Sogenannte „weiterbildungsferne“ Personen haben kaum bzw. deutlich geringere Chancen, an beruflicher Weiterbildung teilzunehmen und folglich davon zu profitieren. Sie dürfen oder wollen nicht am Prozess des Lebenslangem Lernen teilnehmen. In diesem Beitrag soll beleuchtet werden, wer dieser Zielgruppe angehört und welche Möglichkeiten es gibt, diese Personen (besser) zu erreichen.
Junge gutverdienende Akademiker sind Gewinner von beruflicher Weiterbildung
Weiterbildungsferne Personen sind tendenziell eher Frauen, die einen niedrigen formalen Bildungsabschluss und wenig Einkommen haben, aber auch von höherer Arbeitslosigkeit betroffen sind. Eine Studie der AK Niederösterreich zu beruflicher Weiterbildung in Niederösterreich (2015) hat ergeben, dass 42 % der Erwachsenen in den letzten zwölf Monaten vor der Befragung weder an beruflicher Weiterbildung teilgenommen haben noch teilnehmen hätten wollen (Die Ergebnisse sind zwar nur für Niederösterreich gesichert repräsentativ, können aufgrund anderer Forschungsergebnisse aber durchaus für ganz Österreich entsprechend betrachtet werden).
Stress und zu viel Arbeit hinderlich für Teilnahme
Warum jemand nicht an Weiterbildung teilnehmen kann oder will ist kontext- und biografieabhängig. Dennoch können allgemeine Gründe festgemacht werden, welche oftmals für die mangelnden Weiterbildungschancen verantwortlich sind. Diese Gründe sind unter anderem die geringe Unterstützung durch den bzw. die ArbeitergeberIn, die Finanzierung von Weiterbildung, aber auch zu wenig Zeit, ein Mangel an entsprechenden Angeboten oder geringe Informationen über eigene Möglichkeiten zur Teilnahme.
Maßnahmen zur besseren Erreichbarkeit Weiterbildungsferner
Das österreichische Institut für Berufsbildungsforschung hat im Rahmen einer Studie zur „(besseren) Erreichbarkeit weiterbildungsferner Personen“ im Auftrag der Arbeiterkammer Niederösterreich versucht herauszufinden, welche Maßnahmen notwendig sind, um die Chancen zur Weiterbildungsteilnahme für „Weiterbildungsferne“ zu erhöhen. Diese Untersuchung erfolgte mittels Literaturanalyse und der Durchführung von drei Fokusgruppen (Teilnehmende waren: Weiterbildungsferne Personen; BetriebsrätInnen & Personal-verantwortliche; BildungsträgerInnen, BildungsberaterInnen und AMS-MitarbeiterInnen).
Nutzen von Weiterbildung erkennen
Im Rahmen der Fokusgruppen wurde vor allem betont, dass die Vermittlung des Nutzens von Weiterbildung eine zentrale Rolle spielt. Dieser muss einerseits den potentiellen Teilnehmenden als auch den Unternehmen klar kommuniziert werden. Wichtig ist darüber hinaus, dass die Weiterbildung für die Teilnehmenden zu keinen unerwünschten beruflichen Veränderungen führt (z.B. Versetzung in eine andere Abteilung). Dies wurde von TeilnehmerInnen der Fokusgruppe der „Weiterbildungsfernen“ explizit als Hinderungsgrund angegeben. Außerdem ist es wichtig, den Weiterbildungsfernen aufzuzeigen, was sie bereits gelernt haben. Das steigert einerseits die Motivation und gibt andererseits der Weiterbildung einen Sinn.
Für Unternehmen ist vor allem auch der betriebswirtschaftliche Nutzen ein großes Thema. Negative Auswirkungen, wie z.B. die Forderungen nach höheren Gehältern, könnten Nachteile für die Unternehmen bringen. Um dem entgegen zu wirken ist es wichtig, die (finanziellen) Vorteile der MitarbeiterInnen-Weiterbildung aufzuzeigen. Dazu könnte den Betrieben eine Studie im Auftrag der AK Wien zu den Renditen von Weiterbildung näher gebracht werden.
Informationsmaterialien einfach gestalten
Eine weitere wesentliche Grundlage ist die Informationsaufbereitung, die sich grundsätzlich immer an der zu erreichenden Zielgruppe orientieren soll. Für Weiterbildungsferne eignen sich kurze, übersichtliche und einfach formulierte Informationsmaterialien. Als geeignetes Medium bietet sich das Internet an. Auf vertiefende Inhalte sollte mittels verweisenden Links hingewiesen werden. Wichtig ist außerdem, gewisse Schlüsselwörter (z.B. Lernen, Schule) nach Möglichkeit zu vermeiden. Weiters sollten Informationen über Förderungen im Bildungsbereich besser verbreitet werden, da hier nach wie vor ein großes Informationsdefizit besteht („Förderdschungel“). Auch die Förderangebote selbst sollten von den fördergebenden Stellen evaluiert und kritisch hinterfragt werden.
