Die Europäische Kommission hat Maßnahmen zur Stärkung der Binnenwirtschaft in Deutschland vorgeschlagen. Diese wären auch im deutschen Interesse: Die Abhängigkeit von der Konjunktur im Rest der Welt wäre geringer und hohe Bewertungsverluste des volkswirtschaftlichen Auslandsvermögens würden der Vergangenheit angehören. Zudem würde eine Stärkung der Binnenwirtschaft den Krisenländern helfen, über den Außenhandel ihre Wirtschaft anzukurbeln und ihre Auslandsverschuldung abzubauen.
Leistungsbilanzsalden als Frühwarnindikator für EU-Kommission
Im Rahmen des Frühwarnsystems für makroökonomische Ungleichgewichte untersucht die EU-Kommission seit 2012 hohe Leistungsbilanzsalden. Kritisch sind demnach nicht nur anhaltend hohe Defizite, sondern auch anhaltend hohe Überschüsse (auf Drängen Deutschlands erst ab sechs Prozent des BIP). Der als Frühwarnindikator relevante Durchschnittswert für Deutschland betrug 7,3 Prozent. Folglich veröffentlichte die Europäische Kommission am 5. März 2014 Empfehlungen zum Abbau der deutschen Überschüsse. Der Leistungsbilanzsaldo wird für Industrieländer hauptsächlich durch den Außenhandel (Waren und Dienstleistungen) bestimmt, auch wenn Zinszahlungen und damit ein Abfluss von Vermögenseinkommen zuletzt durch den Anstieg der Auslandsverschuldung für die Krisenländer an Bedeutung zugenommen haben, ebenso wie zunehmende Vermögenseinkommen für Deutschland. Ein Leistungsbilanzdefizit geht mit einem Kapitalimport in gleicher Höhe einher. Der Rest der Welt kann den Kapitalexport nur leisten, wenn dort nicht das gesamte Einkommen verwendet wird, also ein Leistungsbilanzüberschuss erzielt wird. Weltweit addieren sich daher Leistungsbilanzsalden sowie Kapitalimporte und -exporte grundsätzlich zu null.
Das Defizit-Problem liegt auf der Hand: Weist ein Land Jahr für Jahr Leistungsbilanzdefizite auf, verschulden sich dessen Akteure (Staat, Unternehmen und private Haushalte zusammen) netto immer mehr gegenüber dem Rest der Welt. Steigt die Verschuldung stärker als das BIP, lässt sich die Auslandsverschuldungsquote nicht stabilisieren: Griechenlands Auslandsverschuldung stieg bis 2013 auf netto 119 Prozent des BIP, Portugals auf 119 Prozent, Spaniens auf 98 Prozent und Italiens auf 30 Prozent. Irgendwann wird ein Punkt erreicht, an dem ein relevanter Anteil der Kapitalexporteure nicht mehr bereit ist, Wertpapiere und Aktien des Landes zu kaufen oder Kredite zu vergeben. Spätestens dann droht eine Verschuldungskrise, die – wie in der Eurozone zu beobachten – meist zu langwierigen realwirtschaftlichen Einbrüchen führt. Im Euroraum kommt erschwerend hinzu, dass drohende Verschuldungskrisen eines Mitgliedslandes angesichts bisher fehlender institutioneller Verfahren zum Umgang mit diesen Schulden auch immer Spekulationen auf den Zerfall des Euroraumes implizieren und damit über die Finanzmärkte zu Ansteckungseffekten auf andere Mitgliedsländer führen.
Wieso auch Leistungsbilanzüberschüsse als Frühwarnindikator?
Betrachtet man Deutschland mit einem Auslandsvermögensstatus von derzeit netto gut 48 Prozent des BIP (Eurostat, Stand Mai 2014), scheint die aus anhaltenden Leistungsbilanzüberschüssen resultierende Gläubigerposition auf den ersten Blick sehr vorteilhaft. Einem Gläubigerland geht es aber nur solange gut, wie seine Schuldner auch Zins- und Dividendenzahlungen (sowie im besten Fall Tilgungszahlungen) leisten können. Dass das nicht immer der Fall ist, vor allem nicht, wenn die Schuldner in eine Verschuldungskrise geraten, zeigt zum Beispiel der Schuldenschnitt für Griechenland. Ausbleibende Zahlungen können dann beim Gläubiger zu Liquiditäts-, aber auch Solvenzproblemen in einzelnen Sektoren führen und den Bankensektor destabilisieren. Anhaltende Leistungsbilanzüberschüsse verdienen daher eine ähnliche Beachtung als Frühwarnindikatoren wie Defizite.
Hat sich der Kapitalexport gelohnt?
Auch wenn Deutschlands Position im Vergleich deutlich komfortabler ist als die der verschuldeten Länder, zeigt sich, dass sich der Kapitalexport nicht gelohnt hat: Betrachtet man die Wertentwicklung der deutschen Auslandsanlagen, wird deutlich, dass vor allem seit den 1990er Jahren Wertverluste aufgrund von Bewertungsänderungen, vor allem durch Wertschwankungen bei Aktien aber auch bei Währungen, höher ausfielen als deren Renditen.