Ein Ende der Krise in Griechenland ist nach wie vor nicht in Sicht. Die Krisenbearbeitung durch die Troika (IWF, EZB und EU-Kommission) hat den ökonomischen Niedergang beschleunigt und das Land in eine folgenschwere soziale, politische und gesellschaftliche Krise gestürzt. Die Mittel zur Durchsetzung der strikten Austeritätspolitik werden zunehmend autoritärer. Die Regierung geht gegen Gewerkschaften und Streikende vor und auf den Straßen morden faschistische Schlägerbanden und verbreiten Angst und Terror.
Nachdem die Finanzkrise in eine Staatsschuldenkrise umgedeutet wurde, die verschuldeten Staatshaushalte folglich nicht mehr als Folge sondern als Ursache der Krise wahrgenommen werden, wird seit 2010 europaweit eine strikte Austeritätspolitik als Ausweg forciert. Mit dem Beschluss der Economic Governance („six-pack“) und dem Fiskalpakt fand diese Strategie ihren Einzug in die Budgetpolitik der EU-Mitgliedsstaaten.
Griechenland gilt als Labor für diese Politik, infolge derer seit 2010 das Sozialgefüge grundlegend umgestaltet wurde. Neben der Senkung der Staatsausgaben durch strikte Austeritätspolitik, gilt die Strategie der „Abwertung nach Innen“ als weiteres zentrales Element der Krisenbearbeitung, wodurch die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands erhöht werden soll.
Austeritätspolitik Abwertung nach Innen Arbeitslosigkeit, Armut und Verelendung
Aufstieg der Faschisten Repression und autoritäre Maßnahmen Solidarität von unten Radikalisierter Neoliberalismus als Ausweg aus der Krise?
Im Mai 2013 waren in Griechenland über 1,3 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet. Dies entspricht einer Arbeitslosenquote von 27%. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 64%. In den Jahren 2008-2012 hat sich die Anzahl der Arbeitslosen mehr als verdreifacht. Durch die drastische Senkung des Arbeitslosengeldes im Februar 2012 von 461 Euro auf 322 Euro wurden Tausende von GriechInnen in die Armut getrieben. Eurostat geht von über 3 Millionen Menschen (27,7%) in Griechenland aus, die von Armut und/oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind. Die bereits vor der Krise hohe Armutsgefährdung wurde durch Sparpakete und Arbeitslosigkeit weiter verschärft. Alleine im Jahr 2010 fielen 5% der Bevölkerung unter die Armutsgrenze.
Die zunehmende Verelendung breiter Bevölkerungsschichten verschafft rechtsextremen Gruppierungen Aufwind. Die offen faschistische Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) erhielt bei den letzten Wahlen fast 7%. Mittels paramilitärischer Strukturen kontrollieren die Faschisten inzwischen ganze Stadtteile und präsentieren sich als Ordnungshüter. In Athen kommt es inzwischen beinahe tagtäglich zu organisierten Überfällen auf MigrantInnen. Seit Jahresbeginn 2013 sind 4 rassistisch motivierte Morde an MigrantInnen dokumentiert. Am 17. September wurde der antifaschistische Musiker Killah P. in Piräus auf offener Straße von einem Anhänger der Chrysi Avgi mit drei Stichen ins Herz ermordet. Im Rahmen der Ermittlungen wurden neben dem Tatverdächtigen auch führende Mitglieder der Chrysi Avgi – unter anderem deren Vorsitzender – in Haft genommen. Die immer wieder dokumentierten Verbindungen der Faschisten zur Polizei wurden im Rahmen der Ermittlungen ebenso bestätigt, wie die Verbindung zu anderen Straftaten wie Mord, schwere Körperverletzung, Bildung einer kriminellen Vereinigung, Erpressung, Geldwäsche, illegaler Waffenbesitz, Menschenhandel… Diese Vorwürfe sind seit Jahren bekannt und durch die griechischen Behörden dokumentiert, was einzelne Abgeordnete der Regierungspartei Nea Demokratia nicht daran hinderte, die Chrysi Avgi als möglichen Koalitionspartner ins Spiel zu bringen.
Die Durchsetzung der skizzierten Krisenpolitik mittels demokratischer Entscheidungsprozesse ist aufgrund des anwachsenden Widerstandes längst nicht mehr möglich: Gesetze werden in Eilverfahren durch das Parlament gepeitscht, zahlreiche Beschlüsse der letzten Jahre gelten als verfassungswidrig. Interessensvertretungen werden komplett aus den Entscheidsprozessen ausgeschlossen und sozialem Protest wird oftmals mittels Kriminalisierung, Polizeigewalt und Repression begegnet. Im Frühjahr 2013 ging die Regierung mittels Notstandsverordnugen aus Zeiten der Militärdiktatur gegen Streikbewegungen vor. Durch militärischee Einberufungsbefehle und Polizeigewalt wurden die streikenden Belegschaften an ihre Arbeitsplätze zurück gezwungen. Im Juni ließ Regierungschef Samaras von einen Tag auf den anderen den öffentlich rechtlichen Rundfunksender ERT schließen – tausende GriechInnen gingen aus Protest dagegen auf die Straße .
Angesichts der verherrenden Auswirkungen der Krisenpolitik sind zahlreiche Initiativen in Griechenland entstanden, die der zunehmenden Verelendung und Entsolidarisierung der griechischen Gesellschaft und letztendlich auch der vom Neoliberalismus suggerierten Alternativlosigkeit entgegentreten. Ein besonders beeidruckendes Beispiel dafür ist die “Klinik der Solidarität” im nordgriechischen Thessaloniki. weltumspannend arbeiten, der entwicklungspolitische Verein im ÖGB, hat mit Jahresbeginn eine Solidaritätskampagne mit der Gesundheitsambulanz gestartet (nähere Infos dazu finden sich auf einem eigenen Kampagnen-Blog).
Die “griechische” Krise und ihre Bearbeitung stehen stellvetretend für die Krisenpolitik (in) der Europäischen Union. Ein Blick nach Griechenland verdeutlicht, dass der derzeit eingeschlagene Weg das Ende des Europäischen Sozialmodells bedeuten würde, denn auch wenn dieses im Vertrag von Lissabon bestätigt wurde, weist die derzeitige Krisenpolitik in den südlichen EU-Ländern einen völlig anderen Weg (Altvater 2010). In den nächsten Monaten und Jahren wird sich entscheiden, ob sich die Krisenstrategie eines autoritären und radikalisierten Neoliberalismus langfristig durchsetzen kann oder aber ob es gelingt die Weichen für ein anderes Europa zu stellen.