Auch für Zeit-ArbeitnehmerInnen gilt: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!

02. Mai 2013

Als die schlimmste Phase der Wirtschaftskrise 2008/2009 (vorläufig) überstanden war, wurden mehrere repräsentative Umfragen unter personalverantwortlichen ManagerInnen durchgeführt. Wie würden sie offene Stellen in Zukunft besetzen? Durchgängige Antworten: Rund 25% der künftigen Jobs würden nur noch mit überlassenen Arbeitskräften und nicht mehr dauerhaft mit StammarbeitnehmerInnen besetzt werden. Leichteres hire&fire (kostenlose Beendigung der Arbeitsverhältnisse) sowie die Bilanzierung dieses Personals unter „Sachaufwand“ waren die Hauptargumente. Als „angenehmer Nebeneffekt“ wird aber oft auch eine geringere Entlohnung angestrebt.

„Innovative“ Beschäftigungsformen als Folge der Wirtschaftskrise

Mittlerweile sind Tendenzen zu beobachten, wonach die Rechtsbeziehungen zwischen den beschäftigenden Firmen und Teilen ihres Personals noch weiter gelockert werden. Contracting  ist angesagt. Darunter wird im gegebenen Zusammenhang die Beschäftigung von ArbeitnehmerInnen (AN) verstanden, die zwar dauerhaft in einem „bestellenden“ Unternehmen tätig sind, ihren Arbeitsvertrag jedoch bloß mit dem Zulieferer oder Dienstleistungspartner des beschäftigenden Unternehmens haben. Um zu erreichen, dass kein Arbeitskräfteüberlassungsverhältnis gemäß AÜG (Arbeitskräfteüberlassungsgesetz) vorliegt, müssen die beiden involvierten Unternehmen gewisse Kniffe anwenden. Es gilt dem „Beurteilungsmaßstab“ des § 4 AÜG so zu entsprechen (dh zu unterlaufen und zu umgehen), dass weder der wahre wirtschaftliche Gehalt des Vertragsverhältnisses und der Durchführungspraxis nach Zeitarbeit aussieht, noch eine der im AÜG angeführten Legalvermutungen für Arbeitskräfteüberlassung bestätigt werden.

 „Embedded Service“ – eingemietete Lieferanten als mögliche Gesetzesumgehung

Aus den zahlreichen Beispielen, die in den letzten Jahren zu bemerken waren, hat jenes von den „Flying Chiefs“ einige mediale Aufmerksamkeit erlangt (ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ vom 9.3.2013: Fliegende Köche „abgespeist“). Beim zuliefernden Cateringunternehmen angestellte „fliegende Chefköche“ für Passagiere der Firstclass und der Businessclass eines in Österreich situierten Flugunternehmens, sollen nach Abmachung des Caterers und der Fluggesellschaft bloß nach dem Gastronomie-Kollektivvertrag entlohnt werden. Und nicht nach jenem für Flugunternehmen, obwohl sie wie das Bord-Personal an der Speisenzubereitung arbeiten und in Notfällen, ebenso wie die Stewards und Stewardessen, Passagieren zu helfen haben.

Auch Medienunternehmen sind nicht frei von einschlägigem Verdacht: Beispielsweise wurden ehemals als überlassene Arbeitskräfte beschäftigte – und dementsprechend entlohnte – Kameraleute, Beleuchtungstechniker sowie CutterInnen in ihrem arbeitsvertraglichen Status „umgestellt“. Sie könnten ihren Arbeitsplatz in den Räumlichkeiten des Medienunternehmens nur behalten, wurde ihnen vom Geschäftsführer des bisher als Arbeitskräfteüberlasser agierenden Unternehmens (einer Filmproduktionsgesellschaft) mitgeteilt, wenn sie in Zukunft in den angemieteten Räumlichkeiten ihrer Arbeitgeberin im Auftraggeber-Gebäude arbeiten würden. Nicht wie bisher als Leih-AN, sondern als „ErfüllungsgehilfInnen“ ihres angeblich vom „Überlasser“ zum „Werkvertragspartner“ mutierten Arbeitgebers. An den Arbeitsinhalten und –abläufen änderte sich nichts. Der Unterschied? An die Türen im Fernsehunternehmen wurden Firmenschilder des Zulieferers montiert… Ob tatsächlich Miete vom „bestellenden“ Medienunternehmen an das „eingemietete“ Filmproduktionsunternehmen gezahlt wird – oder ob eine fiktive Miete mit den Kosten der Personal-Zurverfügungstellung gegengerechnet wird – kann weder von den betroffenen AN noch von den Betriebsräten überprüft werden.

Umgehung des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes

Die Rechtsfolgen für die Beschäftigten sind gravierend. Und zwar sowohl für die „Fremdbeschäftigten“ als auch für die Stammbelegschaft. Es geht um mehrere hundert Euro Gehaltsdifferenz monatlich. Während gemäß § 10 AÜG ein/e ZeitarbeitnehmerIn zumindest das Gehalt bekommen muss, dass auch neu aufgenommenen AN der Stammbelegschaft zusteht (also nach dem KV der Branche des Beschäftigerunternehmens), richtet sich bei „Erfüllungsgehilfen eines Lieferanten“ der Mindestlohn nach dem KV der Branche dieser Lieferantenfirma.

Eine zusätzliche Problematik ergibt sich im Hinblick auf das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Lohn- und Sozialdumping Bekämpfungsgesetz (LSDB-G), wenn es um die Frage „grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung oder (eingemietete) Werkvertragserfüllung“ geht.

