5 Dinge, die Sie über die Arbeitsinspektion wissen sollten

14. Februar 2017

„Vurschrift is Vurschrift“ sagte der Arbeitsinspektor – angeblich! Geschichten über scheinbar realitätsfremdes Handeln der Arbeitsinspektion werden so dargestellt, dass ein paar Lacher erzeugt werden können. Geholfen ist damit aber niemandem. Nur durch eine ernsthafte Überprüfung des konkreten Falls können mögliche Missverständnisse aufgeklärt werden, kann erklärt werden, warum der Arbeitsinspektor oder die Arbeitsinspektorin so gehandelt hat, und kann mögliches Verbesserungspotenzial erkannt werden.

 

Ausgangslage

In letzter Zeit gab es mehrere Medienberichte, die sich über die Arbeitsinspektion lustig gemacht oder Arbeitnehmerschutzvorschriften ins Lächerliche gezogen haben. Es wurde unhinterfragt behauptet, Arbeitsinspektor/innen verbieten Obstkörbe, schreiben Intimwaxings in Auslagen vor und handeln vernunftbefreit nach dem Motto „Vurschrift is Vurschrift“, der Amtsschimmel wiehert im Arbeitsinspektorat. Am tatsächlichen Sachverhalt waren nur wenige interessiert.

Vor über 100 Jahren wurden in Österreich die ersten Arbeitsinspektoren eingesetzt. Schon damals wurde die Notwendigkeit erkannt, gesetzliche Regelungen zum Schutz der arbeitenden Menschen festzulegen und deren Einhaltung durch eine Behörde zu überwachen.

Ist das heute nicht mehr zeitgemäß? Darf eine moderne Behörde nicht kontrollieren?

5 Dinge, die Sie vor Beantwortung der Fragen über die Arbeitsinspektion wissen sollten:

1. Der Auftrag

Die Arbeitsinspektion ist die größte gesetzlich beauftragte Organisation zur Bekämpfung von Defiziten im Sicherheits- und Gesundheitsschutz bei der Arbeit in Österreich. Sie arbeitet in dem Verständnis, dass Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz gesellschaftliche Werte darstellen und dass ein geordneter Arbeitsmarkt bestehen soll.

Ziel des bestehenden Rechts ist es, dass Arbeitnehmer/innen so wirksam wie möglich geschützt werden, damit sie so gesund, wie sie morgens in die Arbeit gehen, auch abends wieder nach Hause kommen und am Ende des Berufslebens unbelastet in den Ruhestand gehen können.

Aber auch Arbeitgeber/innen haben ein Interesse daran, dass ihre Beschäftigten gesund bleiben und sich wohl fühlen, damit sie engagiert arbeiten und dem Unternehmen wertvolle Mitarbeiter/innen erhalten bleiben. Durch die Missachtung von Schutzvorschriften ersparen sich Unternehmen zwar vielleicht kurzfristig etwas, langfristig werden aber die Nachteile auch für sie selbst überwiegen: weil Arbeitskräfte nicht mehr voll arbeitsfähig sind, ausfallen oder von den bekannt schlechten Arbeitsbedingungen gleich von vornherein abgeschreckt werden. Arbeitgeber/innen, die die Schutzstandards einhalten und somit gesunde und zufriedene Arbeitnehmer/innen haben und als attraktive Arbeitgeber/innen gelten, können langfristig gesehen sogar Wettbewerbsvorteile haben.

Seit Inkrafttreten des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes mit 1. Jänner 1995 ist erfreulicherweise ein deutlicher Rückgang bei den der AUVA gemeldeten Arbeitsunfällen zu beobachten und damit auch der Kosten, die den Betrieben und der Volkswirtschaft durch Arbeitsunfälle entstehen. Konkret konnten seit dem Jahr 2000 die Arbeitsunfälle um ca. 18 % reduziert werden konnten, das Risiko für Beschäftigte einen Arbeitsunfall zu erleiden ist damit um ca. ein Viertel zurückgegangen. Aus Statistiken der AUVA für die Jahre 1995 bis 2011 ergibt sich, dass die Kosten für die österreichischen Betriebe durch den Rückgang an Arbeitsunfällen um ca. 2,2 Milliarden Euro reduziert wurden. Der volkswirtschaftliche Schaden konnte in dem Zeitraum um rund 8,6 Milliarden Euro verringert werden.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Selbstverständlich entwickelt sich die Arbeitswelt weiter, weshalb auch die Vorschriften an neue Belastungen angepasst werden müssen, z.B. zuletzt mit der expliziten Verpflichtung zur Evaluierung arbeitsbedingter psychischer Belastungen.

