In Deutschland blieb die Ungleichheit der Einkommen ab Mitte der 2000er stabil, nachdem sie davor fast zweieinhalb Jahrzehnte gestiegen war. Diese Trendwende kann auf zwei Arten erklärt werden: Entweder als Effekt des Beschäftigungsanstiegs nach 2005, oder durch den Einbruch der Kapitaleinkommen. Die Daten zeigen, dass in Deutschland in der zweiten Hälfte der 2000er Vermögenseinkommen einen immer geringeren Beitrag zur Einkommensungleichheit leisteten, und somit zur Dämpfung des Anstiegs der Gesamtungleichheit führten. Der Beitrag der Arbeitseinkommen zur Ungleichheit war dagegen weiterhin steigend. Ein neuerlicher Anstieg der Ungleichheit ist zu erwarten, wenn sich die Vermögenspreise erholen.
Ungleichheit steigt nicht weiter In Deutschland zeigen die Daten einen langfristigen Anstieg der Ungleichheit der Markteinkommen der Haushalte, gemessen hier etwa durch den Gini-Koeffizienten. Demnach nahm in Deutschland die Ungleichheit zwei Jahrzehnte lang fast kontinuierlich zu. Dieser scheinbar unaufhaltsame Trend fand erst in der zweiten Hälfte der 2000er ein Ende, als die Ungleichheit stagnierte oder sogar leicht fiel.
Ungleichheit der Haushaltsmarkteinkommen 1991-2010
Quelle: Rehm/Schmid/Wang 2014, Basisdaten: SOEP v28l. © A&W Blog
Quelle: Rehm/Schmid/Wang 2014, Basisdaten: SOEP v28l. Hartz IV oder platzende Kapitalmarktblase? Für diese Entwicklung gibt es zwei mögliche Erklärungen. Erstens stieg die Beschäftigung in Deutschland in der ersten Hälfte der 2000er deutlich an, was in der deutschen Debatte häufig mit der Flexibilisierung am Arbeitsmarkt (Stichwort Hartz IV-Reformen) in Verbindung gebracht wird – wobei das der Datenlage nach allerdings kaum haltbar ist . Die höhere Beschäftigung könnte die Ungleichheit der Arbeitseinkommen verringert haben – ehemalige Arbeitslose, die somit wieder Arbeitseinkommen lukrieren konnten, könnten somit die Ungleichheit in den Arbeitseinkommen verringert haben.
Die zweite Erklärung liegt in den Kapitaleinkommen. Diese Einkommen aus Vermögen sind besonders ungleich verteilt, und brachen nach der Krise besonders drastisch ein. Obwohl Kapitaleinkommen nur etwa 10% der gesamten Haushaltseinkommen ausmachen, können sie somit durch ihre starke Bewegung und aufgrund ihrer hohen Konzentration die Gesamtungleichheit bestimmt haben.
Kapitaleinkommen lassen Ungleichheit abflachen Ein neuer Policy Brief des IMK zeigt die Beiträge der einzelnen Einkommensarten zur Gesamtungleichheit – Arbeitseinkommen aus Vollzeitbeschäftigung, Arbeitseinkommen aus Teilzeit oder atypischer Beschäftigung, und Kapitaleinkommen.
Beiträge zur Ungleichheit der Haushaltsmarkteinkommen (Vergleichsjahr 1999)
Quelle: Rehm/Schmid/Wang 2014, Basisdaten: SOEP v28l. © A&W Blog
Quelle: Rehm/Schmid/Wang 2014, Basisdaten: SOEP v28l. Es zeigt sich, dass die Abflachung der Ungleichheit keineswegs durch die beiden Arten der Arbeitseinkommen getrieben wurde – ganz im Gegenteil, der Beitrag der beiden Komponenten zur Ungleichheit stieg über die gesamten 2000er weiter an. Vor allem nach Einsetzen der Krise erhöhte sich die Ungleichheit durch die Arbeitseinkommen.
Die Kapitaleinkommen dagegen leisteten in der zweiten Hälfte der 2000er einen sinkenden Beitrag zur Ungleichheit, und führten somit zum Abflachen des Anstiegs der Gesamtungleichheit. Dabei spielte eine wichtige Rolle, dass sich in Deutschland nach der Krise Vermögenspreisblasen auflösten. Der Einbruch der Gewinne und der Vermögenseinkommen wirkte somit Ungleichheit reduzierend.
Kein Grund zur Freude Dass der langfristige Trend zu höherer Ungleichheit in Deutschland in der zweiten Hälfte der 2000er gebrochen wurde, ist somit kein Anlass zum Feiern. Er spiegelt nur das Einbrechen von Kapitaleinkommen wieder, und nicht eine weniger ungleiche Situation am Arbeitsmarkt. Die steigende Beschäftigung zeigt in den Daten keine nennenswerte positive Wirkung auf die Ungleichheit. Sobald sich die Kapitaleinkommen wieder erholen, ist somit ein neuerlicher Anstieg der Ungleichheit in Deutschland zu erwarten.
In Österreich sind die Kapitaleinkommen ebenfalls extrem konzentriert , und Österreich durchläuft eine vergleichbare makroökonomische Entwicklung wie Deutschland. Österreichs Volkswirtschaft kämpft aber – im Gegensatz zu Deutschland – mit steigender Arbeitslosigkeit. Aus der deutschen Erfahrung in den 2000ern lässt sich die Lehre ziehen, dass eine Politik der Arbeitsmarktflexibilisierung – selbst wenn sie mit Beschäftigungsgewinnen einhergeht – auf dem Feld der Ungleichheitsbekämpfung versagt. Stattdessen müssen in Österreich die Ursachen der steigenden Arbeitslosigkeit angepackt werden, die in der schwachen Nachfrage im Euroraum sowie im steigenden Arbeitsangebot liegen – zum Beispiel durch eine Stärkung der öffentlichen Investitionen oder eine Politik der Arbeitszeitverkürzung.
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