Die Konzentration des Vermögens steigt in der Nachkriegszeit zunehmend an, wie Thomas Piketty in seinem Buch Kapital im 21. Jahrhundert zeigt, das er am 4. Juli in Wien präsentiert. Die Financial Times versuchte Pikettys Zahlen in Zweifel zu ziehen; tatsächlich macht sie aber selbst gravierende Fehler in ihren Berechnungen. Pikettys Forderung ist aufrecht: Vermögenssteuern sind der richtige Weg.
Eine Gesellschaft wie in der Monarchie
Piketty weist in seinem neuen Buch Kapital im 21. Jahrhundert nach, dass es langfristige, strukturelle Verschiebungen hin zu Vermögenden gibt. Er untersucht vor allem europäische Länder, zum Beispiel Frankreich, Großbritannien oder Deutschland. (Die Daten des HFCS – die einzigen verfügbaren – weisen darauf hin, dass Vermögen in Österreich ebenso stark konzentriert ist wie in Deutschland.)
Diese europäischen Länder entwickeln sich zunehmend zu einer Gesellschaft, die eine Vermögensverteilung aufweist wie zu Zeiten der Monarchie. Eine winzige Gruppe von ErbaristokratInnen hielt im 19. Jahrhundert extrem hohe Anteile am Vermögen. Die Einkommen aus Vermögen machten daher einen Großteil der Gesamteinkommen an der Spitze aus; selbst die höchsten Einkommen aus Arbeit konnte nicht den Lebensstil garantieren, den ererbtes Vermögen – quasi auf dem Silbertablett serviert – manchen ermöglichte.
Alle von Piketty erhobenen langen Zeitreihen zeigen diesen u-förmigen Verlauf: Die europäischen Länder sind am Weg dorthin, wo sie am Ende der Monarchien bereits einmal waren. Das ist für das Verhältnis von Vermögen, den höchsten Einkommen, und von Erbschaften am Gesamteinkommen der Fall. Die heutige Gesellschaft läuft daher Gefahr, durch die Dominanz von ererbten Vermögen gegenüber erarbeitetem Vermögen zu verkrusten.
Angriff der Financial Times läuft ins Leere
Diese Darstellung der Fakten löst Widerspruch aus. Die Financial Times publizierte einen Artikel, der Fehler in Pikettys Datenmaterial unterstellte. Vor allem bei Großbritannien hätte die Ungleichheit gar nicht zugenommen. Zudem gewichtete Piketty bei einer Grafik die vier europäischen Länder England, Frankreich, Großbritannien und Schweden nicht nach ihrem Einkommen.
Pikettys Antwort ist vernichtend: Die Financial Times verwendete für ihre alternative Datenreihe zwei unterschiedliche Zeitreihen, zuerst Statistiken zur Erbschaftssteuer, die das oberste Prozent verhältnismäßig gut abdecken, und dann Daten aus Erhebungen zur Vermögensverteilung, die bekanntermaßen die Ungleichheit unterschätzen. Daher sind die Zahlen der Financial Times gegen Ende der Zeitreihe niedriger – aus rein methodischen Gründen.
Zum zweiten Vorwurf: Natürlich sollten Länder grundsätzlich gewichtet werden. Einen Unterschied macht das allerdings nur, wenn die Entwicklungen unähnlich sind. Da alle vier Länder die gleiche u-förmige Entwicklung aufweisen, ist die Übergewichtung von Schweden und die Untergewichtung der anderen Länder kein Problem – außer man glaubt eben den getricksten Financial Times Daten für Großbritannien.
Der Ton in der Antwort der Financial Times war auch entsprechend gedämpft. Auch wenn die Datenlage bei weitem nicht ideal ist (ein Problem, das Piketty auch immer betont): Die Konzentration des Vermögens nimmt unbestreitbar zu.
Eine Vermögensabgabe ist zu wenig
Was also tun? Anstatt der festgefahrenen Positionen bei Vermögenssteuern in Österreich kommt eine Abgabe auf Vermögen verstärkt ins Gespräch. Das bedeutet anstatt regelmäßiger geringer Besteuerung eine einmalige höhere Belastung. Im Grunde ist aber eine Vermögensabgabe nur eine begrenzte Vermögenssteuer.
Eine Vermögensabgabe, zum Beispiel 10% des heutigen Vermögens, ist nämlich aus administrativen Gründen nicht sofort im Gesamten fällig stellbar, sondern sie wird gestreckt – etwa auf 10 Jahre wie in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg. Somit sind jedes Jahr 1% des Vermögens als Abgabe zu entrichten (wenn man den Zinseszinseffekt ignoriert). Nach 10 Jahren ist die Abgabe abgezahlt, und das Thema Vermögenssteuer möglicherweise erledigt.
In der Bevölkerung sind Vermögenssteuern, vor allem zur Finanzierung der Krisenkosten und der Pflege, übrigens durchaus beliebt. Das nur nebenbei, weil das IHS anscheinend glaubt, dass eine Volksabstimmung 1922 in der Schweiz die Ablehnung von Vermögensbesteuerung ganz generell und insbesondere in Österreich 92 Jahre danach nachweist. Aber mit solchen Nebenerscheinungen braucht sich die Debatte nicht aufhalten.
Vermögenssteuern sind notwendig
Um der Tendenz zur Konzentration, die Piketty empirisch detailgenau nachweist, Einhalt zu gebieten, schlägt er daher „konfiskatorische“ Höchststeuersätze von 80% auf sehr hohe Einkommen vor. Dazu bräuchte es nach Piketty eine idealerweise globale, zumindest aber europäische Vermögenssteuer, die natürlich auf einer Abschaffung des Bankgeheimnisses gegenüber Steuerbehörden beruhen würde.