Umgekehrt ist es aber auch notwendig, bestehende Verpflichtungen regelmäßig einer Zweckmäßigkeitsprüfung zu unterziehen. So wird zur Zeit gerade an einer Novelle gearbeitet, die eine „Entbürokratisierung“ von Arbeitnehmer/innen-Schutzvorschriften im Fokus hat.

2. Kontrolle und Beratung – zwei Kernaufgaben

Eine Aufgabe der Arbeitsinspektion ist die Kontrolle der Einhaltung von Vorschriften zum Arbeitnehmer/innenschutz vor Ort im Betrieb. Im Jahr 2016 haben ca. 300 Arbeitsinspektor/innen ca. 68.000 Kontrollen durchgeführt. Wer kommt um zu kontrollieren, ist immer exponiert und selten willkommen. Kontrollen können von den Betrieben als Störungen des gewöhnlichen Ablaufes oder Zeitplans erlebt werden. Dennoch sind Kontrollen unverzichtbar. So hat eine Untersuchung der Europäischen Kommission gezeigt, dass Betriebe durch rechtliche Anforderungen in Verbindung mit Kontrollen am ehesten dazu bewegt werden, Strategien für den Arbeitnehmerschutz zu entwickeln und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Aber staatliche Kontrolle ist auch aus Wettbewerbsgründen unentbehrlich. Arbeitgeber/innen wissen selbst am besten, dass durch unterlassene Maßnahmen ungerechtfertigte betriebswirtschaftliche Vorteile zum Nachteil jener Wirtschaftreibenden derselben Branche erzielt werden können, die ihren Verpflichtungen zu einem effizienten Arbeitnehmer/innenschutz umfassend nachkommen.

Belegt ist ist, dass der weitaus überwiegende Teil der Kontrollen und der Kontakte mit den Arbeitgeber/innen positiv verläuft. Das liegt sicher auch daran, dass jede Kontrolle eine Beratung zum Arbeitnehmer/innenschutz im Betrieb inkludiert – „beratende Kontrollen“, die auf konkrete betriebliche Fragen und rechtssichere Lösungen abstellen.

Fachliche Unterstützung wird auch in Zusammenhang mit Um- oder Neubauten oder sonstigen Fragestellungen angeboten. Im Jahr 2016 wurden mehr als 31.000 solcher Beratungen durchgeführt, bei denen das Know How und die Erfahrung der Arbeitsinspektor/innen den Arbeitgeber/innen und Planer/innen zur Verfügung gestellt werden – kostenlos selbstverständlich.

Ebenso wird das Service- und Informationsangebot der Arbeitsinspektion laufend ausgebaut und steht unter www.arbeitsinspektion.gv.at zur Verfügung. Mittlerweile werden hier über 1,5 Million Zugriffe im Jahr verzeichnet.

3. Vorgehensweise, wenn Mängel festgestellt werden

Vorrangiges Ziel der Tätigkeit der Arbeitsinspektion ist die Sicherstellung der notwendigen Schutzstandards. Dieses Ziel gilt es zu erreichen. „Beraten vor Strafen“ ist schon lange gesetzlich verankert. Wir möchten überzeugen: Im Fall von Mängeln wird nämlich im Regelfall keine Strafanzeige erstattet, sondern es erfolgt entsprechend der Umstände eine Beratung sowie eine schriftliche Aufforderung, die festgestellten Mängel innerhalb vereinbarter Fristen zu beheben. Wird dem Arbeitsinspektorat die Mängelbehebung rückgemeldet, ist die Angelegenheit erledigt.

Werden die Mängel aber innerhalb der vereinbarten Fristen nicht behoben oder handelt es sich um schwerwiegende Übertretungen, z.B. weil ein schwerer Arbeitsunfall erfolgt ist, muss das Arbeitsinspektorat Anzeige an die zuständige Verwaltungsstrafbehörde erstatten.

Dass Anzeigen nur das letzte Mittel sind, zeigen die Zahlen: so kommen im Jahr 2016 auf ca. 68.000 Kontrollen nur ca. 1.500 Strafanzeigen. Das bedeutet aber nicht, dass die Arbeitsinspektion zahnlos ist, im Gegenteil: Üblicherweise werden Mängel bereits auf Grund der Beratungen und schriftlichen Aufforderungen behoben, sodass eine Anzeige gar nicht erst nötig wird.

