zu Härtefällen kommen, zB aufgrund eines ab und zu angewendeten Anspannungsgrundsatzes. Dabei geht es um Elternteile, die willkürlich keine oder nur eine geringe Erwerbstätigkeit ausüben, um sich der Unterhaltsverpflichtung zu entziehen. Sie werden dazu verurteilt, Unterhalt zu zahlen, der dem Einkommen entspräche, das sie erzielen könnten. Trotzdem wäre es doch interessant zu hinterfragen, ob es hier tatsächlich um echte und gewollte Beteiligung geht? Oder aber um eine einfache Rückkehr zu alten Traditionen, eine Trendumkehr in Richtung eines männlich dominierten Ernährerkonzepts ?
Klassisches Ernähererkonzept
Unter dem Deckmantel einer vermeintlichen Gleichberechtigung beider Geschlechter wird vor allem von (rechts)konservativer Seite versucht, traditionelle Rollenbilder wieder zu etablieren. Dabei werden Geschlechterdifferenzen quasi als naturgegeben dargestellt. Es wird versucht, die Rolle der Frau in der Familie im Sinne einer beinahe Selbstaufopferung wieder neu zu beleben. Gerade am Beispiel der sogenannten Väterrechte oder „Väterbeteiligung“ und der gemeinsamen Obsorge tritt dieses männlich dominierte Ernährerkonzept klar zu Tage. Wer zahlt, soll auch anschaffen können. Instrumentalisiert dabei werden jene Väter, die tatsächlich eine Rolle im Leben ihrer Kinder spielen wollen und denen es nicht um Machtpositionen geht, im vorhandenen System aber scheitern.
Diese Gedanken der Kernfamilie, die Wichtigkeit der Tätigkeit von Frauen in der Pflege und „Familienarbeit“ oder aber auch der „Schutz des ungeborenen Lebens“ ziehen sich bis heute in rechtspopulistischen und konservativen Lagern mehr oder weniger stark durch die Parteiprogramme. Frau ist ohne Familie nicht denkbar und Frauenpolitik ident mit Familienpolitik. Unter dem Deckmantel der Gleichbehandlung und der Sicherung der Errungenschaften der Gleichberechtigung wird daher bis heute dieses tradierte Rollenbild verstärkt und mehr oder weniger offensiv argumentiert.
Im 21. Jahrhundert angekommen?
2013 wurde unter der Großen Koalition das neue Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz beschlossen. Statt Besuchsrecht heißt es nun Kontaktrecht, und auch weitreichende Änderungen im Bereich der Obsorge brachte das neue Recht mit sich.
Durch die automatische gemeinsame Obsorge bei Scheidung und die Möglichkeit des Vaters, die alleinige oder gemeinsame Obsorge bei unehelichen Kindern zu beantragen, schien ein Weg beschritten worden zu sein, der die durchaus berechtigten gegenseitigen Interessen zu berücksichtigen scheint.
Unter anderem sehen die Regelungen vor, dass bei verheirateten Paaren das Gericht nach einer sogenannten „Abkühlphase“ entscheiden soll, ob die alleinige oder die gemeinsame Obsorge besser für das Kindeswohl ist. Diese „Abkühlphase“ wird von den RichterInnen allerdings bis dato wenig mit Leben (Ausnahmefälle: zB Gewalt) erfüllt, wohl auch um einem Ansteigen der Verfahrensdauer entgegenzuwirken. RichterInnen tendieren in ihren Entscheidungen, wenn es um Obsorgefragen geht, häufig zu einer quasi sofort verordneten „Zwangsharmonie“. Damit werden allerdings die teilweise berechtigten Ängste der Mütter, von den ehemaligen Partnern erpresst zu werden, weiter verschärft.
Die von den Vätern oft als unbefriedigend empfundene Situation des zahlenden „Wochenendpapis“ ist damit Geschichte und eine vermehrte Berücksichtigung von Väterrechten etabliert. Väter werden dadurch verstärkt in die Lage versetzt, dies auch als Druckmittel zu verwenden. Das hat nicht unwesentlich dazu beigetragen, die Situation alleinerziehender Mütter in vielen Fällen weiter zu verschlechtern. Sie müssen nicht mehr nur die finanziellen Schwierigkeiten meistern, wie etwa geringeres Einkommen, oft verbunden mit prekärer Beschäftigung, dadurch geringere Pensionsbemessungsgrundlagen, Finanzierung allfälliger sonstiger Sonderausgaben für das Kind – an denen sich der Vater früher zumindest teilweise beteiligen musste, wie zB Skikurs, Förderunterricht etc. Sie sind nun auch gezwungen, sämtliche Entscheidungen das Kind betreffend mit dem Vater abzusprechen und eine gütliche Einigung zu finden.
Eltern meist in klassischer Arbeitsteilung
In Österreich ist noch immer das altbekannte Grundmuster in Partnerschaften erkennbar, dass, sobald Paare Eltern werden, der Mann die Ernährerrolle übernimmt, mit Vollzeit und Überstunden, während gleichzeitig die Frau ihre Arbeitszeit reduziert oder sogar völlig aus dem Erwerbsleben ausscheidet. Die Gründe sind sicherlich nicht nur in der gesellschaftlich vorherrschenden Meinung zu finden, Frauen wären besser für die Kinderbetreuung geeignet, sondern auch und besonders in strukturellen Umständen. Dazu gehören der Gender Pay Gap, aber auch den zwar arbeitsrechtlich gesicherten, aber von ArbeitgeberInnen oft nur bei Frauen akzeptierten Zugang zu Karenz und Teilzeitvereinbarungen.
Damit wird ein zusätzliches Problem sichtbar, nämlich die Frage der Akzeptanz unterschiedlicher Lebensentwürfe von Frauen. Titel wie „karrieregeil“, „Rabenmutter“ (der Begriff ist fast nur in der deutschen Sprache vertreten, in den meisten anderen Sprachen existiert er gar nicht), „Glucke“ etc sind Bezeichnungen für Frauen – leider oft auch von Frauen. Männer gehenin unserer Gesellschaft klassischerweise arbeiten, gründen Familie und müssen sich dabei nicht unbedingt die Frage nach Karenz oä stellen. Frauen müssen sich hingegen tendenziell noch immer für oder gegen Kinder/Karriere entscheiden. Über die grundsätzliche Frage hinaus müssen sie dann noch die Dauer der Karenz, den konkreten Wiedereinstieg etc. festlegen. Dabei müssen sie sich nicht nur gegen strukturelle Herausforderungen wappnen (wie Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen), sondern immer wieder auch gegen Angriffe von Personen, die ihren Lebensentwurf kritisieren.
Armutsfalle Trennung
Ein Blick auf die Daten verdeutlicht die Problemlage. So liegt beim Bezug des Kinderbetreuungsgeldes der Frauenanteil bei 96 % und der der Männer bei lediglich 4 % liegt (Frauenbericht 2010). Die Statistik Austria hat 2014 von insgesamt über 350.00 Ein-Eltern-Familien fast 300.000 Mütter mit Kindern und 55.000 Väter gezählt.