Die Lebenslagen von zugewanderten Minderheitengruppen wie KurdInnen oder Roma/Romnija in Österreich sind statistisch kaum erfasst. Das bedeutet, es ist nur wenig bekannt über ihre Bildungs-, Beschäftigungs- und Einkommenssituation. Zudem werden sie aufgrund ihrer StaatsbürgerInnenschaft zu den ursprünglichen Herkunftsländern zugerechnet und damit als Minderheit “unsichtbar”. Auch die Frage der Selbstzuordnung macht es mitunter schwierig, Minderheiten als eine bestimmte ethnische Gruppe zu erfassen. Zieht man jedoch die vorhandenen Ergebnisse heran, zeigt sich deutlich die schwierige Situation der Angehörigen von Minderheiten – und entsprechend großer Handlungsbedarf.
Der Blick auf ethnische Gruppen ist immer stark geprägt von Selbst- und Fremdzuschreibungen. Aus Angst vor Diskriminierung wird die Zugehörigkeit einer ethnischen Minderheitengruppe im Alltag häufig auch verschwiegen.
Wie auch bei anderen MigrantInnengruppen spielen zahlreiche weitere Merkmale wie Geschlecht, Alter, Schicht und Bildung eine wesentliche Rolle. Innerhalb der ethnischen Gruppen herrscht daher hohe Heterogenität.
Auch wenn quantitative Erhebungen kritisch betrachtet werden müssen, so ist es notwendig Daten auf einer aggregierten Ebene zu erfassen, um notwendige Lösungsansätze für ein besseres und gleichberechtigtes Leben der zugewanderten Menschen zu ermöglichen.
Zu den zahlenmäßig größten ethnischen Minderheiten in Österreich gehören wohl die Gruppen der Roma/Romnija und KurdInnen. Schätzungen nach leben mehr als 150.000 Roma/Romnija in Österreich. Die meisten Personen stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien, gefolgt von den neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Quelle: Thara 2014, Schmatz/Selak-Ostojic/Wetzel/Reiter 2014).
Ähnlich verhält es sich mit der Gruppe der KurdInnen. Es gibt keine exakten Daten zur Gruppengröße. Den Schätzungen nach leben rund 100.000 bis 120.000 Menschen mit kurdischen Wurzeln in Österreich (Quelle: FEYKOM-Rat der Kurdischen Gesellschaft in Österreich). Großteil von ihnen kommt aus der Türkei, gefolgt von Irak, Iran und Syrien.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Roma/Romnija und KurdInnen
Bei beiden Gruppen können sowohl Unterschiede wie auch Gemeinsamkeiten beobachtet werden. Sowohl Angehörige der Roma/Romnija wie auch die der KurdInnen verfügen nicht über einen eigenen Staat. Muttersprachen werden zum Großteil nur mündlich überliefert. Es fehlt an schulischer Bildung in der eigener Sprache. Die Entwicklung einer gemeinsamen „Hochsprache“ bleibt ihnen damit verwehrt. Beide verbindet eine historische Unterdrückung und Verfolgung. Beide Gruppen verfügen nur über unzureichende politische Lobbys und finden in den Medien wenig Beachtung.
Während die KurdInnen einer überschaubaren Zahl von Ländern zugeordnet werden, kann der Herkunfts- und Lebensbereich der Roma/Romnija fast die ganze Welt umfassen.
KurdInnen werden in der Berichterstattung mit politischen Themen und Forderungen in Zusammenhang gebracht, während Angehörige der Gruppe der Roma/Romnija in vielen Ländern auf fast allen gesellschaftlichen Ebenen ausgeschlossen und stigmatisiert wurden und immer noch werden. KurdInnen werden eher „nur als MigrantInnen“ gesehen, Roma/Romnija häufig Vorurteilen, Stereotypen, Diskriminierung und Rassismus ausgesetzt.
Ein Blick auf die Ergebnisse der Studien
L&R Sozialforschung hat in Auftrag der Arbeiterkammer Wien in den Jahren 2011 und 2014 zwei umfassende und repräsentative Studien durchgeführt, welche die Beschäftigungs- und Lebenssituation von MigrantInnen in Wien beleuchteten. Bei beiden Studien wurde der Fokus besonders auf Minderheiten und konkret die Gruppen der Roma/Romnija sowie KurdInnen gelegt.
Die Studien konnten zwar nicht die tatsächliche Größe und Struktur dieser beiden Gruppen feststellen, bringen aber relevante Einblicke in ihre Lebenssituation. Einige Ergebnisse sollen hier dargestellt werden:
Große Unterschiede beim Bildungsniveau
Die Qualifikationsstruktur der beiden Vergleichsgruppen unterscheidet sich stark voneinander. Jene der KurdInnen ist eher vergleichbar mit dem Bildungsniveau der MigrantInnen allgemein. Während 20 % der KurdInnen über maximal einen Pflichtschulabschluss verfügten, waren es bei den Roma/Romnija mit rund 58 % drei Mal so viele. Ähnlich verhält es sich bei den akademischen Abschlüssen. Lediglich 4 % der der Roma/Romnija verfügen über einen solchen, bei den KurdInnen waren es mit rund 20 % etwas weniger als bei den MigrantInnen insgesamt mit 25 %.
Zudem weisen KurdInnen eine stark ausgeprägte Bildungsmobilität auf. Rund 45 % der Kinder aus gering und mittel qualifiziertem Elternhaus erreichen zumindest das Maturaniveau. Bei den Roma/Romnija Kindern wird jedoch das niedrige Bildungsniveau vererbt. Das bestätigen die aktuellen Ergebnisse der Roma-Bildungsstudie „Zur Bildungssituation von Roma und Sinti in Österreich“ von Initiative Minderheiten.