Seit Anfang des Jahres ist ein Austritt aus ELGA (Elektronische Gesundheitsakte) möglich. Seither warnt der österreichische Hausärzteverband (ÖHV) vor dem „Daten-Monster-ELGA“ und empfiehlt allen PatientInnen aus Gründen des Datenschutzes den unverzüglichen Ausstieg aus ELGA. In der Diskussion um ELGA wird jedoch dem Nutzen von ELGA für die PatientInnen viel zu wenig Beachtung gewidmet.
Warum ELGA?
Man muss keineswegs Arzt sein, um zu erkennen, dass für eine umfassende medizinische Behandlung ein vollständiger Krankenakt vorliegen sollte. Nicht alle PatientInnen sind in der Lage, ihrem Arzt oder ihrer Ärztin den Namen und die Dosierung der Medikamente, die von anderen ÄrztInnen verordnet wurden, zu nennen. Oft werden wichtige Befunde verlegt, gehen verloren oder werden schlicht von den PatientInnen weggeworfen und können nur mit großem Aufwand wiedererlangt werden. Viele PatientInnen sind zu einem Wechsel des Vertrauensarztes/der Vertrauensärztin gezwungen, sei es weil die PatientInnen aus beruflichen oder familiären Gründen übersiedeln oder auch nur, weil der Arzt/die Ärztin seine/ihre Ordination zB aus Pensionsgründen schließt. Der neue Vertrauensarzt/ die neue Vertrauensärztin kann jedoch nur auf Basis der Informationen handeln, die wir als PatientInnen in der Lage sind mitzuteilen.
Höhere Datensicherheit durch ELGA!
Durch ELGA erfahren die behandelnden ÄrztInnen, welche Untersuchungen schon vorgenommen wurden. Das erspart Mehrfachbefundungen und PatientInnen belastende Untersuchungen und Zeit, die für medizinisch Sinnvolleres verwendet werden könnte. ELGA ermöglicht ÄrztInnen, Spitälern und ApothekerInnen – vorausgesetzt die PatientInnen wollen das – den Zugriff auf die vollständigen Gesundheitsdaten, erhöht dadurch die Behandlungsqualität im Gesundheitswesen und liefert dadurch einen wertvollen Beitrag zur PatientInnensicherheit. ELGA räumt erstmals einen elektronischen Zugriff auf die eigenen Gesundheitsdaten ein und übernimmt für die Dauer von zehn Jahren die Befundverwaltung und Archivierung der eigenen Gesundheitsdaten. Durch das ELGA-Protokollierungssystem können wir erstmals erfahren, ob und wer in unsere Gesundheitsdaten Einsicht genommen hat. Das erhebt ELGA auf eine höhere Sicherheitsstufe im Datenschutz.
Es gibt keine Alternative zu ELGA!
Gesundheitsdaten sind besonders sensible Daten. Niemand will, dass persönliche Gesundheitsdaten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Daher ist der Schutz von Gesundheitsdaten besonders ernst zu nehmen. „Sichere Daten sind nur gar nicht erfasste Daten“ meint Dr. Eva Raunig, Bundessekretärin des ÖHV in einer Presseaussendung des ÖHV zum Thema ELGA. Da wird sie, vor allem was wir in letzter Zeit im Zusammenhang mit der NSA Datenaffäre erfahren haben, wohl nicht Unrecht haben. Aber was will uns der ÖHV mit dieser Aussage mitteilen? Sollen Gesundheitsdaten, damit sie wirklich sicher sind, gar nicht mehr automationsunterstützt erfasst werden? Sollen HausärztInnen jetzt auf EDV und elektronische Datenübermittlung wie zB Internet verzichten? Werden unsere Gesundheitsdaten von den HausärztInnen nur mehr Hand- oder Maschinengeschrieben erfasst und in händisch verfasste Ordner abgelegt, damit sie vor potentiellen Hackern sicher sind? Sollen auch die Spitäler, die Krankenanstaltenverbände und die Apotheken auf EDV und Internet verzichten und ausschließlich Handkarteien führen?
Natürlich nicht. Die HausärztInnen sowie alle anderen ÄrztInnen, die Spitäler, die Krankenanstaltenverbände und die Apotheken werden sich wie bisher auch weiterhin der EDV und des Internets bedienen und die Gesundheitsdaten Ihrer PatientInnen automationsunterstützt speichern und dabei in Kauf nehmen, dass ein Zugriff Dritter auf unsere Gesundheitsdaten nicht völlig ausgeschlossen werden kann. Dies unabhängig, ob PatientInnen aus ELGA aussteigen.
Wir sollten daher dafür Sorge tragen, dass persönliche Gesundheitsdaten nach dem jeweils aktuellen Stand der Technik vor Zugriffen Dritter geschützt werden. Eine völlige Sicherheit vor kriminellen Handlungen wird uns selbst dann nicht, wenn wir aus ELGA austreten, garantiert werden können. Letztendlich werden wir abwägen müssen, ob uns nicht doch eine höhere Behandlungsqualität und damit unsere Gesundheit wichtiger ist.
Bedenkzeit statt sofortigem Austritt
Wir müssen uns jedoch nicht sofort für oder gegen ELGA entscheiden. Für einen allfälligen Austritt aus ELGA bleibt noch genügend Bedenkzeit: Derzeit werden noch keine Gesundheitsdaten in ELGA gespeichert. Das ELGA-Gesetz sieht eine schrittweise Einbindung von Gesundheitsdaten in ELGA vor. Beginnend ab Herbst 2014 wird die e-Medikation, ab 2015 werden die öffentlichen Krankenanstalten (Fonds-Krankenanstalten), die AUVA-Krankenanstalten und Pflegeeinrichtungen schrittweise an das ELGA-System angeschlossen. Erst ab Mitte 2016 kommen die niedergelassenen VertragsärztInnen, ärztlichen Gruppenpraxen, selbstständigen Ambulatorien und Apotheken dazu. Bis dahin sollte auch die Benutzerfreundlichkeit von ELGA sichergestellt werden. Mit Beginn 2017 erfolgt dann die Anbindung der privaten Krankenanstalten an ELGA, dann werden auch die PatientInnenverfügungen und Vorsorgevollmachten in ELGA zur Verfügung stehen. Ab 2022 werden schließlich die niedergelassenen ZahnärztInnen, zahnärztlichen Gruppenpraxen sowie selbstständigen Zahnambulatorien in ELGA einbezogen.
Welche Interessen stehen wirklich hinter ELGA
Diese Bedenkzeit könnte man auch dazu nützen kritisch zu hinterfragen, warum ausgerechnet die Hausärzteschaft so vehement gegen ELGA auftritt. Die Datensicherheit ist sicher nicht der einzige Grund. Durch ELGA kann nämlich die Qualität der ärztlichen Versorgung viel besser als heute kontrolliert werden. Das kann in manchen Fällen zu haftungsrechtlichen Folgen für ÄrztInnen führen.