Die Straßen abseits der Autobahn sind alt und baufällig. Daher werden künftig mindestens 600 Mio. Euro pro Jahr für die Sanierung von Landes- und Gemeindestraßen sowie Brücken notwendig. Wer soll das bezahlen? Die Allgemeinheit oder der Lkw als Hauptschädiger?
„Verbaute“ Zukunft?
Rund 110.000 km Landes- und Gemeindestraßen sowie Brücken haben laut Schätzungen eine Sanierung notwendig. Für die bauliche Instandhaltung dieser Straßen wenden die Bundesländer derzeit jährlich rund 320 Mio. Euro und die Gemeinden rund 500 Mio. Euro auf. Soll nur das aktuell bauliche Zustandsniveau dieser Straßen bis 2024 gehalten werden, werden pro Jahr zusätzlich jeweils 300 Mio. Euro für Landes- und Gemeindestraßen benötigt um sie so zu sanieren, dass damit die Verkehrssicherheit gewährleistetet bleibt. Wird nicht zeitgerecht gehandelt, wird die Sanierung noch teurer. Langsam kommt dieses „strukturelle Erhaltungsdefizit“ im politischen Mainstream-Diskurs an.
Den Lkw in die Kostenverantwortung nehmen
Die größten Schäden werden vom Schwerlastverkehr, also von Lkws, verursacht. Die Abnützung der Straße durch ein Fahrzeug steigt exponentiell zur Achslast, so eine Faustregel im Straßenbau. Das heißt: Während ein Mittelklassewagen mit 1.000 kg eine Achslast von 500 kg hat, hat ein 30-Tonnen-Lkw mit vier Achsen eine Achslast von 7.500 kg und schädigt die Straßen (Faktor 154) um mehr als das 50.000-fache. Bisher tragen die Lkws aber nur 50% der von ihnen verursachten Straßenkosten, zeigt die österreichische Wegekostenrechnung. Die SteuerzahlerInnen müssen den Rest übernehmen. Deshalb sollten sich die Lkws als Hauptverursacher künftig an den Kosten der Straßenschäden stärker beteiligen – eine sinnvolle Maßnahme dafür wäre eine flächendeckende Lkw-Maut. Im Unterschied zur Mineralölsteuer können damit die außerordentlichen Straßenschäden dem Lkw-Verkehr angelastet werden.
Bester Zeitpunkt für die flächendeckende Lkw-Maut: jetzt!
Eine flächendeckende Lkw-Maut würde bedeuten, dass der derzeit gültige Autobahntarif auch bei der Benützung der Landes- und Gemeindestraßen angewendet wird. Damit würden die Lkws jährlich rund 500 Millionen Euro (nach Abzug der Mautbetriebskosten) zusätzlich zur Sanierung der Straßen zahlen. Die Einführung wäre jetzt auch zeitlich günstig: niedrige Zinslage, niedrige Treibstoffpreise und niedrige Inflationsrate begünstigen eine Einführung zu möglichst niedrigen Folgekosten, wie eine aktuelle Studie des Österreichischen Instituts für Raumplanung im Auftrag der Arbeiterkammer zeigt. Zudem könnten die Verwendung dieser Lkw-Mauterlöse für die straßenbauliche Sanierung und den Öffentlichen Verkehr wichtige Impulse für Beschäftigung und Wachstum gerade auch in ländlichen Regionen liefern.
Ist ein großer verkehrspolitischer Wurf in Vorbereitung?
Die neun Bundesländer haben jüngst einstimmig beschlossen, binnen eines Jahres ein Konzept für die flächendeckende Lkw-Maut vorzulegen. Außerdem sollen die Bedingungen der steuerlichen Ermächtigung durch eine Bund-Länder-Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG ausgearbeitet werden. Welche Überlegungen liegen diesem bemerkenswerten Beschluss zugrunde, kommen doch die dafür zuständigen LandesrätInnen von fast allen in den Landtagen vertreten Parteien (SPÖ, ÖVP, Freiheitliche, Grüne und Team Stronach)?
Die Lkw-Bemautung am österreichischen Autobahn- und Schnellstraßennetz hat sich bewährt und ist in Europa ein Vorzeigemodell. Eine Ausweitung am niederrangigen Straßennetz ist technologisch mit GPS-basierten Mautgeräten und in Ergänzung mit dem bestehenden ASFINAG-Mauteinhebungssystem möglich. Durch eine Maut-Ausdehnung würden insofern auch beide Straßennetze profitieren, als „Lkw-Mautflüchtlinge“ von Landesstraßen auf Autobahnen zurückkehren. Der Mautentfall durch „Lkw-Mautflüchtlinge“ am ASFINAG-Netz entspricht in ungefähr auch den jährlichen Betriebskosten einer Mauteinhebung auf Landes- und Gemeindestraßen (rund 75 Mio Euro). Eine Mautausdehnung könnte zudem Einnahmen zu einem Fond für straßenbauliche Sanierung und Öffentlichen Verkehr liefern und gleichzeitig auch Anreize zur Verlagerung von Gütern auf die Schiene bzw. Verringerung der Lkw-Fahrleistung leisten.
Der Wirtschaft auf die Sprünge helfen
Die Benützung der Straßen ist nicht kostenlos. Nur die Lobbyisten der Wirtschaft wollen uns das glauben machen. So wird behauptet, dass VerbraucherInnen in abgelegenen Regionen durch eine flächendeckende Lkw-Maut höhere Endpreise zahlen müssten. Eine aktuelle AK-Studie zeigt jedoch, dass bei der Nahversorgung in abgelegenen Regionen der Transportkostenanteil vernachlässigbar klein ist. Selbst bei Lebensmitteln, die viele Transportwege benötigen, wie etwa die Milch, ist mit keiner spürbaren Verteuerung durch die Lkw-Maut zu rechnen.
Ein Beispiel: Wenn ein Liter Milch 1 Euro kostet, würde der Milchpreis von derzeit 1 Euro auf 1,002 Euro ansteigen. Laut AK-Studie können im Durchschnitt die Preise für die EndverbraucherInnen bei Lebensmittel um maximal 0,11 Prozent bzw. bei allen Dienstleistungen und Produkten um maximal 0,09 Prozent steigen, selbst wenn alle Mautkosten auf die EndverbraucherInnen abgewälzt und keine logistische Effizienz erzielt wird. Horrorszenarien sehen anders aus.
Überdies machen die großen Einzelhandelsketten heute keinen Unterschied zwischen Stadt und Land und werden dies auch in Zukunft nicht machen, weil die mautbedingten Zusatzkosten einfach nicht ins Gewicht fallen. Dies zeigt auch das Beispiel Schweiz: Dort wurde bereits im Jahr 2001 eine Lkw-Maut auf allen Straßen eingeführt. Das Schweizer Bundesamt für Statistik schätzt die dadurch entstandenen Preissteigerungen auf 0,1 Prozent, obwohl der Mautsatz doppelt so hoch wie der in Österreich geplante ist. Ein Drittel der mautbedingten Kosten wurde schlicht durch bessere Logistik der WirtschaftsakteurInnen eingespart.
Es wird Zeit, der flächendeckenden Lkw-Maut zum Durchbruch zu verhelfen. Alle VerkehrsteilnehmerInnen profitieren schließlich davon, weil sie mit einer zeitnahen Reparatur der Landes- und Gemeindestraßen, weniger Schlaglöchern und mehr Verkehrssicherheit rechnen können. Die SteuerzahlerInnen könnten sich freuen, weil sie nicht mehr allein die Kosten des Schwerlastverkehrs tragen müssten.