4. Ausgleich zwischen verschiedenen Interessen

Arbeitsinspektor/innen treffen auf die Erwartungen der verschiedenen Zielgruppen, z.B. Wirtschaftstreibenden und Beschäftigten, und sind im Wesentlichen erfolgreich bemüht, diese unter den berühmten Hut zu bringen. Und genau das ist es, was die Mitarbeiter/innen in den Arbeitsinspektoraten tagtäglich kompetent auch machen: Einen Ausgleich zwischen den verschiedensten Interessen herzustellen.

Gerade im Rahmen dieses Ausgleichs ist es notwendig, dass Arbeitsinspektor/innen überparteilich, vermittelnd, fair und konsequent agieren. Sie wollen überzeugen. Entscheidungen müssen vor Ort rasch, lösungsorientiert, möglichst unbürokratisch und praxisbezogen getroffen werden. Da Arbeitsinspektor/innen in direktem Kontakt mit der Arbeitswelt stehen, gelingt dies im Regelfall sehr gut.

Überbetrieblich findet regelmäßig ein Erfahrungsaustausch zwischen der Arbeitsinspektion und den Interessenvertretungen der Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen auf regionaler und auf nationaler Ebene statt.

5. Konfliktsituationen bei Kontrollen

Bei der Tätigkeit der Arbeitsinspektor/innen kommen Problemsituationen durchaus vor, gesamt gesehen handelt es sich – bei ca. 68.000 Betriebsbesuchen – aus unserer Sicht aber um Einzelfälle. Grundsätzlich kann es zu kritischen Situationen kommen, wenn Arbeitgeber/innen ihren Unmut über die Kontrolle oder auch ihre ablehnende Haltung gegenüber Behörden im Allgemeinen zum Ausdruck bringen und sich dabei einer unangemessenen Ausdrucksweise bedienen, die manchmal in Beschimpfungen der Beamtenschaft oder auch in durchaus persönlichen Beleidigungen gipfeln kann. Von den Mitarbeiter/innen der Arbeitsinspektion wird in solchen Fällen nach Möglichkeit versucht, in sachlicher Weise ein akzeptables Gesprächsklima zu schaffen, was meistens auch gelingt.

Als Organisation liegt uns selbstverständlich etwas daran, stetig besser zu werden und die Qualität unserer Leistungen zu erhöhen.

Falls daher Unklarheiten zur Vorgehensweise von Arbeitsinspektor/innen entstehen, können sich Arbeitgeber/innen jederzeit an die Leiter/innen der Arbeitsinspektorate oder an das Zentral-Arbeitsinspektorat wenden. Wir ersuchen sogar darum, dies zu tun, damit die Sach- und Rechtslage überprüft und die erforderlichen Maßnahmen gesetzt werden können. Dafür müssen wir aber konkret wissen, wo was wann passiert ist. Es bringt nichts, die Fälle abstrakt ohne Angabe von Zeitpunkt und Ort weiter zu kolportieren – das mag zwar für einen Lacher oder schnelle „likes“ oder im Kabarett ausreichend sein, aber es kann zu keinen Verbesserungen kommen.

In diesem Zusammenhang muss aber auch darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Arbeitsinspektion im Rahmen des bestehenden Rechts tätig ist. Hier unterstützt sie bei Lösungen. Außerhalb dieses Rahmens kann sie nicht tätig werden. Unzufriedenheit mit Bestimmungen können nicht den einzelnen Arbeitsinspektor/innen zum Vorwurf gemacht werden.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Fazit

Auch nach über 100 Jahren hat die Überwachung der Einhaltung von Arbeitnehmer/innenschutz-Vorschriften keineswegs ausgedient. Die Arbeits- und Wirtschaftswelt entwickelt sich weiter, aber im Mittelpunkt steht immer noch der Mensch. Daher brauchen wir auch weiterhin eine Behörde, die sich ganz dem Schutz der Beschäftigten widmet. Und mal ehrlich: Welches Unternehmen möchte durch Arbeit kranke und unzufriedene Mitarbeiter/innen haben? Und wer möchte selbst in einem Unternehmen arbeiten, in dem auf die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter/innen kein Wert gelegt wird?

Links:

Die Seite der Arbeitsinspektion

Die Wahrheit von der Peepshow im Beauty-Salon

Die europäische Unternehmenserhebung über neue und aufkommende Risiken (ESENER)

Stöger: Arbeitsinspektorat muss sich auf wesentliche Kontrollen konzentrieren können