Was will der Gesetzgeber?

Die österreichische Die österreichische Rechtsordnung schützt in den §§ 2, 4 und 10 AÜG sowohl die Stammbelegschaft als auch die überlassenen Arbeitskräfte vor Lohndumping. Der ÖGB und die AK haben schon in den 1980-er-Jahren erkannt, dass es zu Umgehungsversuchen von Unternehmen kommen könnte. Deshalb haben die Sozialpartner im Gesetzgebungsverfahren im Rahmen der Begutachtung des AÜG-Gesetzesentwurfs darauf gedrängt, dass „Zweifelsregelungen“, sogenannte Legalvermutungen, in das Gesetz aufgenommen werden. Das Parlament teilte diese Bedenken und verankerte im 1988 in Kraft getretenen AÜG die folgende Bestimmung.

Beurteilungsmaßstab

§ 4. (1) Für die Beurteilung, ob eine Überlassung von Arbeitskräften vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.

(2) Arbeitskräfteüberlassung liegt insbesondere auch vor, wenn die Arbeitskräfte ihre Arbeitsleistung im Betrieb des Werkbestellers in Erfüllung von Werkverträgen erbringen, aber

1. kein von den Produkten, Dienstleistungen und Zwischenergebnissen des Werkbestellers abweichendes, unterscheidbares und dem Werkunternehmer zurechenbares Werk herstellen oder an dessen Herstellung mitwirken oder

2. die Arbeit nicht vorwiegend mit Material und Werkzeug des Werkunternehmers leisten oder

3. organisatorisch in den Betrieb des Werkbestellers eingegliedert sind und dessen Dienst- und Fachaufsicht unterstehen oder

4. der Werkunternehmer nicht für den Erfolg der Werkleistung haftet.

Es soll damit den Gerichten ermöglicht werden Gesetzesumgehungen und Scheingeschäfte bzw Scheinverträge, die ja ganz allgemein nach dem ABGB verpönt sind, aufzudecken. Außerdem wurde in § 2 AÜG festgeschrieben, dass durch die Beschäftigung überlassener Arbeitskräfte die Arbeits- und Entgeltbedingungen der Stammbelegschaft nicht gefährdet werden dürfen! An diesen Schutzbestimmungen zeigt sich übrigens, dass das österreichische Gesetz gegenüber den einschlägigen Regelungen unserer Nachbarländer sorgfältiger formuliert ist, wie sich nicht zuletzt vor einigen Wochen beim aufgedeckten Skandal rund um ein marktführendes Onlinehandel-Unternehmen zeigte. In Deutschland beispielsweise gibt es keine Legalvermutungen für Arbeitskräfteüberlassung und auch flächendeckende KV sind eher die Ausnahme. Dem gegenüber haben Österreichs Gewerkschaften für ca 97% aller Arbeitsverhältnisse kollektivvertraglich zwingende Mindestlöhne erkämpft – in diesem Punkt sind wir Weltmeister!

 „Werkvertragserfüllung neu“ oder weiterhin Arbeitskräfteüberlassung?

Die beiden oben geschilderten Fälle haben eines gemeinsam: Es sind bisherige Geschäftspartner des nun bloß „auftraggebenden“ oder „anmietenden“ Unternehmens, die nunmehr als bloße Auftragnehmer bzw Werkunternehmer (Hersteller, Projektausführender) aufzutreten versuchen.

Nun legt eine Vertragsumstellung von ehemals „Zeitarbeit-Dienstverschaffungsvertrag“ auf Werkvertrag, bei im wesentlichen gleichbleibenden Tätigkeiten, schon per se die Vermutung der Gesetzesumgehung nahe. Im Folgenden möchte ich kurz begründen, warum und wie der Beurteilungsmaßstab und die Unterscheidungskriterien des § 4 AÜG im Fall einer Vertragsänderung anzuwenden sind.

Wenn, wie gesagt, § 2 AÜG die StammarbeitnehmerInnen des Beschäftiger- oder Bestellerunternehmens vor Lohndumping schützen möchte (ratio legis des Gesetzes), dann ist eine systematische Interpretation der §§ 2, 4 und 10 (Entgelt-Gleichstellung) vorzunehmen. Keiner dieser Paragrafen darf isoliert betrachtet werden, sondern die Gesamtsystematik erhellt den gesetzgeberischen Willen, die Ratio Legis. Liest man § 4 Abs 2 Ziffer 1 AÜG genau und systemkonform, dann will der österreichische Gesetzgeber nur offenkundige „Fremdleistungen“ zu anderen Entlohnungsbedingungen zulassen, Arbeitsschritte in branchenüblichen Fertigungsketten oder Dienstleistungsabläufen aber nicht.

Mit Rechtsschutz-Unterstützung von ÖGB und AK sind die geschilderten Fälle derzeit bei österreichischen Arbeits- und Sozialgerichten anhängig. Wir wollen den betroffenen KollegInnen zu ihrem Recht verhelfen. Es geht um fairen Lohn und um faire Bedingungen an den Arbeitsplätzen. Leih-ArbeitnehmerInnen sind keine Beschäftigten zweiter Klasse!

Nützliche Links: www.leiharbeit.at; www.oegb.at; www.arbeiterkammer.at

Betriebsrat-Netzwerk: http://www.gedifo.at/unsere-cops/zeitarbeit-2/