Für die überwiegende Mehrheit der heutigen Studentinnen und Studenten sind Studieren und Arbeiten der Normalfall – und das nicht nur in den Semesterferien. Laut der letzten Studierenden-Sozialerhebung von 2011 sind rund 63 Prozent der Studentinnen und Studenten während des Semesters berufstätig. Studierende aus sozial schwächeren Haushalten und ohne akademischen Background arbeiten deutlich öfter über 20 Stunden pro Woche bzw. in Vollzeit.
Berufstätige Studierende sind keine homogene Gruppe, sondern eine „bunte Mischung“: Viele nehmen im Lauf des Studiums eine Berufstätigkeit auf, es gibt aber auch zahlreiche Erwerbstätige, die ein Studium mit der Motivation „Höherqualifizierung“ beginnen. Das Hauptmotiv für die studentische Erwerbstätigkeit ist – wenig überraschend – das Geldverdienen. Jedoch nur rund die Hälfte der berufstätigen Studierenden hat das Glück, einen studienadäquaten Job zu bekommen, eine Vielzahl lebt von den „klassischen Studentenjobs“, d.h. Babysitten, „Kellnern“ am Wochenende, Promotion etc.
Je höher die Schicht, desto weniger Erwerbstätigkeit
Während bei den Erwerbsquoten kaum schichtspezifische Unterschiede zu registrieren sind, wird beim Erwerbsausmaß sehr wohl ein Zusammenhang mit der sozialen Herkunft deutlich: Studierende aus sogenannter „niedriger“ Schicht sind deutlich öfter über 20 Stunden pro Woche bzw. Vollzeit erwerbstätig. Bei dieser Gruppe geht es eben nicht um Gelegenheitsjobs für Extras neben dem „Grundbudget“ der Eltern, sondern um das Bestreiten des Lebensunterhalts durch regelmäßige Erwerbstätigkeit im zumindest Teilzeitumfang.
Studierende aus sogenannten „niedrigen“ Schichten haben daher auch in viel größerem Ausmaß Schwierigkeiten, Erwerbstätigkeit und Studium zu vereinbaren als jene aus „hohen“ Schichten. Durch die Doppelbelastung kommen zudem Familie, Freunde oder Hobbys oft zu kurz. Freilich ist hier zu beachten, dass das Alter auch eine große Rolle spielt. Die Erwerbstätigkeit steigt generell mit dem Alter und Studierende aus sozial schwächeren Schichten haben häufig schon längere Zeit gearbeitet und erst später mit dem Studium begonnen. Für viele gilt: Stipendien und Familienbeihilfe kommen aufgrund von „Systemhürden“ (z.B. Altersgrenzen) nicht in Frage, die Herkunftsfamilie kann finanziell nicht unterstützen – zur Finanzierung des Lebensunterhalts bleibt so nur die eigene Berufstätigkeit. Das bringt einiges an Schwierigkeiten mit sich: Eine Erwerbstätigkeit ab 11 Stunden pro Woche wirkt sich nämlich zumeist negativ auf die Studienaktivitäten aus, die Abbruchgefahr steigt.
„Ich schaff’s grad noch so mit der Zeit…“
Hinzu kommt, dass die meisten Studien, insbesondere an Universitäten, nach wie vor als „Vollzeitstudien“ konzipiert sind. Nur an Fachhochschulen gibt es ein breiteres Angebot an berufsbegleitenden Studienangeboten, die in der vorgegebenen Studienzeit studierbar und aufgrund der speziellen Organisation an die Lebensrealität von berufstätigen Studierenden besser angepasst sind. Aber auch dann ist die Vereinbarkeit von Studium und Beruf ein dominierendes Problem, wie eine aktuelle Studie zu berufsbegleitenden Studierenden mit Migrationshintergrund am Technikum Wien im Auftrag der AK Wien belegt.
Die befragten Studierenden haben zumeist Vollzeitbeschäftigungen und die zeitliche Gesamtbelastung ist daher sehr hoch. Jene mit Teilzeitjobs, die noch bei den Eltern wohnen können, sind da etwas besser dran. Ein weiteres Problem stellen die Fahrtzeiten zur/von der Hochschule zur Arbeitsstelle dar. Hinzu kommen Be-/Entlastungsfaktoren aufgrund des privaten Umfelds und der Lebenssituation (z.B. Unterstützung bzw. Entlastung durch den Partner/die Partnerin, Betreuungspflichten für Kinder etc.). Zudem spielt die Situation und Reaktion am Arbeitsplatz eine große Rolle. Wenn die Firma unterstützt, z.B. durch flexible Arbeitszeiten, ist dies eine große Hilfe. Das ist leider keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Auch bei dieser Erhebung haben Studierende angegeben, dass sie „heimlich“ studieren und ihren Arbeitgeber – auch aus Angst vor negativen Konsequenzen – gar nicht informiert haben. Die prekäre Zeitorganisation gerät natürlich besonders dann unter Druck, wenn unvorhergesehene Ereignisse (z.B. Betreuungspflichten, Krankheit, Überstunden etc.) eintreten. Ein Ergebnis der Befragung war auch, dass Abstriche eher in Bezug auf das Engagement im Studium denn am Arbeitsplatz gemacht werden. Ein Migrationshintergrund kann unter Umständen noch verschärfend wirken, z.B. wenn aus sprachlichen Gründen mehr Zeit für einzelne Aufgaben investiert werden muss.
Berufstätige Studierende besser unterstützen!
Trotz vielfältiger Bemühungen von Hochschulen bleibt immer noch viel zu tun, um die Situation von berufstätigen Studierenden zu verbessern, speziell an Universitäten, an denen es – im Unterschied zu den Fachhochschulen – kaum ein spezifisches Angebot für Berufstätige im Rahmen der Regelstudien gibt. Die Palette reicht hier von mehr berufsbegleitenden Studienangeboten und einer speziellen Beratung vor dem Studium über die leichtere Anrechnung von Vorwissen und beruflicher Erfahrung, der Erhöhung der Planbarkeit und Transparenz, flexiblerer Gestaltung von Anwesenheitszeiten und Unterstützungssystemen (z.B. Mentoring-Programmen) während des Studiums bis hin zu verbesserten E-Learning-Angeboten und Maßnahmen im Rahmen der Hochschuldidaktik.
Wichtig ist zudem, dass die staatliche Studienförderung endlich verbessert wird. Das Stipendienwesen muss so gestaltet sein, dass auch für Studierende aus sozial schwächeren Schichten eine volle Konzentration auf das Studium möglich ist und keine Notwendigkeit mehr besteht, zusätzlich zum Stipendium in größerem Umfang arbeiten zu müssen.
Und nicht zuletzt ist auch die Wirtschaft gefordert: Berufstätige Studierende brauchen nicht nur gute Rahmenbedingungen beim Studieren, sondern auch ein förderndes Arbeitsumfeld, insbesondere in Form von Unterstützungen seitens der Arbeitgeber, wie zum Beispiel die Möglichkeit einer flexiblen Zeiteinteilung, Dienstfreistellungen, die Übernahme von Studienbeiträgen oder die Genehmigung von Bildungskarenz für das Schreiben von Abschlussarbeiten.