Lernort ist zentral
Der Ort der Weiterbildung kann entscheidend für eine (Nicht-)Teilnahme sein. Deshalb sollte genau überlegt werden, wo Bildung stattfindet. Darüber hinaus sind ungestörte Rahmenbedingungen (z.B. kein Telefon in der Nähe) eine grundlegende Voraussetzung.
Schaffung lernförderlicher Arbeitsumgebungen
Lernförderliche Arbeitsplätze sind nicht nur zentral für die Aneignung von Kompetenzen und Fähigkeiten, sondern auch zur Verhinderung des Abbaus von bereits vorhandenen Fähigkeiten. Hier sind vor allem die Unternehmen gefragt, ihren MitarbeiterInnen entsprechende Möglichkeiten zur individuellen Entwicklung zu bieten und Lernen am Arbeitsplatz zu fördern.
Bildungsberatung und aufsuchende Beratung
Neue Formen der Bildungsberatung wären verstärkt anzudenken, um dieses grundsätzlich an der Mittelschicht orientierte Angebot auch an weiterbildungsferne Personen zu bringen – dazu zählen etwa mobile oder arbeitsplatznahe Bildungsberatung.
„Wenn ihr nicht zu uns kommt, holen wir euch gerne ab!“ So könnte man überspitzt formulieren, wie die Zielgruppe im Rahmen dieser Maßnahmen besser erreicht werden kann. Aufsuchende Beratung wird als unerlässlich erachtet, wenn es um die Erreichung der Zielgruppe geht. Dazu zählt etwa das Beratungsangebot am Arbeitsplatz selbst bzw. an Orten, die tendenziell nicht mit Bildung konnotiert werden (z.B. Freizeitmessen, Kirtage etc.). Arbeitsplatznahe Beratung bzw. Beratung direkt in Betrieben könnte in Abstimmung mit BetriebsrätInnen und Personalverantwortlichen dazu führen, eben jene Personen zu erreichen, die sonst mitunter nicht erreichbar sind.
Vernetzung und begleitende Unterstützungsangebote
Zentral in der Weiterbildungslandschaft und hinsichtlich der Zielgruppe ist eine Vernetzung der Bildungseinrichtungen, aber auch anderer Einrichtungen, die mit dieser Zielgruppe arbeiten. Flexible Beratungsorte können – wie oben bereits erwähnt – die Weiterbildungsquoten Geringqualifizierter steigern. Bei jenen Personen, die längere Bildungsmaßnahmen besuchen, sind außerdem begleitende Unterstützungsmaßnahmen sinnvoll, da diese Menschen oft Mehrfachbelastungen ausgesetzt sind und besondere Herausforderungen meistern müssen.
Verpflichtende Weiterbildung – (nicht) sinnvoll?
Ob eine verpflichtende Weiterbildung für die in diesem Artikel angesprochene Zielgruppe das richtige Instrument ist, muss kritisch hinterfragt werden. Bildungsferne Personen würden, so die Teilnehmenden der Fokusgruppen, davon eher weniger profitieren. Ebenso gilt es seitens der Betriebe hier umsichtig vorzugehen: Werden MitarbeiterInnen von Vorgesetzten gezielt auf Weiterbildung hingewiesen, sollte v.a. der individuelle Nutzen der Weiterbildung kommuniziert werden. Beschäftigte sollten Weiterbildungsmaßnahmen freiwillig besuchen, da andernfalls eine Teilnahme eher kontraproduktiv ist. Und: Es muss auch in Ordnung sein, wenn ArbeitnehmerInnen (aktuell) nicht an Weiterbildung teilnehmen wollen.
Anerkennung von Kompetenzen
Ein weiteres wichtiges Maßnahmepaket umfasst den Themenbereich Sichtbarkeit und Anerkennung von Kompetenzen. Die Anerkennung von Kompetenzen und Qualifikationen, welche auf unterschiedlichen Wegen angeeignet und erworben wurden (formal, non-formal und informell sowie im Ausland), muss durch entsprechende Verfahren ermöglicht werden. Die Resultate aus diesen Verfahren müssen entsprechend sichtbar und am Arbeitsplatz sowie für weitere Bildungswege verwertbar sein.
Was bleibt für die Zukunft?
Grundsätzlich gilt, dass keine Maßnahme fruchten wird können, wenn die Person selbst nicht motiviert ist, an einer Weiterbildung teilzunehmen. Viele Zielgruppenangehörige könnten mit oben angeführten Maßnahmen angesprochen werden. Das Augenmerk sollte also darauf gerichtet werden, bestehende Angebote entsprechend zu verbessern, neue Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen und mehr denn je informieren, informieren und informieren. Dabei gilt es insbesondere sicherzustellen, dass Weiterbildung nicht als Zwang wahrgenommen wird. Die verschiedenen in diesem Artikel dargestellten Anknüpfungspunkte bieten MultiplikatorInnen die Möglichkeit, „Weiterbildungsferne“ im Rahmen ihrer Lebenswege anzusprechen und ihnen Weiterbildung zu ermöglichen.